Von Anfang der sterblichen Geschichte an haben die Schönheiten des sogenannten materiellen Weltalls das Menschenherz angesprochen. Der Tag mit seinem goldenen Sonnenschein, die Nacht mit ihrer Sternenpracht, Wolken in ständig wechselnder Form, der Kreislauf der Jahreszeiten, Blüten und Früchte—das alles ruft, je nach der Gemütsart des Beobachters, mannigfaltige Empfindungen hervor. Über diese Wunder nachdenkend, erklärte der Psalmist: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk. Ein Tag sagt’s dem andern, und eine Nacht tut’s kund der andern”.
Die ganze Lieblichkeit der Erde als rein materiell ansehen, heißt die geistigen Lehren und die Verheißungen, die sie darstellen, mißdeuten. Diese Sinnbilder der höchsten Schöpferkraft werden für das Denken, das dem wahren Verständnis Gottes als der göttlichen Liebe näher kommt, schöner; denn man erkennt, daß die Liebe nichts Unschönes zum Ausdruck bringen kann. Als Christus Jesus in seiner großen Predigt seine Zuhörer Gottes liebende Fürsorge für alle Seine Kinder lehrte, wies er auf die Blumen hin, die die Berge Palästinas so reichlich schmückten, indem er sagte: „Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist wie derselben eins”.
Daß der Meister die Schönheit und den Frieden der sogenannten Natur liebte, trat darin zutage, daß er in den Stunden geistigen Einsseins mit seinem himmlischen Vater gewohnheitsmäßig stille Orte im Freien aufsuchte. Er muß die im 1. Kapitel des 1. Buchs Mose berichtete geistige Schöpfung betrachtet und verstanden haben—den Abend und den Morgen, das trockene Land und das Meer, das Gras, das Kraut, die Bäume und „die Lichter an der Feste des Himmels”, die Gott allesamt für „sehr gut” erklärte. Wer diese Ausdrücke in ihrer von unserer Führerin Mary Baker Eddy im Glossarium zu „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” und anderwärts in ihren Schriften erschlossenen geistigen Bedeutung erwägt, gewinnt ein klareres Verständnis der Substanz, der Vollständigkeit, des Zwecks und des Wirkens der wirklichen Schöpfung, die der Meister den Menschen klar machte.
Da Christus Jesus die Schönheit der Wahrheit kannte, konnte er nicht umhin, sie in seinem Leben, in seinem Verkehr und seinem Handeln zum Ausdruck zu bringen. Infolge seines bewußten Einsseins mit der göttlichen Liebe konnte er nichts Geringeres tun als die Schönheit des wahren Seins widerspiegeln und von seinen Mitmenschen fordern, sich von der geistigen Wahrheit ähnlich beeinflussen zu lassen. Das bedeutete für sie, daß die unliebsamen Kundwerdungen materiellen Glaubens aus ihrem Leben verschwinden mußten. Göttlich schön war das Offenbarwerden der Gegenwart und liebevollen Macht Gottes, als die verdorrte Hand geheilt ausgestreckt wurde, als sich der Jüngling und das Mägdlein erquickt und frei aus dem traurigen Anschein des Todes erhoben, als vor kurzem geöffnete Augen auf liebe Angehörige und auf das Gras, die Bäume, die Blumen und den Himmel sahen.
Wie genau die Christliche Wissenschaft mit den in der Bibel geoffenbarten Wahrheiten übereinstimmt, ist aus der ihre Lehren durchdringenden reinen Schönheit der Wahrheit ersichtlich. Überall, wo die göttliche Liebe ist, ist Schönheit; denn die Liebe kommt unvermeidlich in Lieblichkeit zum Ausdruck. Auf Seite 23 in „Retrospection and Introspection”, wo Mrs. Eddy von ihrer erhabenen Vision spricht, „als der Augenblick der Vermählung des Herzens mit einem geistigeren Dasein kam”, schreibt sie: „Das Sein war herrlich, Gott und Seine Idee waren seine Substanz, seine Ursache und seine Ströme. Ich hatte den Saum der Christlichen Wissenschaft berührt”.
Die göttliche Liebe teilt durch Gottes Ideen—das Weltall und den Menschen—Schönheit mit. Diese Tatsache nimmt man nicht nur in den lieblichen Sinnbildern Blume, Stern und Sonne wahr, sondern auch in der „Schönheit der Heiligkeit”, die durch das menschliche Leben in dem Maße zu leuchten beginnt, wie die unaussprechliche Tatsache, daß Gott die Liebe und der wirkliche Mensch der Liebe Widerspiegelung ist, das Herz berührt und läutert. Über die göttliche Lieblichkeit, die in Gottes unaufhörlich sich entfaltender Schöpfung in Erscheinung tritt, und auf die uns die Schönheiten der Natur hinweisen, schreibt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit (S. 247): „Schönheit ist ein Ding des Lebens, sie wohnt immerdar in dem ewigen Gemüt und spiegelt den Zauber Seiner Güte in Ausdruck, Gestalt, Umriß und Farbe wider”. In dem Maße, wie diese Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft verstanden werden, erwacht Liebe im Herzen, und man beginnt überall Beweise der Güte und der Lieblichkeit des wirklichen Seins nicht als Materie sondern als Widerspiegelungen Gottes, der göttlichen Liebe, zu sehen.
Die Wirkung, die die Offenbarung der Christlichen Wissenschaft, daß alles wirkliche Sein göttlich schön ist, auf jedes menschliche Leben ausübt, zeigt sich in dem Bemühen des Schülers, die Schönheit der Güte in seinem Denken zu verwirklichen, und als Folge dieses geistigen Denkens widerspiegelt sich Harmonie in demselben Verhältnis in seinen Angelegenheiten und in seiner Umgebung. Die Wahrheit ist unaussprechlich lieblich. Sünde und Krankheit sind daher Trugvorstellungen einer von Gott getrennten, falschen und unschönen Daseinsauffassung. Indem das Verständnis Gottes, des Guten, diese unwirklichen Bilder des sterblichen Denkens zerstört, weichen die Verheerungen der Sünde und der Krankheit den Kundwerdungen der Erneuerung und der Gesundheit. Die Christlichen Wissenschafter müssen immer klarer die Schönheit des wahren Daseins erkennen und über die herrliche Tatsache nachdenken, daß Gottes Ideen ebenso gewiß Schönheit zum Ausdruck bringen, wie sie die göttliche Liebe widerspiegeln. Wenn wir liebevolle, Gott widerspiegelnde Gedanken beständiger hegen, können wir zuversichtlich erwarten, daß die Schönheit der Gesundheit, der Güte, der Zufriedenheit und in „Gestalt, Umriß und Farbe” kund werdende Lieblichkeit jeder Art in unserem Leben in Erscheinung treten.
Beständiges Nachdenken über das wirkliche Sein als vollständig und vollkommen bereitet dem Denken einen Ausblick, der so frei von Irrtümern und Fehlern ist, daß vieles im Lichte dieser Wahrheit schöner erscheint, als es dem in der göttlichen Wissenschaft nicht unterwiesenen Denken erscheint. In der unendlichen Liebe kann es kein Anzeichen oder Kundwerden von Mißklang geben. Die Einheit von Liebe und Lieblichkeit ist unverletzlich, und wenn wir dies klar erkennen, widerspiegeln sich die Schönheit und die Güte der Wahrheit auf allen unseren Wegen. Wer aus liebevollem Herzen die göttliche Liebe widerspiegelt, sieht in gewissem Maße in allen Menschen, mit denen er in Berührung kommt, und in der ganzen lieblichen Welt um ihn her den Ausdruck der Lieblichkeit der reinen Ideen Gottes. Nicht als Materie, sondern als Sinnbilder der Vollkommenheiten der göttlichen Liebe
„... gehen Blumenkelche, die Sonne preisend, lieblicher auf;
Lieblicher erschallt der Vögel Gesang, wenn liebe-erleuchtet
Das Herz zum liebe-erleuchteten Herzen spricht”.
Bei allem reinen, geistigen Denken, das in freundlichem täglichen Leben und liebevoller Rücksichtnahme offenbar wird, ist unser Herz von Dankbarkeit gegen Gott für die Schönheit des reinen Seins erfüllt, und wir sehen das Weltall und den Menschen als vollkommene Widerspiegelungen des einen schöpferischen Gemüts. So notwendig es ist, zu verstehen, daß Gesundheit nicht ein Zustand der Materie sondern des geistigen Bewußtseins ist, das Gott widerspiegelt, so notwendig ist es auch, zu verstehen, daß die Lieblichkeit der Natur das Sinnbild der Güte und Liebe Gottes ist. Unsere Führerin schreibt in „Miscellaneous Writings” (S. 331): „In dem Maße, wie die Sterblichen aus ihrem Traum materieller Empfindung erwachen, verstehen sie diesen anbetungswürdigen, allumfassenden Gott und alle irdischen Hieroglyphen der Liebe”.
In dem Streben, die Wahrheit des Seins zu erkennen, findet der Christliche Wissenschafter große Hilfe und Kraft in dem Bewußtsein, daß Schönheit unverletzlich mit dem Leben und der Liebe verbunden ist. Das Nachdenken über diese Tatsache befähigt uns, die Vollkommenheit des geistigen Selbst klarer zu erkennen und sie im Heilen und In-Einklang-bringen aller unserer Erlebnisse zu bekunden; denn wir verstehen, daß, wie der Prophet voraussagte, der Christus, die Wahrheit, kommt, „zu schaffen den Traurigen zu Zion, daß ihnen Schmuck für Asche und Freudenöl für Traurigkeit und schöne Kleider für einen betrübten Geist gegeben werden”.
