Es gibt gewisse Charaktereigenschaften, ohne die dauernder Erfolg unerreichbar ist. Hiezu gehören die beiden Eigenschaften Geduld und Beharrlichkeit. Edison soll zum Beispiel über 50 000 Versuche angestellt haben, ehe er die elektrische Glühbirne zur Vollendung brachte. Er schrieb seinen Erfolg im Ausarbeiten so vieler wertvoller Erfindungen neunundneunzig Teilen schwerer Arbeit und einem Teil außergewöhnlicher Anlage zu.
Christus Jesus lebte uns diese unerläßlichen Eigenschaften anschaulich vor. Mary Baker Eddy schreibt über ihn: „Jesus beharrte geduldig im Lehren und Beweisen der Wahrheit des Seins” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 136, 137). Er „beharrte geduldig”! Er wich nie von seinem Weg ab. Widerstand, Widerspruch, Verdammung, Haß konnten ihn nicht ablenken. Nicht menschlicher Wille, sondern Gottes Wille trieb ihn an und stärkte ihn. Seine Geduld und Beharrlichkeit waren das Ergebnis seines großen Glaubens an Gott und seiner aus geistigem Verständnis geborenen Überzeugung, daß jeder, der Tag für Tag, jahraus, jahrein in weise geleitetem Streben geduldig beharrt, das Gemüt Christi, jenes geistige Bewußtsein des Daseins, erlangen kann, das das Denken mit Gott vereinigt und den Menschen im Reich der Liebe umgibt.
Er ließ sich durch die Feindseligkeit des verschanzten Priestertums und die Trägheit und Gleichgültigkeit seiner Zuhörer nicht an der Erfüllung seines Lebenszwecks hindern. Geduldig und beharrlich, aber sehr allein, ging er unaufhaltsam vorwärts und tat seine Arbeit, verkündigte er die Gegenwart Gottes und Seines Reiches, während er selber in das immer klarere Verständnis hineinwuchs, daß er der Sohn des Vaters war, der unser aller Vater ist.
Zu dem Kommen Christi Jesu trugen durch ihr geduldiges und beharrliches Bestreben jene an den einen Gott, glaubenden Getreuen bei — Abraham, Isaak, Jakob, Mose, David und die Propheten — die das menschliche Denken viele Jahrhunderte lang von den heidnischen Göttern abwendeten und auf den einen Gott hinlenkten, der die Wahrheit ist. Wie unerschütterlich sie doch an dem festhielten, was sie von der Wirklichkeit wahrnahmen, obwohl noch keine Bibel zusammengestellt war und sie wenig Handschriften zu ihrer religiösen Belehrung hatten! Ihr geduldiges, beharrliches Festhalten an ihrem Erfassen der Art Gottes verhinderte ein Erlöschen der Fackel der Wahrheit, die, wie sie durch inneres Erschauen erkannten, allumfassend erstrahlen würde, wenn zur gegebenen Zeit Christus Jesus, der Bote der Wahrheit, kommen würde.
Man denke auch an die große Geduld und Beharrlichkeit, die die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft ausdrückte. Ihre von Gott gesandte Offenbarung der göttlichen Wirklichkeit ist jetzt allen leicht zugänglich. Ihre Lehren werden jetzt allgemein geachtet. Aber es brauchte fast ein Menschenleben lang, dies zu vollbringen. Ohne unermüdliche Geduld und unablässige Ausdauer jahraus, jahrein, Tag für Tag, Stunde um Stunde, hätte es nicht getan werden können. Wie bei dem Meister ließ ihr unerschütterlicher Glaube an Gott und an Seine Absichten sie auf ihrem Wege beharren ungeachtet alles dessen, was materielle Gesinnung tun konnte, sie zu überwältigen.
Wie steht es mit uns? Beanspruchen und benützen wir täglich diese Eigenschaften? „Geduld”, schreibt Mrs. Eddy, „wird durch den unermüdlichen Wurm versinnbildlich, der, beharrlich in seiner Absicht, über hohe Gipfel dahinkriecht” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 515). Scheint es, daß ein bergehohes Hindernis zu übersteigen sei — eine hartnäckige Krankheit, eine anhaftende Begierde, ein immer wiederkehrender Groll, eine gefahrvolle und schwierige Aufgabe im Staatsdienst? Dann muß man sicher sein, daß man in dem geduldigen und beharrlichen Streben vorwärts geht, sich verständnisvoll und immer klarer zu vergegenwärtigen, daß Gott, das Gute, in der Tat unendlich, das All in allem ist; daß es in Ihm und den Seinen keine Krankheit, keinen erniedrigenden Einfluß, keine erniedrigende Begierde, kein Übelwollen, keinen den Menschen gefährdenden Umstand, kein ihn gefährdendes Handeln gibt.
Die von Gott verliehenen Eigenschaften Geduld und Beharrlichkeit zeugen von den stillen, mächtigen Kräften der Liebe in uns, indem sie Gottes wohltätige Herrschaft über uns bestätigen und uns zu Ihm ziehen in jener unentrinnbaren Einheit des Seins, die unsere Erlösung, unsere Sicherheit und unsern Frieden in sich schließt.
Der Meister gebietet: „Fasset eure Seelen mit Geduld”. Durch gewohnheitsmäßiges Geduldüben — geduldiges tägliches Bemühen, in der Gnade zu wachsen; Geduld gegen alle, mit denen wir zu tun haben; Geduld, wenn wir zurechtgewiesen werden; geduldiges Warten, daß das göttliche Gemüt uns den von ihm gewiesenen Weg zeige — finden wir den Frieden, das Gleichgewicht und die Herrschaft, die unserer geistigen Art innewohnen. Ungeduld bedeutet zugleich Eigenwillen. Sie läßt erkennen, daß wir auf die Antriebe des Irrtums mehr eingehen, als wir dem Willen Gottes gehorchen.
In einem Aufsatz in der Zeitschrift The Country Gentleman ist ausgeführt, daß ein Hühnchen keine leichte Aufgabe hat, sich von der Eierschale zu befreien. Mit einem von der Natur für diesen Zweck vorgesehenen winzigen Zahn beginnt es an dem es umgebenden Hindernis zu picken, und zwar allmählich immer stärker. Es muß mindestens zehntausendmal oder noch öfter picken, bis die Schale bricht und es seine Freiheit erlangt. Das Hühnchen muß beharrlich das ihm gegebene Mittel benützen, um sich den Weg zu einem Leben in Freiheit zu öffnen. Es bleibt ihm keine andere Wahl.
Auf einer landwirtschaftlichen Hochschule wurden, wie mir gesagt wurde, Versuche angestellt, um zu ermitteln, ob es möglich wäre, den Hühnchen zu helfen sich ohne so viel Anstrengung frei zu machen. Es zeigte sich, daß man ihnen nicht erfolgreich helfen kann. Das Hühnchen braucht sein beharrliches Picken, um zu erstarken, damit es, wenn die Schale durchbrochen ist, auf seinen Füßen stehen kann. Ebenso erstarken wir, wenn wir durch unsere eigenen geduldigen und beharrlichen Anstrengungen die falschen Annahmen überwinden, die uns gefangen zu halten suchen, so daß wir fähig werden, unsern Platz im Weltall unseres Gottes auszufüllen.
Laßt uns willig sein, von Tag zu Tag, jahraus, jahrein von den vorhandenen Mitteln — den geoffenbarten geistigen Wahrheiten der Bibel und des Lehrbuchs Wissenschaft und Gesundheit — geduldig und beharrlich Gebrauch zu machen, um uns von der Schale fesselnder materieller Annahmen zu befreien! Mrs. Eddy schreibt: „Die Sterblichen müssen sich aus der Vorstellung erheben, daß das materielle Leben das All in allem sei. Sie müssen ihre Schalen mit der Christlichen Wissenschaft aufpicken und umher und aufwärts schauen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 552). Geduld und Beharrlichkeit bezeichnen den Weg.