Im Vorwort zu „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” erklärt Mary Baker Eddy nachdrücklich (S. x): „Die Verfasserin hat mit dem Gewissen keinen Kompromiß geschlossen, um sich der allgemeinen Gedankenrichtung anzupassen, sondern hat unumwunden und ehrlich das Wort der Wahrheit dargeboten. Sie hat sich nicht bemüht, ein so unendliches Thema auszuschmücken, vollendet durchzuarbeiten oder bis ins einzelne zu behandeln.”
Was die Aufmerksamkeit eines Christlichen Wissenschafters — der das Lehrbuch schon oft durchgelesen hatte — fesselte, war der Umstand, daß Mrs. Eddy nicht versuchte, diesen unendlichen Gegenstand, die Wahrheit, „auszuschmücken, vollendet durchzuarbeiten oder bis ins einzelne zu behandeln.”
Es erhebt sich die Frage: „Warum nicht?” Die Antwort ist höchst aufklärend. Vor allen Dingen aus Gründen der Einfachheit. Die göttliche Wahrheit ist in der Tat der unendliche Gegenstand des Seins. Sie erklärt die Wirklichkeit nicht nur, sondern ist die Wirklichkeit. Diesen unermeßlichen Gegenstand dem geistig unaufgeklärten menschlichen Sinn in weitgehender Ausführlichkeit oder in endlosen Einzelheiten darbieten, hieße blenden und verwirren. Aber durch die der Bibel ähnliche Klarheit des Wortlauts und der Behandlung kann jedes ehrliche Denken, dem das Buch gewidmet ist, Wissenschaft und Gesundheit verstehen.
Dann ist auch Kürze zu erwägen. Wie erinnerlich sagte der Jünger Johannes über das wunderbare Wirken und die Werke Jesu: „So sie aber sollten eins nach dem andern geschrieben werden, achte ich, die Welt würde die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären.” Aber der geliebte Jünger machte nicht den Versuch, sondern schloß sein Evangelium mit diesen Worten ab.
„Daß wir tüchtig sind, ist von Gott”, sagte Paulus, und diese kurzgefaßte, überzeugende Erklärung gilt auch für die Offenbarung der göttlichen Wahrheit in der Christlichen Wissenschaft. Sowohl Ausüber als auch Hilfesucher haben schon oft bewiesen, daß in der Bibel und in Mrs. Eddys Schriften die Lösung für jedes menschliche Problem und die vollständige Lösung des Problems des Seins, das alle ausarbeiten müssen, zu finden ist.
Wir sollten trotz des Umstandes, daß die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft nicht einmal versuchte, den großen Gegenstand, die göttliche Wahrheit — die Offenbarung des wahren, geistigen, harmonischen Seins — ausführlich oder im einzelnen zu behandeln, doch nicht vergessen, daß unsere Lehrbücher das geoffenbarte geistige Gesetz vollständig enthalten. Wenn wir den Forderungen, täglich zu forschen, zu beten und das göttliche Gesetz auf alle unsere Alltagsangelegenheiten anzuwenden, gehorsam nachkommen, werden wir finden, daß in unserem Leben immer mehr Harmonie zum Ausdruck kommt. Unsere Führerin versichert uns auf Seite 265 des Lehrbuchs: „Diese wissenschaftliche Auffassung des Seins, welche die Materie für Geist aufgibt, deutet keineswegs darauf hin, daß der Mensch in der Gottheit aufgeht und seine Identität einbüßt, sondern diese Auffassung verleiht dem Menschen eine erweiterte Individualität, eine umfangreichere Sphäre des Denkens und der Tätigkeit, eine umfassendere Liebe, einen höheren und dauernderen Frieden.”
Ist dies nicht vielleicht der Grund, warum Mrs. Eddy den unendlichen Gegenstand, die Wahrheit, nicht „ausschmückte, vollendet durcharbeitete oder bis ins einzelne behandelte”? Kommt den Menschen die volle Bedeutung der Wahrheit nicht am besten durch Beweis zum Bewußtsein? Und ist dieses Beweisen, das sich unter unzähligen Umständen und in jeder denkbaren Lage auf alle Gebiete des Lebens erstreckt, nicht die nötige Ausschmückung, das vollendete und ins einzelne gehende Durcharbeiten der Offenbarung der Wahrheit? Gewiß, und das Beweisen wird von jedem Christlichen Wissenschafter gefordert.
Die Wahrheit verlangt, daß wir das, was wir verstehen, auf unsere Bedürfnisse anwenden. Je mehr wir erfassen und anwenden, desto höher gehen wir. Je höher unser Verständnis ist, desto mehr Harmonie, Friede und Erfolg wird uns zuteil. Niemand sollte sich vom Irrtum zu dem Glauben verleiten lassen, daß unsere Erfahrungen umso schwieriger und betrübender sein werden, je höher unser Verständnis der Wahrheit ist. Die Tatsache ist, daß wir, je weiter unser Blick ist, je höhere Begriffe wir haben, je wissenschaftlicher wir die geistige Wahrheit in menschlichen Angelegenheiten anwenden, desto glücklicher, desto gesünder und tüchtiger sind.
Wir können viele Lehren daraus ziehen, wie Mrs. Eddy Wissenschaft und Gesundheit geschrieben hat. Ihre Lehren rügen nachdrücklich und wirksam des Irrtums Art, die Sterblichen durch einen aufreibenden, ziel- und zwecklosen Sinn eines Lebens in der Materie zu versklaven, und doch enthalten sie nichts, was der Irrtum widerlegen oder umstoßen könnte. Gerade durch ihre Einfachheit, Unmittelbarkeit und Richtigkeit stehen sie sicher über jeder materialistischen Herausforderung. Die durch unsere Lehrbücher, die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit, enthüllte Wahrheit ist beweisbar wahr. Daher können wir darauf vertrauen, daß unser Verständnis der Wahrheit über den Irrtum siegen wird. Durch die Größe, die Erhabenheit und Hoheit ihrer Botschaft steht sie ruhig und gelassen, unerschüttert und unangefochten fest.
Wenn dies die Art der geoffenbarten Wahrheit ist, sollte dann nicht auch das durch ihre Lehren aufgeklärte Denken so beschaffen sein? Es sollte und wird so beschaffen sein, wenn wir nur nach der Wahrheit trachten und Tag für Tag daran arbeiten, sie verstehen zu lernen. Dadurch werden wir von Irrtümern wie Gesprächigkeit, Oberflächlichkeit, Sinnlosigkeit, Trägheit, Stumpfsinn und der Umständlichkeit beschränkten menschlichen Überlegens geheilt.
Das für die Wahrheit empfängliche Denken wird aufgeklärt, freudig, unschuldig, innerlich frei. Es schließt Böses aus dem Bewußtsein aus und erhebt sich so darüber. Geistig erleuchtetes Denken besteht nie töricht auf dem Herkömmlichen, schweift nicht verstandesmäßig ab, ist nicht dünkelhaft. Göttlich erleuchtetes Denken erkennt, was menschlich not tut, ist gelassen, achtet auf das Gute — trachtet immer danach, die Allheit der göttlichen Liebe auszudrücken.
Die Menschen sind oft so leicht zufriedengestellt — ein freundlicher Gruß, ein kleiner Witz oder eine hilfreiche Bemerkung über eine menschliche Begebenheit macht sie glücklich. Wieviel mehr wir geben könnten, wenn wir auf ihre Bedürfnisse achteten, oder wenn sie willig wären, anzunehmen, was wir ihnen anbieten! Wir müssen so wenig wie unsere Führerin versuchen, den unendlichen Gegenstand, die Wahrheit, mit Worten „auszuschmücken, vollendet durchzuarbeiten oder bis ins einzelne zu behandeln.” Wir müssen lernen, die Wahrheit zuerst im eigenen Bewußtsein widerzuspiegeln. Wenn die Blütezeit kommt, wird sich die Knospe bilden und zur Blüte entwickeln. Der Christliche Wissenschafter muß vor allen Dingen immer an seinem eigenen Denken arbeiten.
Eine kurze Erklärung von Mary Baker Eddy bestätigt diesen Gedanken (Wissenschaft und Gesundheit, S. 367): „Zu diesem Geschlecht ist die unendliche Wahrheit des Christus-Heilens durch ein ‚stilles sanftes Sausen‘ gekommen, durch stumme Äußerungen und durch göttliche Salbung, welche die wohltätigen Wirkungen des Christentums beleben und mehren. Ich sehne mich danach, die Erfüllung meiner Hoffnung, nämlich höhere Errungenschaften des Schülers in dieser Richtung des Lichts, zu sehen.”