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Die Zunge im Zaum halten

Aus der Dezember 1946-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein Jüngling gestand einst seinem Vater, daß er einen unschuldigen Menschen verleumdet hatte.

„Zur Strafe tu folgendes”, sagte der Vater: „nimm ein Säckchen Hühnerflaumfedern; geh durch das ganze Dorf und wirf in den Garten bei jedem Haus ein Federchen. Wenn du es getan hast, komm zu mir zurück.”

Der Jüngling hielt dies für eine leichte Bestrafung; er nahm ein Säckchen Flaumfedern und warf ein Federchen in jeden Garten. Dann ging er zu seinem Vater zurück und sagte: „Ich habe meine Strafe abgebüßt!”

„Nein”, erwiderte der Vater. „Nimm das Säckchen, geh wieder durch das Dorf und lies jede Feder auf, die du hast fallen lassen. Dann erst hast du deine Strafe abgebüßt.”

„Das ist unmöglich”, erklärte der Jüngling. „Ich kann nicht mehr alle auffinden. Der Wind hat inzwischen viele weit weggeweht.”

„Ja”, sagte der Vater, „und ebenso verhält es sich mit übler Nachrede; sie ist leicht gesagt, aber du kannst niemals, niemals, so sehr du es auch versuchen magst, die Worte wieder auflesen, die du so gedankenlos hast fallen lassen.”

Diese Geschichte schildert anschaulich die mit übler Nachrede und Verleumdung verknüpften Übel und die Reue, die es zur Folge hat, wenn man zu spät erkennt, daß man gegen die Goldene Regel verstoßen hat.

Obgleich wir gut wissen, daß Klatsch und Verleumdung Übel sind, tritt an uns alle die Versuchung heran, ihnen zu frönen, uns über Mißstände zu beklagen oder auf Unvollkommenheiten in andern hinzuweisen. Jakobus deutet dies an, wenn er erklärt: „Wer aber auch in keinem Wort fehlt, der ist ein vollkommener Mann und kann auch den ganzen Leib im Zaum halten.”

Heute ist die Christliche Wissenschaft entdeckt, und sie zeigt uns, daß Gott das All ist, und daß der Mensch Sein Bild, Sein Ebenbild ist, woraus unumgänglich folgt, daß Böses unwirklich ist. Ein wirksames Heilmittel gegen gewohnheitsmäßiges Klatschen muß auf diesem Verständnis beruhen. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 92) schreibt Mary Baker Eddy: „Bis die Tatsache in bezug auf den Irrtum—nämlich seine Nichtsheit—erscheint, wird der moralischen Forderung nicht genügt werden, und es wird die Fähigkeit fehlen, aus Irrtum nichts zu machen.”

Wenn wir erkennen, daß der Irrtum bloß eine Trugvorstellung ist, sehen wir, warum wir nicht unnötig über Irrtum irgendwelcher Art reden oder darauf hinweisen sollten, wenn wir den Lehren der Christlichen Wissenschaft treu sein wollen. Wenn wir wirklich wissen, daß er nichts weiter als Trugvorstellung, eine Täuschung, ist, werden wir seine Vorspiegelungen durchschauen und der Versuchung, daran zu glauben, widerstehen. Dann kann uns keine Erscheinungsform des Irrtums ärgern oder unglücklich machen, wir werden uns auch nicht dazu erniedrigen oder uns darüber grämen. Niemand sollte jedoch wähnen, daß eine solche Herrschaft durch etwas Geringeres als beharrliches, freudiges Bemühen und eine immer wiederholte Anstrengung erlangt werden kann.

Das Aufgeben müßigen Redens muß von Herzen kommen. Damit alles, was wir sagen, anmutig und liebenswürdig sei, müssen wir Liebe und Güte im Herzen haben. Äußerer Anschein und Schmeichelei sind nicht stark genug, den Angriffen der listigen Einflüsterungen des Bösen zu widerstehen; denn diese Einflüsterungen scheinen schlau, tückisch, unersättlich Zugeständnisse zu fordern. Laßt uns indessen nicht vergessen, daß das Böse selber kein Gemüt und keine Zunge hat; es kann weder reden noch handeln; es kann gar nichts tun; es erscheint nur als Einflüsterung. Man denke daran, wie vollständig die Wahrheit das Unvermögen des Bösen bloßstellte, als Jesus „vom Geist in die Wüste geführt” wurde, „auf daß er von dem Teufel versucht würde.”

Wir sind verpflichtet, angreifende Gedankenbeeinflussungen, wie Jesus es tat, sofort zurückzuweisen, ehe kleine Dinge zu großen Dingen werden. Jemand hat den hilfreichen Ausspruch getan: „Man kann nicht verhindern, daß uns die Vögel über den Kopf fliegen; aber man kann verhindern, daß sie in unserem Haar ein Nest bauen.” Wir müssen alles herbe, abfällig urteilende Denken aufgeben. Das Meiden der menschlichen Neigung, andern Beweggründe zuzuschreiben, auf die man selber nicht stolz wäre, läßt einen würdig auf Erden wandeln. Die allem unfreundlichen, abfällig urteilenden Denken zugrunde liegende Unduldsamkeit, Herrschsucht und Verfolgung müssen weichen, wenn wir die Lehre Christi in unserem Leben rechtfertigen wollen; denn falsche Vorbilder im Denken spiegeln sich in leerem, verderblichem Reden wider. Das Material, das wir der Mühle des Denkens zuführen, bestimmt die Beschaffenheit unserer Ausdrucksweise und unserer Unterhaltung.

Barmherziges, duldsames, freundliches Denken und Beurteilen gern üben, pflegen, festhalten, ja, darauf bestehen, entwickelt und führt zu jener Anmut und Schönheit des Ausdrucks, wonach sich alle sehnen. Dieser Punkt ist treffend veranschaulicht in der nachdenklichen Bemerkung eines berühmten, die Natur liebenden Pelzhändlers aus der Hudsonbaigegend zu seinem gewinnsüchtigen Gefährten, als sie auf einem Berg standen und an den Reichtum dachten, der zweifellos in den Urwäldern der weiten, noch unberührten Gebiete Kanadas verborgen lag: „Ehe du ihn mit den Händen nehmen kannst, mußt du ihn mit dem Herzen nehmen.”

Da das Innerste unabwendbar das Äußerste wird, müssen wir, wenn wir unsern Worten „die Schönheit der Heiligkeit” und die Weihe der Nächstenliebe und des Wohlwollens geben wollen, offenbar finden, daß ihre Quelle die göttliche Liebe ist; denn wenn wir diese Eigenschaften durch Widerspiegelung bewußt haben, können wir so wenig umhin, sie auszudrücken, wie ein Stern sein Funkeln oder eine Blume ihren Duft vorenthalten kann.

Das Böse drängt uns beharrlich, daß wir uns zu Klatsch erniedrigen sollen. Geben wir seinen Einflüsterungen nach, so werden wir unserem eigenen wahren Sein untreu; ein solches Nachgeben schmiedet unwillkürlich ein Glied in der Kette schädlicher Gewohnheiten. Wenn übles Nachreden durch nachlässiges Denken zur festen Gewohnheit geworden ist, müssen wir entschiedene Schritte tun, um der Gewohnheit ein Ende zu machen. Eine der Verfasserin bekannte Frau hatte zum Beispiel dadurch auffallenden Erfolg im Überwinden dieser schädlichen Neigung, daß sie sich oft Rechenschaft über ihr Denken gab. In Gesellschaft widerstand sie durch ein furchtloses Vorgehen der Versuchung, sich an wertlosem oder verderblichem Reden zu beteiligen. Sie fand, daß niemand Anstoß daran nahm, daß sie das Höchste und Beste sagte, dessen sie fähig war, daß es sich vielmehr stets als ein Segen erwies, und es veredelte natürlich ihr Leben.

„Böse Geschwätze verderben gute Sitten”, sagt Paulus. Wirklich einnehmend sind die Menschen, die uns etwas Lohnenswertes geben und uns durch ihr Vorbild anspornen. Wenn wir im Leben anderer Freude wecken und zu Freude Anlaß geben, finden wir, daß sie auf uns zurückstrahlt. Wir reden, wie wir denken; aber wir üben nur in dem Maße Anziehungskraft aus, wie wir lieben. Üben wir uns also darin, sofort etwas so Freundliches und Taktvolles zu sagen, daß üble Nachrede verstummt und der Goldenen Regel zum Recht verholfen wird! Man vergesse nicht, daß das Wichtigste beim Erlangen dieser Herrschaft das Wissen ist, daß das, was das Böse vorbringt, unwahr ist. Laßt uns den Entschluß fassen, uns hinfort von den Einflüsterungen des Bösen in der Überzeugung ihrer Nichtsheit augenblicklich abzuwenden und die nachteiligen Einflüsterungen ungeachtet des Anscheins durch das zu ersetzen, was, wie wir wissen, die Tatsache ist! Dann können sie uns nicht quälen, und wir haben kein Verlangen, darüber zu reden. Wir können unser Wachstum in christlichem Charakter auf keine sicherere Art bemessen als durch unsere Herrschaft über das Drängen des Versuchers, dem Bösen Stimme zu leihen.

„Wer leben will und gute Tage sehen, der schweige seine Zunge, daß sie nichts Böses rede, und seine Lippen, daß sie nicht trügen.”

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