Jeder Kraftwagenfahrer weiß, wie eine Straße aussieht, wenn die Schatten von Bäumen oder Telegraphenstangen darüber fallen. Die Straße scheint voller Hindernisse, die, wenn sie für wirklich gehalten würden, sie unfahrbar machen würden. Wie verhält sich nun der Kraftwagenfahrer angesichts dieser scheinbar schwierigen Strecke, über die er fahren muß? Er erkennt, daß die Schattenhindernisse seine Weiterfahrt weder stören noch verzögern können, und fährt unbesorgt und ohne zu zögern auf der freien Straße weiter. Er denkt nicht daran, umzukehren und einen andern Weg zu wählen, oder sich zwischen den Schatten hindurchzuwinden, um sie zu umgehen. Er urteilt richtig. Der Augenschein vor ihm scheint unbestreitbar, die Hindernisse scheinen da zu sein. Dennoch ist der Weg eben, und er denkt an die Tatsache, nicht an die Täuschung.
Wie sollten wir uns eintretenden Schwierigkeiten gegenüber verhalten, die uns eine uns bevorstehende harte Erfahrung anzudrohen scheinen? Unsere Führerin Mary Baker Eddy schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 264): „Die Sterblichen müssen über die vergänglichen, endlichen Formen hinausblicken, wenn sie den wahren Sinn der Dinge gewinnen wollen”; und sie fügt hinzu: „Wir müssen handeln wie einer, der alle Macht von Ihm besitzt, in dem wir unser Sein haben”. Der Weg, den wir zu gehen haben, ist vollkommen. Der Meister wies ihn. Die Grundlage ist das göttliche Prinzip, das sich nicht verändert; aber der materielle Sinn möchte uns alle möglichen Trugvorstellungen in den Weg werfen und uns über Schatten stolpern lassen. Dieser gute Weg hat alle Bestandteile und Eigenschaften, die zu wahrer Tätigkeit, Einmütigkeit, Gesundheit, Freudigkeit und Erfolg nötig sind. Die Christliche Wissenschaft lehrt die Wanderer auf dem Lebenswege zwischen dem Wahren und dem Falschen unterscheiden, zwischen dem, was Gott zum Wohl des Menschen vorgesehen hat, und dem, was die Weltlichkeit sich anmaßt, der vollkommenen Schöpfung aufzuerlegen.
Zuweilen mag es den Anschein haben, als ob Schattenbalken quer über den Weg liegen, Schatten des Mangels — des Mangels an Glauben, Erleuchtung, Dankbarkeit, Gehorsam; oder es kann Zweifel, Verwirrung, Eigenwille, Furcht herrschen, die die körperlichen Sinne feierlich für wirklich erklären. Dann sollten wir das geistige Verständnis die den guten Weg anscheinend versperrende Trugvorstellung durchdringen lassen, so daß wir den freien Weg der zugrunde liegenden Wirklichkeit einschlagen können. Die Wahrheit des Seins kann dem Blick des ernsten Suchers nicht verhüllt werden, der aus eigenem Antrieb allem, was nicht von Gott stammt, Dasein und Macht abspricht und weiß, daß überall, wo Unvollkommenheit zu herrschen scheint, die göttliche Idee Gottes ist, die das immer wirkende, allmächtige Gemüt widerspiegelt.
Der gute Weg führt geradeaus, und man kann ihn nur auf eine Art, die göttliche Art, gehen. Wir können die Wahrheit nicht umgehen. Wir müssen ihren Forderungen durch geistiges Denken gerecht werden. Unser Denken und Streben muß sich mit rechter Tätigkeit, himmlischen Eigenschaften und geordnetem Fortschritt befassen, um uns siegreich durch die Anmaßungen und leeren Drohungen materieller Hindernisse, Verzögerungen, Fallgruben und Unzulänglichkeiten aller Art hindurchzuführen. Der Weg wird in dem Verhältnis frei, wie wir Gott erkennen und verstehen lernen, daß wir und andere in Wirklichkeit Seine geistigen Ideen sind.
Im 13. Kapitel des Evangeliums des Lukas lesen wir, daß Jesus ein Weib heilte, „das einen Geist der Krankheit hatte achtzehn Jahre”. Zerstörte er etwas Wirkliches? Nein, er deckte einen falschen Glauben auf und vernichtete ihn und erklärte das Weib für frei. Der große Lehrer nannte den falschen Glauben Satan; denn er sagte, daß Satanas sie gebunden habe. Die Heilung kam infolge einer Änderung in ihrem Denken zustande. Von ihrer Gesundheitsvorstellung wurde ein Schatten entfernt, und es wurde die Tatsache bewiesen, daß die Materie die Gesundheit weder erhält noch gefährdet, da alles Gemüt ist. Man sollte stets daran denken, daß die Weltlichkeit nicht nur machtlos ist, Schaden zu stiften, sondern daß sie auch keinen wirklichen Segen verleiht. Daß sie dies zu tun scheint, ist nur eine der vielen Täuschungen des Irrtums.
Die höhersteigende Sonne des Verständnisses, das Licht der Wahrheit, beseitigt jeden Schatten. Ist der Sieg nicht einfach die Berichtigung falschen Denkens? Lasset uns also im Morgenglanz nicht auf die Irrtümer auf dem Wege hinter uns zurückblicken, sondern lieber Gottes Werk verherrlichen und preisen! Der wahre Freund ladet seinen Reisegefährten ein, sich in Dankbarkeit mit ihm zu freuen, zeigt ihm, was er an geistiger Erkenntnis gewonnen hat, und hilft ihm dadurch auch eine wahrere Anschauung vom wirklichen Sein erlangen. Wenn wir bequem reisen wollen, müssen wir uns immer geistiger Wahrnehmung, des Gehorsams gegen das Prinzip und allumfassender Liebe — Eigenschaften, die den geistigen Sinn beleben und die selbstlosen Beweggründe des täglichen Lebens in Tätigkeit setzen,— immer bewußt bleiben. Der Segen ist nicht auf denjenigen beschränkt, der die Wahrheit beweist, sondern hilft im Verhältnis der ganzen Menschheit. Die Zerstörung der Sinnestäuschungen in einem Falle kündigt im voraus deren schließliche vollständige Zerstörung an.
Und wie steht es mit der noch unsichtbaren, weit entfernten Straße? Wir können uns freuen, daß sie ebenfalls in Gottes Obhut ist. Gottes Schöpfung ist vollständig. Für das allwissende Gemüt kann es nichts Neues geben. Für Gott steht alles Gute schon fest und entfaltet sich immerdar. Der Mensch, der seinen Vater, das Gemüt, widerspiegelt, kennt nur ununterbrochene Sicherheit und ununterbrochenes Gesegnetsein. Wenn wir dies verstehen, können wir beweisen, daß „der Gerechten Pfad glänzt wie das Licht, das immer heller leuchtet bis auf den vollen Tag”.
