Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

„Gib uns Gnade für heute”

Aus der August 1945-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Als Christus Jesus vor Jahrhunderten im jüdischen Lande umherzog und dem Volk, das ihm nachfolgte, predigte und es heilte, wandte er sich oft von der Menge ab und suchte die Einsamkeit auf, um mit Gott allein zu sein und sich geistig zu erfrischen. Bei einer denkwürdigen Gelegenheit lud er seine Jünger ein, mit ihm auf einen einsamen Berg zu kommen. Dort erklärte er ihnen eingehend und furchtlos die geistigen Wahrheiten des Seins, damit auch sie mit der Gnade und Kraft erfüllt würden, das wachsende Werk allgemeiner Erlösung fortzuführen. Bei dieser Gelegenheit lehrte er sie beten, und in jenem heilenden Gebet, das man heute in der ganzen Welt hören kann, sagte er: „Unser täglich Brot gib uns heute”. Unsere Führerin Mary Baker Eddy hat diese Zeile in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 17) geistig ausgelegt: „Gib uns Gnade für heute; speise die darbende Liebe”.

Wir mögen fragen: Was ist Gnade? Jemand hat einen Schimmer davon erfaßt, als er sagte, es sei ein Geben, ohne etwas dafür zu erwarten. Der geistige Sinn der Gnade läßt sich nicht durch ein Wort bestimmen. Sie ist umfassend und drückt in solchem Maße wahre Substanz aus, daß sie bloße Worte überwiegt und das Denken veranlaßt, sich von der Erde zum Himmel aufzuschwingen. Sie ist so unbegrenzt wie der Sonnenschein, wie Licht oder Freude.

Gnade ist nicht eine einzelne Eigenschaft, sondern der Strahlenglanz, dessen Licht aus unserem Herzen kommt, wenn wir gottgleiche Eigenschaften ausdrücken. Sie ist wie der Duft in einem Garten, wenn alle Blumen blühen. Sie ist kein äußerer Schliff, kein äußerer Anstrich, sondern eine innere Wärme, ein inneres Licht; sie ist ein Sprößling der Gotteserkenntnis und ein demütiges, inbrünstiges Verlangen, Gott zu dienen. Sie ist eine unsichtbare Macht, ein Wunder der Lieblichkeit, das Engel verwalten, und das einem alles durchdringenden Verlaß auf Gott entspringt. Gnade schließt das Verständnis des Lebens, der Wahrheit und der Liebe in sich, und nur in dem Maße, wie Gnade unser Herz weicher macht, können wir die Bedeutung jener allumfassenden Ausdrücke Leben, Wahrheit und Liebe immer mehr erfassen.

So wichtig ist Gnade, daß unsere Führerin geschrieben hat (Wissenschaft und Gesundheit, S. 4): „Am meisten bedürfen wir des Gebets inbrünstigen Verlangens nach Wachstum in der Gnade, das in Geduld, Sanftmut, Liebe und guten Werken zum Ausdruck kommt”. Wir sehen also, daß die Hauptsache bei diesem Wachstum Verlangen ist, ein tiefes, inniges und dauerndes Verlangen, nach Gott zu forschen, damit wir Ihm dienen können. Wie einfach es klingt, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß der erste Schritt in der rechten Richtung ein Hungern und Dürsten ist, den Willen Gottes zu kennen und zu tun! Zu oft wünschen wir mit Worten und versagen im Handeln; aber Wachstum in der Gnade verlangt Betätigung. Gnade hat nichts Stillstehendes oder Schläfriges an sich; sie ist lebendig und tätig.

Wir können nur in dem Maße in der Gnade wachsen, wie wir dem menschlichen Sinn des Selbst, der die Person erhöht und das Prinzip verneint, entwachsen. „Geduld, Sanftmut, Liebe und gute Werke” bedingen ein selbstloses Streben, ein unerschütterliches Annehmen der Grundtatsache, daß der Mensch mit Gott eins ist. Das Bewußtsein muß von jenem Sinn der Allmacht, der Allgegenwart und der Allwissenheit Gottes erfüllt sein, der durch Christus die Untrennbarkeit des geistigen Menschen von Gott enthüllt. Paulus teilte Timotheus mit, wie wir dieses Wachstum in der Gnade erreichen können, als er schrieb: „Befleißige dich, Gott dich zu erzeigen als einen rechtschaffenen Arbeiter”.

Nur Gottes Gutheißung suchen, heißt in allen gottähnlichen Eigenschaften, die das wahre Menschentum ausdrücken, wachsen. Es heißt lieben, wenn ein anderer haßt; sich freuen, wenn ein anderer gesegnet ist; Böses mit Gutem überwinden; gerecht richten; sowohl das Gute als auch das Böse unpersönlich machen. Kurz, es heißt hier und jetzt den Christus finden und sich ihn zum Vorbild nehmen, was die Wahrheiten, zu denen wir uns bekennen, tatsächlich leben heißt. Paulus hebt in allen seinen Briefen den Punkt hervor, daß Rechtschaffenheit beteuern nichts nützt, wenn unser Leben und unsere Lebensweise nicht damit übereinstimmt.

Die Macht der Gnade tut sehr not. Sie zeigt uns, wie wir Heilung empfangen können; denn Heilung und Gnade sind Gaben, die Gott uns gibt, Wohltaten, die uns von einem liebenden Vater zukommen. Wenn wir der Heilung bedürfen, bringt Gnade Mut; sie stärkt den gerechten Widerstand, bringt das materielle Sinnenzeugnis zum Schweigen und beschleunigt die Stunde des Sieges.

Dies wurde mir klar veranschaulicht, als vor einigen Jahren eine liebe Angehörige krank war. Nach dem materiellen Sinnenzeugnis schien es, daß sie das Leiden nicht lange werde aushalten können. Viele Tage und Nächte lang zwangen die Schmerzen sie Stunde für Stunde, ernstlicher bei Gott Hilfe und Heilung zu suchen. An Stelle von Furcht fand sie Mut und ein Gefühl der Immergegenwart Gottes; an Stelle von Ungeduld lernte sie den Wert der Geduld und des Stilleseins; an Stelle von Entmutigung öffnete sie die Tür ihres Bewußtseins weit der Dankbarkeit. Schließlich kam eine Nacht, wo sie nicht mit Schmerzen, sondern mit so überströmender Dankbarkeit erwachte, daß sie aus Schmerzen, Müdigkeit und Krankheit herausgehoben wurde und neue Lebenskraft und Stärke fand und geheilt wurde. Dann verstand sie, was unsere Führerin uns in „Christian Science versus Pantheism” (S. 10) sagt: „Dies alles vollbringt die Gnade Gottes — es ist die Wirkung Gottes, wenn Er verstanden wird”.

Diese Macht der Gnade befähigt unsere Leute im Heeresdienst, das verworrene menschliche Kämpfen zu durchschauen und den Trost und die Zuversicht zu finden, daß der Tag nicht zu fern ist, wo Kriege aufhören werden, wo das Recht nur durch das Gesetz Gottes erlangt und bewahrt werden wird. Der Tag dauernden Friedens wird in dem Verhältnis näher rücken, wie jeder einzelne die Samen des Bösen in seinem Bewußtsein zerstört und mit größerer Bestimmtheit Gottes Willen nicht nur zu kennen, sondern auch zu tun sucht.

In der Gnade wachsen heißt geistig Fortschritt machen. Ein solcher Fortschritt ist unerläßlich. Er bedingt das beständige Streben, das Freiheit bringt, neue Ausblicke geistiger Vollkommenheit eröffnet und von der Materie weg zur Erkenntnis der Allheit des Geistes führt. Wo ein solcher fortgesetzter und hingebender Fortschritt fehlt, zeigen sich die verräterischen Spuren in der menschlichen Erfahrung und werden immer tiefer.

Früher war es unsicher, im Kraftwagen auf Landstraßen mit tiefen Radspuren zu fahren, und es war nichts Ungewöhnliches, daß ein Wagen umschlug. Genau so verhält es sich, wenn man im Denken in gewohnten Geleisen bleibt: es kommt zuweilen zu einem Umsturz, und dann wundert man sich, bis man erkennt, daß immer tiefer in die Geleise Persönlichkeit, Gleichgültigkeit, Trägheit, Selbstsucht, Stolz, Undankbarkeit, Selbstüberhebung und dergleichen einsinken, sich von Gott entfernen und aufhören heißt, Fortschritt zu machen. Dann wird der Weg zu einem langsamen Umweg. Aber Gnade ebnet jene Geleise, wenn das Verlangen, Gottes Willen zu kennen und zu tun, wieder erwacht und man freudig den Kampf mit dem Selbst aufnimmt.

Auf dem Wege des Fortschritts ausgedrückte innere Kraft befähigt uns, uns schnell wieder aufzurichten, wenn Widerwärtigkeit uns hinabzuziehen und dort festzuhalten suchte; sie hilft uns „den Schirm des Höchsten” finden, wo die Liebe wohnt; sie bahnt den Weg, die nötige Weisheit zu empfangen, um Irrtum wahrzunehmen und zu vernichten. Innere Kraft vollbringt dies alles und noch mehr, wenn das Gebet inbrünstigen Verlangens in die Tat umgesetzt wird. Dann wird die darbende Liebe in reichem Maße gespeist.

Auf keine andere Art als durch Wachstum in der Gnade und in innerer Kraft können wir den Berg der Wissenschaft ersteigen und jenen geistigen Begriff von Gott und dem Weltall erlangen, den Johannes auf der Insel Patmos als „einen neuen Himmel und eine neue Erde” sah. Wir brauchen diese Vergegenwärtigung der Harmonie nicht aufzuschieben; sie besteht für uns heute in dem Verhältnis, wie wir uns ihrer dadurch würdig erweisen, daß wir unsern Blick über die Materie und ihre verhüllenden Trugvorstellungen zu der Herrlichkeit Gottes erheben. Gottes Gnadengabe steht allen Menschen frei. Der Apostel Paulus schreibt: „Aus Gnade seid ihr selig geworden durch den Glauben — und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es”.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / August 1945

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.