Wie viele haben sich, wenn ihnen liebevoll gesagt wurde, etwas heiß Ersehntes, einen Umstand oder die Lösung eines langwierigen Problems abzuwarten, besorgt oder sogar ungeduldig und verdrießlich gebärdet! Kommt dies nicht davon, daß wir den Ausdruck „warten” in jenem falschen oder verneinenden Sinne auffassen, in dem man darunter einen Zustand versteht, der unsern Fortschritt zu hindern scheint, so daß man nichts anderes tun kann als auf unbestimmte Zeit in untätigem, nutzlosem Denken zu verharren?
Beim Lesen einer der Bibellektionen im christlich-wissenschaftlichen Vierteljahrsheft fiel der Verfasserin das häufige Vorkommen des Wortes „warten” in Verbindung mit Gott und mit den verheißenen Ergebnissen des Wartens auf Gott auf. Dies veranlaßte sie zu tieferem Ergründen der Bedeutung des Wortes „warten”, was viel wirklich Wertvolles enthüllte. Ein Wörterbuch erklärt „warten” u.a. als „wachen, achtgeben, erwarten, dienstbereit oder willens sein, Aufträge auszuführen”. Somit ist wahres Warten ein Zustand voller Wachsamkeit, Tätigkeit und Erwartung. Um also auf Gott zu harren, müssen wir geistig umsichtig, wachsam und willens sein, zu dienen und zu gehorchen — Seine göttlichen Befehle auszuführen. Sollte das nicht ein freudiges Erlebnis sein?
Eine andere in der Bibel in Verbindung mit „warten” oft erwähnte Eigenschaft von großer Bedeutung ist Geduld. Diese Eigenschaft ist beim Lösen menschlicher Aufgaben sehr vonnöten. „Geduld” bedeutet einer Erklärung gemäß „ruhiges Warten auf etwas Erwartetes oder Beharren in etwas Begonnenem”. Der Verfasser des Briefs an die Hebräer ermahnt uns: „Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber ist euch not, auf daß ihr den Willen Gottes tut und die Verheißung empfanget”. Wahre Geduld entschuldigt oder duldet das Böse keineswegs, im Gegenteil, sie anerkennt unermüdlich und liebevoll nur das Gute und harrt zuversichtlich der Bekundung dessen, was allein wirklich ist: Gottes, des Guten, und Seiner Kundwerdung. Unsere geliebte Führerin Mary Baker Eddy, deren Leben ein Vorbild wahren Wartens und der Geduld war, schreibt im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 454): „Warte geduldig, bis die göttliche Liebe auf den Wassern des sterblichen Gemüts schwebt und den vollkommenen Begriff bildet. Geduld ‚aber soll fest bleiben bis ans Ende‘”
Unser Problem kann die Heilung körperlicher Krankheit, einer anscheinend hartnäckigen Sünde oder des Glaubens sein, daß wir ungerecht behandelt worden seien; oder es kann die Vergegenwärtigung der Wahrheit über Versorgung, ein Heim oder Kameradschaft sein. Was aber unser Problem auch sein mag und gleichviel, wie lange die Schwierigkeit schon zu bestehen behauptet,— wachen, arbeiten, beten und lieben, mit andern Worten, geduldiges Harren auf Gott wird uns schließlich Gesundheit, Reinheit, Gerechtigkeit, Versorgung und Freiheit erkennen und beweisen lassen. Während wir auf die Bekundung der Heilung oder die Offenbarung der göttlichen Führung warten, ehe wir einen wichtigen Schritt unternehmen, können viele sonderbare Besucher wie Furcht, Zweifel, Besorgnis, Ungeduld, Verzagtheit, Enttäuschung an die Tür unseres Bewußtseins klopfen. Doch wir sind für dieses Anklopfen, so aufdringlich und beharrlich es auch sein mag, nicht verantwortlich. Wir sind jedoch dafür verantwortlich, daß wir ihnen den Eintritt verweigern.
Ein Wächter erfüllt seine Pflicht nicht durch bloßes Dastehen, Dasitzen oder Umhergehen, um das Verstreichen der Zeit abzuwarten. Er muß gedanklich umsichtig und auf der Hut sein, daß keine unerwünschten Zudringlinge Eintritt erlangen und daß das ihm Anvertraute keinen Schaden erleidet. Als Wächter sollten wir Mut haben, sollten dauernd den Schutz und die Allmacht Gottes fühlen und daher von der Machtlosigkeit des Bösen überzeugt sein. Werden wir als wahre Wächter diesen Forderungen gerecht, so beeinflussen uns keine Irrtümer, noch lassen wir sie auch nur einen Augenblick in unser Bewußtsein ein, sondern verweigern ihnen sofort den Eintritt. Denn gewährten wir diesen Dieben und Räubern Zutritt, so würden sie uns den Seelenfrieden stehlen und uns vorübergehend des Erschauens des Christus berauben.
Sollten wir finden, daß wir untätig, sorgenvoll und ungeduldig auf Ergebnisse oder die Lösung einer Aufgabe warten, so können wir sicher sein, daß wir nicht auf Gott harren. Das Erlangen des wahren Begriffs vom Harren auf Gott führt zur Lösung jeder Aufgabe. David sang mit zuversichtlichem Gottvertrauen: „Sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn er ist meine Hoffnung”. Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 254): „Wenn wir geduldig auf Gott harren und die Wahrheit in rechtschaffener Weise suchen, dann lenkt Er unsern Pfad”. Wir können wahrlich keine Niederlage befürchten noch daran zweifeln, daß nur Gutes das Ergebnis sein wird; denn wenn wir unerschütterlich auf Gott harren, erschauen wir ruhig und klar den Christus.
Wir mögen tausendmal erfolglos sein; solange wir uns aber unseres Mißerfolgs schämen, solange wir uns nicht hilflos beruhigen, solange wir nicht versuchen, uns durch sorgsames Prunken mit unseren Tugenden zu trösten, sind wir auf des Pilgrims Pfade.—