Wohlwollen ist eine Bekundung des Willens Gottes, die Widerspiegelung der göttlichen Liebe in der freundlichen Zuneigung, die den Himmel, Harmonie, in die menschlichen Beziehungen auf Erden hineinträgt. In dem Maße, wie sich menschliches Verlangen dem Geist unterordnet, wird also Wohlwollen, ein Zustand der Selbstüberwindung, offenbar. Christi Jesu Gebet: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe” ist von Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 33) folgendermaßen ausgelegt: „Laß nicht das Fleisch, sondern den Geist in mir zum Ausdruck kommen. Dies ist das neue Verständnis von der geistigen Liebe”.
Ehrliches Gebet bedingt innige Gemeinschaft mit Gott, dem Prinzip. Es bedingt, daß man das Gute als allmächtig, allerhaben anerkennt und das Böse als nichts sieht. Es bedeutet, daß man von der Unendlichkeit Gottes, des Geistes, und der Ideen des Geistes überzeugt ist. Vor dieser himmlischen Einheit verschwindet das Böse; denn wenn man das Gute über alles liebt, kann das Böse nicht ins Bewußtsein gelangen.
Bildet das vollkommene Prinzip, die Liebe, stets den Ausgangspunkt, so können alle durch Gottes Gnade beweisen, daß „wir nun Gottes Kinder sind”. Wir brauchen ein weiches Herz, die christusähnliche Liebe, die Vollkommenheit bewirkt. Wir brauchen Mitgefühl und Geduld, wenn wir die Fehler anderer sehen und einen mutigen Geist zur Überwindung unserer eigenen.
Liebreiches Wesen duldet nicht, daß wir über unsern Nächsten zu Gericht sitzen. Es erfüllt uns zu sehr mit dem Verlangen, Liebe zu üben, als daß wir einen andern richten könnten. Je eher wir alle das Gebot Jesu: „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet”, buchstäblich befolgen, desto eher wird „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen” offenbar werden. Vergessen wir nicht, daß wir alle einmal in unserem Leben scheinbar kämpfen müssen, um uns über die allgemeinen irrigen Merkmale der Menschheit zu erheben! Das sterbliche Gemüt möchte uns geneigt machen, eines andern Fehler zu sehen; denn das menschliche Gemüt ist „der Selbsterziehung abgeneigt” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 218). Es möchte uns dazu verleiten, auf die Schwächen anderer hinzuweisen und uns mit unserer augenscheinlichen Überlegenheit zu brüsten. Aber dieser sterbliche Sinn muß und kann abgelegt werden.
Ein weiches Herz lobpreist den Herrn. Es erbaut sich an dem Guten in jeder menschlichen Lage und weiß, daß Gott, das Gute, das Böse vernichtet. Es übersieht das Böse nicht; aber es kann im Überwinden des Bösen geduldig sein, weil wir die Versicherung haben, daß „wir nun Gottes Kinder sind”. Wenn also das Denken auf diese geistige Tatsache gerichtet ist, wie kann dann der Irrtum eine Gelegenheit haben? Wie können wir, wenn unser Angesicht dem Licht zugekehrt ist, Finsternis sehen? Vergessen wir nicht, daß wir, sooft wir den Irrtum in jemand als wirklich sehen, sein Dasein zugeben! Aber wie können wir uns eines Nichts bewußt sein? Wenn auch die Reihenfolge, in der wir üble Eigenschaften überwinden, verschieden sein kann, wird schließlich dennoch jeder beweisen, daß er ein Kind des Vaters ist. Da kein menschliches Wesen vollkommen ist, wollen wir jedes ehrliche Streben liebreich achten. Vergrößern wir nicht Fehler, die noch zu berichtigen sind, brechen wir nicht das beschädigte Rohr, sondern laßt uns dankbar sein für jeden Sieg über das Böse! Weilt das Denken befriedigt bei der Güte Gottes, so kann das scheinbare Prahlen des Bösen keine Bitterkeit hervorrufen.
Je ernster wir arbeiten, um unsere eigenen Fehler auszurotten, desto duldsamer werden wir gegen andere. Berührung mit den Leistungen anderer macht uns hinsichtlich unserer eigenen Bemühungen demütig. Wir sehen, wieviel mehr es zu tun gibt, wie weit wir abweichen, wie langsam wir lernen. Als Christliche Wissenschafter haben wir uns zu einem beständigen Kampf mit uns selber verpflichtet; wir können uns nicht mit einem ziemlich regen Anfang und einem nur halben Siege zufrieden geben. Jahraus, jahrein müssen wir den hohen Forderungen der Christlichen Wissenschaft gemäß vorwärts dringen.
Als Christliche Wissenschafter dürfen wir nicht stillstehen und uns mit dem in der Vergangenheit Geleisteten zufrieden geben. Unser Maßstab ist Vollkommenheit; laßt uns demütig bestrebt sein, demgemäß zu leben! Die Christliche Wissenschaft macht uns mit den Jahren unseren eigenen Fehlern gegenüber weniger duldsam, aber erbarmungsvoller, wenn es sich um die Fehler anderer handelt. Sie läßt uns auf die Verwirklichung der Tatsache hoffen, daß „wir nun Gottes Kinder sind”.
Die Christliche Wissenschaft löst die Fesseln der Erblichkeit. Sie anerkennt kein sterbliches, materielles Vererbungsgesetz, durch das schlimme Veranlagungen sich fortpflanzen können. Sie zwingt uns, mit Christus Jesus die Versicherung anzunehmen: „Ich und der Vater sind eins”— hier und jetzt. Was Gott ist, spiegelt der Mensch, die wahre Idee, wider. Gott ist das Prinzip, die Liebe; der Mensch ist die Idee der Liebe. Keine bösen sterblichen Züge können vor der unendlichen, immer tätigen Widerspiegelung des Geistes, die alle rechtschaffenen Eigenschaften in sich schließt, bestehen. Treten wir also unseren sogenannten ererbten Veranlagungen überzeugt entgegen! Laßt uns nur auf unser geistiges Erbe Anspruch erheben und so beweisen, daß wir Gottes Kinder sind!
Der Geist segnet das geistige Weltall einschließlich aller Söhne und Töchter Gottes. Die Christliche Wissenschaft löst nicht nur die Fesseln der Vererbung, sondern entzieht auch dem Glauben an unangemessene Gelegenheiten den Boden. Laßt uns also angesichts dieses hohen Maßstabes unsere Fehler mutig ablegen und gegen andere, die vielleicht ebenso aufrichtig wie wir danach verlangen, die ihrigen abzulegen, von Herzen liebreich sein! Jeder Christliche Wissenschafter hat die Aufgabe, täglich die Merkmale seines Vater-Mutter-Gottes zu bekunden.
