Zu gewissen Zeiten des Jahres kommt von dem Pult der Leser in vielen christlich-wissenschaftlichen Kirchen eine erfreuliche und wichtige Bekanntmachung. Es ist die Ankündigung, daß nun Bewerbungen um Mitgliedschaft angenommen werden können, und daß alle, die Der Mutterkirche oder einer ihrer Zweige beizutreten wünschen, den betreffenden Beamten diese Wünsche kund tun sollten. Obwohl die Christlichen Wissenschafter nicht im gebräuchlichen Sinne des Wortes um Anhänger werben, so sind sie doch stets gerne bereit, mit denen, die sich für die Christliche Wissenschaft interessieren, die Vorteile der Kirchenmitgliedschaft und die sich daraus ergebenden Segnungen zu besprechen.
In der Regel denkt jemand, der aus einem fremden Lande kommt und in einem neuen Lande Heimat und Beschäftigung gefunden hat, daß diese neue Heimat jetzt sein Land ist und die Regierung dieses Landes seine Regierung, daß er dieses Land unterstützen muß und schließlich ein Bürger desselben werden. Und so ist es auch, wenn jemand von dem fernen Lande eines unbefriedigenden Religionsbegriffes kommt, von der Unwissenheit über Gott mit den sie begleitenden Leiden, Schmerzen und Problemen, und in den Lehren der Christlichen Wissenschaft Erlösung von Krankheit und unschönen Gedankengewohnheiten findet; wenn er fühlt, daß er endlich die Heimat gefunden hat, die geistige Heimstätte, nach der er sich sein ganzes Leben lang gesehnt hat — ist es da nicht natürlich, daß er den Wunsch hat, dieser großen heilenden Bewegung anzugehören, die als die Kirche Christi, Wissenschafter, bekannt ist?
Dies ist zweifellos der ausgesprochene oder unausgesprochene Wunsch im Herzen gar mancher aufrichtiger Anfänger in der Wissenschaft; doch was ist dann der Gedanke, der sie abhält, sich um Mitgliedschaft zu bewerben? Warum zögern sie, ihre Gesuche einzusenden? Manchmal wird dieser Schritt vorwärts nicht unternommen, weil der Versucher — das sterbliche Gemüt — flüstert: „Du bist nicht gut genug!” Laßt uns hier den Zweck der christlich-wissenschaftlichen Kirche, ja eigentlich jeder christlichen Kirche, betrachten. Ist ihr Zweck und Ziel nicht, die Sünder zu erretten und das Menschengeschlecht zu heben?
In dem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” finden wir diese Definition des Begriffs Kirche von der Feder unsrer erleuchteten Führerin Mary Baker Eddy (S. 583): „Der Bau der Wahrheit und Liebe; alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht.” Dann folgt eine klare Auslegung der Bedeutung dieses geistig entfalteten Botschafters: „Die Kirche ist diejenige Einrichtung, die den Beweis ihrer Nützlichkeit erbringt, und die das Menschengeschlecht hebt, das schlafende Verständnis aus materiellen Annahmen zum Erfassen geistiger Ideen und zur Demonstration der göttlichen Wissenschaft erweckt und dadurch Teufel oder Irrtum austreibt und die Kranken heilt.”
Finden wir hierin nicht eine überzeugende Antwort auf die Suggestion, daß jemand nicht „gut genug” ist, um der christlich-wissenschaftlichen Bewegung beizutreten? Wenn jemandes Denken noch nicht die Höhe der geistigen Wahrheit erreicht hat, ist das nicht Beweis genug, daß er der Kirche benötigt? Wenn das „schlafende Verständnis” aufgeweckt werden muß und Krankheit und Sünde der Heilung bedürfen, ist da nicht gerade diese richtige, heilende Idee der Kirche eine Notwendigkeit?
Dann mag eine noch heimtückischere Einflüsterung des Irrtums kommen. Wenn jemand, der der Kirche beitreten möchte, hört, daß man in einer christlich-wissenschaftlichen Kirche nicht aufgenommen wird, wenn man raucht oder trinkt, mag er versucht sein zu sagen: „Ich will meine Gewohnheiten des Rauchens und Trinkens nicht aufgeben.” Dies ist eine Suggestion, die genau geprüft werden sollte. In erster Linie tut man wohl daran, solch einen Gedanken anzurufen, so daß er sich ausweisen muß. Woher kam er? Sagt Gott, die Wahrheit, so etwas zu Seinen Kindern? Ganz gewiß nicht. Die fleischlichen Gelüste bringen die Menschen unter die Sklaverei der materiellen Sinne, statt ihnen wahre Freude zu gewähren; während das menschliche Bewußtsein, das der Widerspiegelung der Seele, dem Gegenteil materiellen Empfindens und der Quelle aller Seligkeit, Platz macht, wirklichen Herzensfrieden und wahre Befriedigung erlebt.
Daher ist die Suggestion, daß der Mensch nach den Sinnenfreuden des Alkohol- und Nikotingenusses verlangt und darin Befriedigung findet, eine Machenschaft des Teufels oder des einen Bösen, den Jesus als einen Lügner und Vater der Lügen bezeichnete. Willst du es gestatten, daß die Einflüsterungen eines Lügners, eines Betrügers, dich der Freude über die Reinheit, Freiheit und Harmonie berauben, die Gott dem Menschen beschert hat? Könnte man ein Gefühl der Selbstachtung bewahren, wenn man in einer christlich-wissenschaftlichen Sonntagsschule lehrte, während man den häßlichen Geruch von Tabak oder geistigen Getränken an sich trägt. Welche Befriedigung könnte es einem Ordner bringen, einen Menschen, der vielleicht Heilung von derartigen Gelüsten sucht, an seinen Platz in einer christlich-wissenschaftlichen Kirche zu führen, wenn er selbst sich noch nicht frei gemacht hat von dieser Gebundenheit?
Zwei Männer, die über zwanzig Jahre lang der Gewohnheit des Rauchens gefrönt hatten, wandten sich an einen christlich-wissenschaftlichen Ausüber und baten um Behandlung, denn sie wünschten, der Kirche beizutreten und wollten in einer Woche vor dem entsprechenden Ausschuß als freie Menschen erscheinen, ja als „rechtschaffene und unsträfliche Arbeiter”, um die Worte des Paulus zu gebrauchen (2. Tim. 2:15). Es braucht wohl nicht hinzugefügt zu werden, daß Menschen mit so lauteren und selbstlosen Beweggründen schnell geheilt werden konnten. Nach zwei Tagen war die Annahme der falschen Gelüste völlig aus ihrem Bewußtsein verschwunden und kehrte nie wieder. Diejenigen, die von diesem Heilungsbeweis wußten, empfanden große Freude, wenn sie diese zwei Männer an ihren Posten als Ordner stehen sahen, um mit freundlichem Lächeln Freunde und Fremde in dieser heilenden Kirche willkommen zu heißen.
Manchmal hört man einen Anhänger sagen, daß er zwar gerne der Kirche beitreten möchte, jedoch gehört hat, daß die Prüfung, der man unterworfen wird, sehr streng sein soll, und daß er fürchtet, nicht die Fragen beantworten oder den Anforderungen genügen zu können, die eine Aufnahme bedingen. Sollten diejenigen, die sich um das heilige Vorrecht der Kirchenmitgliedschaft bewerben, nicht stets die Gewißheit fühlen, daß sie sich unter Freunden befinden, wenn sie vor einem Prüfungsausschuß erscheinen? Die Absicht eines solchen Ausschusses ist nicht nur, festzustellen, ob der Bewerber eine anwendbare Kenntnis der grundlegenden Lehren der Wissenschaft hat, sondern auch, ihm zu helfen, ein besserer Wissenschafter und ein weiser Mitarbeiter in der Kirche zu werden.
Die Ausschüsse, die damit betraut sind, die neuen Mitglieder zu prüfen, haben eine freudige und heilige Mission. In der Tat ist es ihre Aufgabe, um Jesajas poetischen Ausdruck zu gebrauchen (Jef. 40:11), die Herde zu weiden, „wie ein Hirte” und „die Lämmer in seine [Gottes] Arme zu sammeln und in seinem Busen zu tragen”— die Lämmer, diejenigen, deren Erfassen der geistigen Wahrheit noch der Festigung und Stärkung bedarf. Neue Mitglieder einer christlich-wissenschaftlichen Kirche werden niemals solch sanftes Leiten treuer Hirten vergessen, und wenn die Zeit kommt, wird ihnen dies helfen, andre zu segnen in der Art, wie sie gesegnet worden sind. Könnten nicht vielleicht diese Strophen eines beliebten Kirchenliedes ein hilfreiches Gebet bedeuten für alle, die mit denen, die sich um Kirchenmitgliedschaft bewerben, reden und sie prüfen sollen:
Hilf uns zu helfen, Vater, Gott,
Einander beizustehn,
Laß jeden in des Bruders Not
Die eigne Sorge sehn.
Hilf uns, einander aufzubauen,
Den kleinen Schatz vermehr’.
Stärk’ uns im Hoffen und Vertrauen
Und in der Liebe, Herr.
Die Prüfungsausschüsse in den Zweigkirchen können daher mit Recht ihr Werk als eine wertvolle Gelegenheit betrachten, wahrhaft hilfreich zu sein. Bertha von Suttner, eine Oesterreicherin, die den Frieden über alles liebte und den Nobel-Preis erhielt, hat allen denen, die mitarbeiten in den Wirksamkeiten der Kirche, ein sehr passendes Motto hinterlassen: „Nach dem Zeitwort ‚lieben‘ ist wohl das Zeitwort ‚helfen‘ das schönste in der Welt!”
