In der Symbolik des menschlichen Denkens hat der Stern einen Hauptplatz eingenommen als ein Herold der Geburt derer, die in der menschlichen Geschichte eine große Rolle spielen sollten. Besonders eindrucksvoll und nachhaltig in den Gedanken und Herzen der Menschen war die Erinnerung an den Stern Bethlehems, von dem die Weisen aus dem Morgenlande zu der Geburtsstätte Jesu geführt wurden. Wir hören, daß zu der Zeit überall im Morgenlande auf das „Kommen eines großen Königs der Juden” gewartet wurde. Diese Erwartung wurde wahrscheinlich von den Juden selbst gefördert, die unter den Völkern verstreut lebten und von ihrer Hoffnung auf den verheißenen Erlöser redeten. Diese „Weisen”, die das Sternenzelt studierten, neigten vielleicht weniger zur Vielgötterei als andere Völker; viele von ihnen verehrten das Licht als das klarste Sinnbild Gottes, und dadurch war es ihnen möglich, den Stern wahrzunehmen und ihm zu folgen.
Im Buch der Offenbarung lesen wir: „Ich, Jesus, habe gesandt meinen Engel, solches euch zu bezeugen an die Gemeinden. Ich bin die Wurzel des Geschlechts David, der helle Morgenstern.” Jesus stellte also die Erfüllung aller Hoffnungen Israels dar, den verheißenen Messias, durch den sie von allem Übel erlöst werden sollten, doch er war der „Allerverachtetste und Unwerteste” den Menschen gemäß. „Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.” Die Augen der Menge waren verblendet, so daß sie nur den Menschen Jesus sehen konnten, der ihre materiellen Sinne beunruhigte, und den sie kreuzigten. Sie konnten den Stern des geistigen Seins nicht sehen, den Christus oder Messias, den Jesus darstellte, und der ihn befähigte, aufzuerstehn aus dem Grabe ihrer Kreuzigung.
Auf Seite 320 ihres Buches „Miscellaneous Writings” schreibt Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft: „Der Stern Bethlehems ist der Stern Bostons, hoch im Zenit des Reiches der Wahrheit, das herabschaut auf die lange Nacht der menschlichen Annahmen, um die Dunkelheit zu durchdringen und sich in Morgengrauen aufzulösen.” Der „Stern Bostons” ist nicht ein Stern menschlicher Vorstellungen, der eine persönliche Geburt verkündet, sondern der Morgenstern der Christlichen Wissenschaft, der die Wahrheit des Seins offenbart, die Wirklichkeit von Gott und dem Menschen, vereinigt in der geistigen Harmonie, die ununterbrochen geblieben ist, seit „die Morgensterne miteinander lobten und jauchzten alle Kinder Gottes”.
Der Weg des leitenden Sternes ist also der Weg zur Freude und Freiheit, der Weg des himmlischen Seins, der Macht und Herrschaft. Auf Seite 95 unsres Lehrbuches „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” fragt Mrs. Eddy: „Findet der Weise von heute Glauben, wenn er das Licht, das die ewige Morgenröte des Christus ankündigt, erblickt und dessen Glanz beschreibt?”
Heutzutage werden die Augen gar mancher noch gehalten, und sie wenden sich ab von diesem Licht; denn sie halten es für etwas Übernatürliches oder Vergängliches, das sogenannten praktischen oder konkreten Lagen nicht standhalten kann. Das ist natürlich das gerade Gegenteil der Wirklichkeit. Sogenannte konkrete Lagen materieller Umstände verschwinden vor dem Licht der göttlichen Intelligenz und Wahrheit. Materielle Annahmen sind vergänglich; geistige Tatsachen sind konkret, unwandelbar und machtvoll. Diese Macht wohnt Gott oder dem göttlichen Gemüt inne. Sie ist stets wirksam. Sie ist außerordentlich praktisch, natürlich und schließt keine Geheimnisse in sich. Sie ist die Macht der Intelligenz über die Unwissenheit, der Wahrheit über den Irrtum, und sie steht uns immer zur Verfügung, um irgendwelche Annahmen des sterblichen Gemüts zu überwinden, ob diese nun die konkrete Form trivialer Disharmonien oder herzzerreißender Tragödien angenommen haben.
Ein sehr einfaches Beispiel kann dazu dienen, die Verfügbarkeit des geistigen Gesetzes zu beweisen, des Gesetzes der göttlichen Liebe, das die Qual des Herzens lindert und heilt. Ein treuer Anhänger der Christlichen Wissenschaft, der eingezogen worden war und sich in einem Ausbildungslager befand, empfand es peinlich, daß die strenge Ausbildung und geräuschvolle Unterhaltungen keine Gelegenheit für stilles Denken und Studium übrigließen. Die Lage schien ihm unerträglich zu werden. Eines Abends, als er gerade sehr der Stille bedurfte, nahm er Zuflucht zu einem leeren Raum, tief dankbar, endlich eine Gelegenheit gefunden zu haben, allein zu sein. Kurz darauf kam ein Feldwebel herein mit seiner Mundharmonika, auf der er laut und eingehend alle die letzten Schlager des Lagers zu üben begann. Unser Freund war wütend und voller Groll. Doch fing er bald an, sein Denken zu berichtigen und sich klarzumachen, daß nichts die Gegenwart der Liebe unterbrechen oder ihren Segen für ihn sowohl wie für seinen Feldwebel beeinträchtigen konnte.
Gleich darauf hörte das unmelodische Spielen auf, und der Soldat hörte stattdessen Mrs. Eddy’s schönes Lied „Hirte mein, zeige mir, wie ich soll gehn” sanft und klar der Harmonika enttönen. Auf seinen Wunsch spielte der Feldwebel alle Lieder unsrer Führerin, eins nach dem andern. Das Ergebnis dieser Stunde war eine Freundschaft zwischen diesen beiden Menschen und die Rückkehr des Feldwebels zu alle dem, was er in der Sonntagsschule gelernt doch später gänzlich aufgegeben hatte. Er sagte, er wüßte eigentlich nicht, was es war, das ihn auf einmal dazu antrieb, das Lied zu spielen. Dies ist gewiß eine einfache Veranschaulichung und doch ein klarer Beweis von einem stets gegenwärtigen Gesetz, dessen Allmacht uns von allem Übel erlösen kann. Es gibt keine Macht, die dieses Gesetz außer Kraft setzen, aufheben oder schwächen kann.
Keine Nacht ist dunkel oder lang genug, um den Morgenstern der Wahrheit auszulöschen oder sein Licht auf immer zu verbergen. Er scheint fort und fort mit unendlicher Leuchtkraft und sagt mit seinem Schein den Strahlenglanz des geistigen Verständnisses voraus. Ein jeder kann den Stern wahrnehmen und ihm folgen auf seinem eigenen Pfad zum Licht des Seins und sehen, wie die Träume der Sinne sich auflösen vor diesem Glanz der Intelligenz und der Macht.
