Viele befinden sich heute in Lagen, wo sie sich nach allgemeiner Annahme einsam fühlen können. Eine Begriffsbestimmung für „einsam” lautet: „Ohne Kameraden; ... abgesondert. Nicht von Menschen besucht.” Und doch sind nicht alle, die sich einsam fühlen, abgesondert oder ohne Kameraden. Selbst im Kreise vieler Bekannter kann man sich zuweilen einsam vorkommen.
Von diesem Standpunkt aus hatte niemand mehr Grund, sich einsam zu fühlen, als unser Wegweiser Christus Jesus. Ihm, dem körperlich Gesunden, folgten die Kranken und Krüppel nach; er, der sittlich Reine, ging unter die Sünder; er, der von Liebe gegen alle Erfüllte, wurde wiederholt von Feinden belästigt. Er sagte sogar die Stunde voraus, wo seine Jünger ihn verlassen würden. Lassen seine Worte jedoch Einsamkeit erkennen? Er sagte: „Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, daß ihr zerstreut werdet, ein jeglicher in das Seine, und mich allein lasset. Aber ich bin nicht allein; denn der Vater ist bei mir.” Bei einer früheren Gelegenheit hatte er seine unzertrennliche Beziehung zu Gott in die Worte gefaßt: „Ich und der Vater sind eins.”
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Gott, der Geist, das Ein und Alles ist. Weil in Wirklichkeit nichts als Gott und Seine geistige Idee, der Mensch, besteht, ist der Mensch immer allein mit Gott — nie einsam, sondern allein mit dem Leben, der Wahrheit und der Liebe, d.h. in ihrer allumfassenden Einheit; er ist vollständig getrennt von jeder Lügenannahme, daß das Leben materiell sein könne.
Durch Forschen und Beweisen erlebt der Christliche Wissenschafter diese Einheit der Liebe und ihrer Idee in zunehmendem Maße, lernt er die Verbundenheit mit Gott, den nie versagenden Halt und die unanfechtbare Beschützung besser kennen, die er durch Widerspiegelung hat. Unsere Führerin, Mary Baker Eddy, erwähnt diese befriedigende Zuflucht des Denkens in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1901, wo sie schreibt (S. 20): „Der Christliche Wissenschafter ist allein mit seinem eigenen Sein und mit der Wirklichkeit aller Dinge.”
Diese Wirklichkeit ist die Tatsache, daß der Mensch das geistige Bild des göttlichen Gemüts ist; daher schließt der Mensch jede rechte Idee in sich. Rechte Kameradschaft wird dem Menschen also nicht zuteil und er verliert sie auch nicht; denn er schließt sie in sich.
Aber warum scheint Kameradschaft so oft zu fehlen? Ist sie recht gesucht worden? „Das Reich Gottes ist inwendig in euch”, sagte der Meister. Hier ist Kameradschaft in ihrer ganzen Vollständigkeit: „das Reich Gottes”, nicht nur ein Teil davon. Im Bewußtsein jedes Kindes Gottes sind alle Eigenschaften Gottes — Liebe, Schutz, Weisheit, Freude usw. zu finden, und zwar nicht nur in Bruchstücken, die zu ihrer Vervollständigung der Gegenwart anderer bedürfen. Sind nicht alle Eigenschaften des vollen Sonnenlichts in einem einzigen Lichtstrahl zu finden? Und sind diese Eigenschaften nicht einzig und allein von der Quelle, nicht aber von anderen Strahlen, abhängig? Beglückende Verbindungen unter Gottes Kindern erhöhen gegenseitig die Freuden des Lebens. Aber nur dadurch, daß man seine Beziehung zu Gott entdeckt und die Entfaltung „des Reiches Gottes” in sich erlebt, kann man die Freuden des Lebens bis zum äußersten gemeinsam genießen.
Die gottgleiche Art jedes einzelnen muß, genau wie jeder gute Freund, gepflegt, verstanden und gewürdigt werden. Diese unpersönliche Christusgleichheit sollte einen auch nicht weniger beschäftigen und einem nicht weniger befriedigend erscheinen, wenn man sie in sich selber anstatt in einem andern findet. Freudiges Nachdenken bietet endlose Möglichkeiten, die so unbegrenzt sind wie Gott.
Alles fortschrittliche Denken muß ausgedrückt werden. In dieser Hinsicht sind Mitgliedschaft und Mitarbeit in einer christlich-wissenschaftlichen Kirche für jeden aufrichtigen Christlichen Wissenschafter eine Hilfe. Hier findet er Gelegenheiten zu einem Wachstum, das auf andere Art nicht möglich ist. Und nicht allein das, sondern auch die Bedürfnisse der gegenwärtigen Zeit erfordern einen solchen Anschluß. Das organisierte Böse kann nur überwunden werden durch das Widerspiegeln des Guten, dessen Hauptvertreter die Kirche sein sollte. Sehr wichtig in dieser Hinsicht ist das tägliche Ergründen der Lektionspredigt.
Einsamkeit ist eine Lüge des körperlichen Sinnes. Dieser falsche Sinn kann Gott nicht sehen, daher nimmt er an, daß der Mensch vom Guten getrennt sei. Er sucht die Unbesonnenen sogar zu betören, den Irrtum zu vergrößern. Aber keine Lage ist so verwerflich, daß sie einem nicht zu einem Segen werden könnte. Das Auffinden solcher Lichtseiten ermutigt die Sterblichen, ihre Wertschätzung noch zu erhöhen und sich für die geistigen, harmonischen Tatsachen zu entscheiden. Mrs. Eddy schreibt: „Man sollte die Tatsachen der göttlichen Wissenschaft zugeben — wenn auch der Augenschein dieser Tatsachen weder vom Bösen, von der Materie, noch vom materiellen Sinn gestützt wird — weil der Augenschein, daß Gott und der Mensch zusammenbestehen, völlig vom geistigen Sinn getragen wird” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 471). Es ist oft nützlich, sich zu fragen: Habe ich den geistigen und wahren Sinn der Dinge beharrlich genug bejaht, um von der Wahrheit überzeugt zu sein, so daß der wahre Sinn sich behaupten kann?
Geistige Überzeugung führt zu einer inneren Freude, die sich nicht verbergen läßt. Man kann im stillen beten, aber man muß an seiner Belohnung offen teilnehmen lassen. Unverwüstliche Gesundheit, freudige Haltung, freundliche Gefühle, von Gott eingegebene Weisheit und selbstloser Erfolg gefallen denen, mit denen man verkehrt, und segnen sie. Dies ist natürlich; denn es gibt in allen Ständen Rechtdenkende, die ihr Einssein mit dem Göttlichen unwillkürlich fühlen, viele in auffallendem Grade. Wo es ausgedrückt wird, gereicht es allen zum Wohl.
Diese Tatsache wurde einem Christlichen Wissenschafter eindrucksvoll zum Bewußtsein gebracht. Obwohl er fern war von der Heimat und von allem, was ihm lieb war, wahrte er sich einen freudigen Ausblick auf das Leben. Aber eines Tages ließ das Handeln verschiedener Leute Unwillen, Selbstbedauern und das sehnliche Verlangen nach der Heimat und nach Freunden in ihm aufsteigen. Einige Minuten später traf er einen Bekannten und fragte ihn, warum er so verzagt aussehe. „Nun”, erwiderte dieser, „ich habe Sie jeden Tag beobachtet, wie froh Sie waren, und Halt dadurch gefunden; aber nun haben auch Sie anscheinend Sorgen.”
Beobachten Leute in unserer Umgebung unsere freudigen Mienen, unsere hoffnungsvollen Worte, unsere freundliche Ermutigung, um Halt zu finden? Dann haben wir, ob in der Heimat oder in der Ferne, ob im bürgerlichen Beruf oder im Militärdienst, einen wichtigen Platz im Leben. Wir werden uns auch nicht einsam fühlen. „Glück”, schreibt Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 57), „ist geistig, aus Wahrheit und Liebe geboren. Es ist selbstlos; daher kann es nicht allein bestehen, sondern verlangt, daß die ganze Menschheit es teile.”
