Nach dem Bericht des Lukas sagte Jesus: „Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammet nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebet, so wird euch vergeben”. Diese Worte enthalten die ausdrückliche Warnung, daß wir genau so verdammt werden, wie wir verdammen. Obgleich sie zu allen Zeiten anwendbar sind, scheinen sie besonders der Menschheit von heute zu gelten.
Das verzweifelte Ringen nach menschlicher Macht, der Widerstand der Welt gegen den Frieden, die Furcht und die Eifersucht der Völker sind einige der Erscheinungsformen der sterblichen Annahme, die durch den menschlichen Willen wirkend die Menschheit unter der Last der Verdammung des sterblichen Gemüts niederdrücken.
Es ist gewiß, daß Gott Seine eigene Idee, den Menschen, nicht verdammt. Das sterbliche Gemüt tut dies auf mannigfaltige Art. Es will uns glauben lassen, daß unser Nächster etwas Unangenehmes an sich habe oder etwas getan habe, was wir nicht billigen. Einer beklagt sich über den andern, ein Volk über das andere, und so kommt sterbliche Verdammung in vollen Gang. So krank oder sündhaft wir auch scheinen mögen, wir leiden an allgemeiner sterblicher Verdammung und nicht an etwas, was Gott getan hat oder tun wird. Menschliche Philosophie, falsche Theologie, sogenannte Naturgesetze und Selbstverdammung sind lauter Erscheinungsformen dieser Gesamtanhänfung falschen sterblichen Glaubens. Diese zu allen Zeiten für wirklich gehaltene mentale Unwahrheit ist nur der Widerstand des fleischlichen Sinnes gegen die Wahrheit. Verwerfung des falschen Sinnes der Verdammung für sich und für andere nimmt dem Glauben an materiellen Widerstand seine Macht. Mrs. Eddy schreibt im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 357): „Wir erhalten Wahrheit nicht dadurch aufrecht, daß wir die Lüge annehmen, sondern dadurch, daß wir sie verwerfen”.
Woran leiden wir alle? Ist nicht jedermann das Opfer eines falschen Sinnes des Daseins, eines falschen Begriffs vom Leben, von der Wahrheit und von der Liebe? Daher sind alle, die Unrecht tun, die Opfer eines falschen Sinnes, die Knechte von etwas, wovon sie einzeln und als Volk sofortiger und liebevoller Befreiung bedürfen.
Was müssen wir tun? Jesus hatte viel über Verdammung zu sagen. Der einzige Zweck seines ganzen Lehrens und Heilens war die Befreiung der Menschen von der Verdammung des sterblichen Gemüts. Während seiner ganzen irdischen Laufbahn war dies das Endziel seiner erhabenen Mission — die Christusidee zu erhöhen und den Glauben an materielle Übertretung auszurotten. „Gott hat”, wie er es selber ausdrückte, „seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde”. Zu der Ehebrecherin sagte Jesus: „Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr”, d.h. er verdammte — vernichtete — die Sünde und befreite das Weib.
Während seiner ganzen irdischen Laufbahn hatte Jesus auf Grund seines Verständnisses der Wahrheit des Seins für jedermann nur Segen. Das Bild und Gleichnis Gottes kennt keine Verdammung. Woher kommt dann diese Neigung, uns und andere zu verdammen? Warum streben wir so erbarmungslos danach, die Last, die das sterbliche Gemüt unseren Mitmenschen und auch uns selber auferlegt, zu vermehren und zu bestätigen? Wir bestätigen gerade das Böse, das wir beklagen, indem wir es nicht nur für uns, sondern auch für andere für wirklich halten. Die Menschheit gibt sich selber der Verdammung preis.
Was müssen wir wiederum tun ? Wir müssen bestrebt sein, mehr reines Wissen und Verständnis, mehr Liebe und Befreiung zu erlangen. In Wissenschaft und Gesundheit lesen wir (S. 225): „Liebe ist der Befreier”. Die Hauptsache, das unbedingt Nötige, ist Gott, das Gute, zu lieben. Ein umfassenderer Sinn von Gott, ein erweiterter geistiger Sinn bringt das wahre Bild und Gleichnis oder die Widerspiegelung Gottes in unserem Leben ans Licht. Wenn wir daher Gott lieben, d.h. wenn die Wahrheit über das Weltall und den Menschen, das wahre Gleichnis Gottes, in unserem Denken gegenwärtig ist, werden wir unsere Mitmenschen lieben, weil wir sie in ihrem wirklichen Selbst kennen werden. Liebe zu Gott und Liebe zum Menschen in Gottes Bild und Gleichnis ist vonnöten, um Menschen und Völker von der sterblichen Verdammung zu entlasten und zu befreien.
Jesus stellte das „größte Gebot” an erste Stelle: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte”, und er fügte hinzu: „Das andere aber ist ihm gleich: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘”. Er sagte dies, weil er wußte, daß „in der göttlichen Wissenschaft Gott und der wirkliche Mensch als göttliches Prinzip und göttliche Idee untrennbar sind”, wie unsere Führerin erklärt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 476).
Befreiung in großem Maße von der Verdammung des sterblichen Gemüts wird die Folge des Verständnisses dieser Worte unserer Führerin sein. Laßt uns immer bestrebt sein, unter allen Umständen zu denken und zu tun, was liebevoll ist! So werden wir nicht nur anderen vergeben, sondern auch selber Vergebung finden.
