In den Angelegenheiten des täglichen Lebens werden wir dem Zeugnis des materiellen Sinnes gegenübergestellt. Leider wird viel von diesem Zeugnis als wahrer Augenschein der Gesundheit, der Harmonie, des Glücks und des allgemeinem Wohlseins angenommen, wo es doch in Wirklichkeit weit davon entfernt ist, wahr zu sein oder die Wahrheit über den Menschen darzulegen. Es ist überaus wichtig, daß wir nur die Tatsachen oder die Wahrheit über uns zugeben, und diese Einräumung sollte ohne Rücksicht auf das materielle Sinnenzeugnis gemacht und aufrechterhalten werden.
Die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft,Mary Baker Eddy, erklärt in ihrem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 471): „Man sollte die Tatsachen der göttlichen Wissenschaft zugeben — wenn auch die Augenscheinlichkeit dieser Tatsachen weder vom Bösen, noch von der Materie oder vom materiellen Sinn gestützt wird — weil die Augenscheinlichkeit, daß Gott und der Mensch zusammenbestehen, völlig vom geistigen Sinn gestützt wird”. Im Lichte dieser Wahrheit wird es klar, daß ungeachtet des Anscheins der Zustände nur das, was vom Geist geschaffen und überwacht, vom geistigen Sinn enthüllt und gestützt wird, Tatsache ist, während das, was nicht so geschaffen, überwacht und gestützt wird, keine Tatsache, sondern eine Unwahrheit, eine Trugvorstellung des materiellen Sinnes ist.
Angenommen, ein Fall werde vor Gericht verhandelt, und ein Zeuge lege falsches Zeugnis ab, bringe unwahre Behauptungen vor, und der Irrtum werde vom Anwalt entdeckt. Dieser wird sich sofort dagegen verwahren, daß diese Behauptungen zu Protokoll genommen werden. Es ist dann das Vorrecht des Richters, die Verwahrung aufrechtzuerhalten und zu bestimmen, daß das Zeugnis nicht wert sei, in die Gerichtsakten aufgenommen zu werden. Ebenso ist es jedermanns unschätzbares Vorrecht, die Wahrheit oder die Unwahrheit der Gedanken, Worte und Handlungen wahrzunehmen, mit denen er im täglichen Leben in Berührung kommt, und an den echten, guten und dauernden festzuhalten und alles, was unwahr, übel und unwürdig ist, zu verwerfen.
In der ganzen menschlichen Geschichte hat niemand die Augenscheinlichkeit der geistigen Tatsachen meisterhafter oder treuer wahrgenommen und aufrechterhalten als Christus Jesus. Inmitten des aggressiven sterblichen Sinnenzeugnisses, das nach Anerkennung und Annahme schreit, wurde er unfehlbar die Wahrheit des Seins gewahr, und dieses geistige Bewußtsein befähigte ihn, nicht nur alles, was unwahr, unwürdig war, sondern auch die Wirklichkeiten des wahren Seins sofort zu bekunden.
Im 5. Kapitel des Evangeliums des Markus lesen wir, daß ein Oberster der Schule namens Jairus zu Jesus kam und ihn bat, sein Töchterchen zu heilen. Obgleich Boten vom Hause des Obersten die Nachricht brachten, daß das Kind gestorben sei, war Jesus nicht beunruhigt und sagte zu Jairus die ermutigenden Worte: „Fürchte dich nicht, glaube nur!” Bei seiner Ankunft im Hause erklärte der Meister, daß das Kind nicht gestorben sei, sondern schlafe, und diese Erklärung wurde verlacht und verhöhnt. Wissend, daß es nur ein Leben gibt, und daß das Leben Gott ist, der ewig, vollkommen und immer gegenwärtig ist, und daß das materielle Sinnenzeugnis, so beharrlich es auch sein mag, eine ewige Tatsache nicht ändern kann, erkannte Jesus schnell den tatsächlichen Augenschein in dem Falle. Er ergriff das Kind bei der Hand und sagte: „Mägdlein, ich sage dir, stehe auf!” Das Ergebnis war vollständige Überwindung des Todes, des Leids, des Zweifels und der Furcht, und das Kind wurde seinen Eltern gesund und frei wiedergegeben.
Wie vielleicht nie zuvor drängen sich heute die stürmischten Kriegsverheerungen der Beachtung der Menschheit auf, und wenn das Zeugnis des materiellen Sinnes als wahr angenommen werden würde, könnte man zu dem Schluß kommen, daß das Christentum, die Zivilisation und menschliche Rechte am Rande der Vernichtung seien. Wenn jedoch das individuelle Bewußtsein von geistigem Verständnis durchdrungen und von Furcht befreit ist und recht folgern darf — was alles die Christliche Wissenschaft möglich macht — kommt die gestützte Augenscheinlichkeit der tatsächlichen Wahrheit zum Vorschein und kann verstanden werden. Christus Jesus, der Wegweiser für alle Menschen, sagte das Kommen von Kriegen, Aufruhr, Kampf und Streit unter Völkern und Königreichen vorher; aber er sagte seinen Zuhörern, daß sie nicht erschrecken sollen. Weil er die ewige Beziehung zwischen Gott und dem Menschen verstand, war er nicht beunruhigt. Auch lehrte und bewies er des Menschen Herrschaft über das Böse. „Alle, die durch die Wissenschaft Gotteserkenntnis erlangen”, erklärt Mrs. Eddy, „werden die Macht haben, Seine Macht widerzuspiegeln, und so beweisen, daß der Mensch ‚über die ganze Erde Herrschaft hat‘” (Miscellaneous Writings, S. 183).
Eines der Kennzeichen des Bösen ist Prahlerei — sein Anspruch, über die Wahrheit erhaben zu sein. Aber das Böse, eine Lüge, kann sich durch dieses Prahlen nur selber zerstören. Alles Gute ist ewig, selbst wenn es durch die Wolken falschen Zeugnisses eine Zeitlang getrübt sein mag. Diese Wahrheit wahrnehmend erklärte der Psalmist: „Ich habe gesehen einen Gottlosen, der war trotzig und breitete sich aus und grünte wie ein Lorbeerbaum. Da man vorüberging, siehe, da war er dahin; ich fragte nach ihm, da ward er nirgends gefunden”.
Ungeachtet des Scheinwesens und der Unerbittlichkeit der Vorspiegelungen des Bösen, ungeachtet dessen, was ein Problem in sich schließt — ob ärztliche Theorien, Personen oder Persönlichkeiten, klimatische Zustände, ungünstige Örtlichkeiten, Vererbungsgesetze oder Altersannahmen — ist der allein tatsächliche Augenschein in dem Falle die Wahrheit des Seins. Was Gott machte, was Gott weiß, bildet die Wirklichkeit. Alles andere ist falsches Zeugnis des materiellen Sinnes und ist völlig unwirklich.
Die Christliche Wissenschaft ermutigt diejenigen, die sich auf sie verlassen, stündlich von ihrem gottgegebenen Recht Gebrauch zu machen, dem Recht, jede Spur irrigen Sinnenzeugnisses und seiner Wirkungen im menschlichen Bewußtsein aufzudecken, zu verwerfen und zu verbannen und die gestützte Augenscheinlichkeit der Allgegenwart des Guten, des göttlichen Gemüts, zu erkennen, anzunehmen und daran festzuhalten, da sie in Mitteln und Wegen, die auf die Bedürfnisse der Menschheit anwendbar sind, offenbar gemacht wird.
Die immergegenwärtige Macht Gottes genügt, die Menschen und die Völker, die sich intelligent auf Ihn verlassen, selbst inmitten von Aufruhr und Krieg zu stützen, zu schützen und zu führen. Gottes unerschöpflicher Vorrat an Gutem befriedigt alle rechtmäßigen Bedürfnisse der Menschen. Das wohltätige Gesetz der Liebe, das vom göttlichen Gemüt immer durchgesetzt wird, kann die Menschheit von jeder Art Gesetzlosigkeit befreien. Das eine unendliche Leben, das ewig, selbstexistierend ist und auf immer vom Menschen ausgedrückt wird, ist das wirksame Mittel, den Tod, Leid und Sünde zu überwinden. Der Himmel kann von jedermann erreicht werden, und dieser wünschenswerte Harmoniezustand wird erfahren werden, wenn das Zeugnis des materiellen Sinnes zum Schweigen gebracht und verworfen und die Augenscheinlichkeit des geistigen Sinnes als die wirkliche Tatsache in jedem Falle angenommen wird.
Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit (S. 353): „Das christlich-wissenschaftlich Wirkliche ist das sinnlich Unwirkliche. Sünde, Krankheit und alles, was dem materiellen Sinn wirklich scheint, ist in der göttlichen Wissenschaft unwirklich. Die physischen Sinne und die Wissenschaft waren von jeher einander entgegengesetzt und werden es auch fernerhin sein, bis das Zeugnis der physischen Sinne der Christlichen Wissenschaft ganz und gar weicht”. Und im nächsten Satze beantwortet sie eine Frage, die sie an sich selber richtet, wie folgt: „Wie kann ein Christ, der die stärkere Augenscheinlichkeit der Wahrheit hat, die dem Augenschein des Irrtums widerspricht, diesen in Gestalt von Krankheit oder Sünde für wirklich oder für wahr halten? Alle müssen zugeben, daß Christus ‚der Weg und die Wahrheit und das Leben‘ ist, und daß die allmächtige Wahrheit den Irrtum gewiß zerstört”.