Ein englischer König drückte einmal die Meinung aus, daß der Hauptunterschied zwischen einem Rechtsanwalt und einem Laien darin bestände, daß der Rechtsanwalt wüßte, wohin er sich wenden müßte, um auszufinden, was das Gesetz ist, und der Laie nicht. Er hatte dabei natürlich von Menschen gemachte Gesetze im Sinn. Wir alle, als Einzelwesen, müssen früher oder später die grundlegenden Gesetze des Lebens zu verstehen und anzuwenden lernen. Solch eine Kenntnis ist natürlich und wesentlich für die Harmonie unsers Daseins, das niemals ohne Gesetz sein kann.
Das Gesetz ist nicht in den Büchern — nicht in Tinte und Papier. Das Gesetz ist etwas Lebendiges. Das Gesetz muß dem Gemüt und dem Leben innewohnen, und dort können wir alle es finden.
Menschliche Gesetze demokratischer Nationen sind mentale Kräfte, der Gemeinwille der Mehrzahl des Volkes, der sich durch die Volksvertreter ausdrückt und bestimmt, wie Einzelwesen und Gruppen handeln sollen. In undemokratischen Nationen sind die Gesetze der Wille einer Minderheit, eines einzelnen oder einiger weniger — eine machtvolle mentale Verordnung, die für die vielen erlassen wird.
Jeder, der an Gott glaubt, glaubt auch, daß es etwas gibt, das Gottes Gesetz genannt wird. Sein Gesetz wird oft in der Bibel erwähnt. Der Psalmist dachte, daß es etwas wäre, was wir lieben und worüber wir nachdenken sollten, denn er schrieb: „Wie habe ich dein Gesetz so lieb! Täglich rede ich davon.” Als Christus Jesus sagte, daß er gekommen sei, das Gesetz zu erfüllen, deutete er an, daß der Mensch dafür lebt, das Gesetz Gottes zu demonstrieren.
Der Mensch kann das Gesetz niemals als etwas ansehen, das außerhalb von ihm selber liegt. Der Mensch trägt das Gesetz in sich, in seiner wahren Natur als Widerspieglung oder Idee Gottes. Das Gesetz kann nicht vom Menschen getrennt werden, und der Mensch kann nicht vom Gesetz getrennt werden. Sie leben und wirken zusammen.
In ihrem Werk „Nein und Ja” (S. 11) macht Mary Baker Eddy diese wichtige Erklärung betreffs des Menschen und des Gesetzes: „Der Mensch hat eine fortdauernde Individualität; und Gottes Gesetze und deren intelligente und harmonische Wirksamkeit bilden seine Individualität in der Wissenschaft der Seele.” Hier wird die Tatsache klar, daß Gottes Gesetze intelligent und harmonisch wirksam sind. Also bilden diese so offenbarten Gesetze die Individualität des Menschen. Wenn wir uns gefragt haben, woraus wohl unsre Individualität besteht, so ist hier unsre Antwort. Aus den Gesetzen Gottes. Dies betont die Tatsache, daß wir verstehen lernen müssen, was eigentlich Gesetz ist, wenn wir wissen wollen, was unsre Individualität ist.
Doch was sind diese Gesetze Gottes, die unsre Individualität — die eure sowohl wie die meine — bilden? Gottes Gesetze sind die moralischen, geistigen und universalen Kräfte des Prinzips oder Gemüts. Sie wirken in dem Denken oder Bewußtsein der Offenbarwerdung des Gemüts, des Menschen — in eurem Bewußtsein, in meinem Bewußtsein, in allein Bewußtsein. Sie sind die wesentlichen Kräfte des Lebens, der Wahrheit und der Liebe, die den Menschen bilden, erhalten und regieren. Diese Kräfte stimmen überein mit dem Leben und werden ewig individuell ausgedrückt in der unendlich mannigfachen Lebenstätigkeit des Menschen als der Idee Gottes.
„Christliche Wissenschafter, seid euch selbst ein Gesetz, daß euch die mentale Malpraxis nicht schaden kann, weder im Schlaf noch im Wachen,” rät uns Mrs. Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 442); und auf Seite 458 desselben Buches schreibt sie: „Der christlich-wissenschaftliche Mensch spiegelt das göttliche Gesetz wider und wird auf diese Weise sich selbst ein Gesetz.”
Diese Erklärungen offenbaren, daß jeder Einzelmensch die von Gott verliehene Fähigkeit besitzt, die angebliche Wirksamkeit einer bösen Gedankenkraft, die Malpraxis genannt wird, und die unter einer Maske von Gesetzmäßigkeit großtut, völlig zunichte zu machen. Er bewirkt dies durch das Verstehen, daß er sich selbst ein absolutes Gesetz des Schutzes ist, wenn er sich klarmacht, daß er geistig ist und nicht materiell, daß er natürlich und fortdauernd der individualisierte, sich selbst behauptende Ausdruck der lebendigen Kräfte des Gemüts und Lebens — der Gesetze Gottes — ist, die er widerspiegelt und verkörpert. Gesetzlose böse Mächte können sich ihm nicht nahen noch ihn berühren. Der Mensch ist von dem Mantel des Gesetzes umgeben.
Da wir mit dem Gemüt, dem Geist, Gott, zusammen bestehen, da unser Leben und unser Selbst aus der Substanz des Gemüts, des Geistes, Gottes, besteht, können nur die Mächte Gottes, des Guten, in uns und im Weltall wirksam sein. In dem Maße, wie diese geistige Tatsache verstanden wird, werden die Fabelmächte des Bösen, die sich Haß, Furcht, Eifersucht, Sünde, Eigensinn nennen, und ihre Wirkung, das Leiden, überwunden. Sie werden dadurch aus dem Bewußtsein vertrieben, daß wir aufhören, an sie zu glauben und sie zu fürchten, da wir wissen, daß sie keine Beziehung haben zu Gott, unserm einzigen Urheber und Gesetzgeber, und daher keine Beziehung zum Menschen, Seinem Sohn oder Seiner Idee.
In dem erleuchtenden Aufsatz über „Geist und Gesetz” in „Miscellaneous Writings” (S. 257) führt Mrs. Eddy die Übereinstimmung zwischen Gemüt, Intelligenz und Gesetz aus, wenn sie sagt: „Das Gesetz Gottes ist das Gesetz des Geistes, eine moralische und geistige Kraft des unsterblichen und göttlichen Gemüts.” Des Menschen untrennbares Einssein mit Gott vereinigt ihn gleichzeitig mit den moralischen und geistigen Kräften des allwirkenden göttlichen Gemüts. Diese sind individuell und kollektiv im Menschen wirksam, um ihn jeden Augenblick und in allen Einzelheiten seines Wesens und Seins, seinem Sehen, Hören, Sprechen, Handeln, seinen Beziehungen und seinen Beschäftigungen, auszustatten und zu regieren. Immerwährend, Tag und Nacht, und überall sind Gott und Seine unwiderstehlichen Kräfte des Guten, Seine Gesetze, wirksam in wahren Gedanken und Ideen, die jede gesetzlose, unwahre böse Gedankenmacht neutralisieren und zerstören.
Als Jesus die Blinden, Tauben und Lahmen heilte, als er Lazarus und den Sohn der Witwe auferweckte, als er Mengen von Menschen speiste, als er den Sturm stillte — bewies er, daß der Mensch, der Gottes Gesetz widerspiegelt, allen den zerstörenden Kräften der Materie, die materielles Gesetz genannt werden, entgegentreten und sie überwinden und zunichte machen kann. Dies können auch wir in dem Maße tun, wie wir die geistige Tatsache verstehen, daß der Mensch niemals andere Kräfte als die des Lebens, der Intelligenz, des Prinzips und der Liebe kennen und fühlen und auf sie reagieren kann.
Das Gesetz Gottes zu erfüllen, durch unser Beispiel zu beweisen, daß diese aufbauenden Kräfte des Lebens, der Liebe und des Guten allein wirksam in uns sind, Tag und Nacht, wo immer wir auch, menschlich gesprochen, sein mögen, das ist zu aller Zeit unsre Aufgabe. Diese Kräfte des Lebens und des Gesetzes bewirken Gesundheit in Geist und Körper, Harmonie im Heim, im Geschäftsleben und unter den Völkern, Schutz vor gesetzlosen, zerstörenden mentalen oder physischen Kräften, unter welcher Form diese auch immer erscheinen mögen.
Welch unvergleichliche Entdeckung ist es, unsre Einheit mit den allmächtigen Kräften Gottes und unsre dementsprechend Unabhängigkeit und Sicherheit vor den vermeintlichen Mächten des Bösen zu erkennen und zu fühlen. Niemals können diese erdichteten Kräfte der Materie und der materiellen Annahme, die angeblich auf oder durch materiell-denkene Sterbliche einwirken, die allgegenwärtige, allmächtige, allwirksame Kraft der Gesetze Gottes verdrängen, die uns erhält. Die materielle Lüge mit ihrem grausamen Begriff von Gesetz wird durch die geistige Tatsache zerstört, daß die Gesetze Gottes in ihrer intelligenten und harmonischen Wirksamkeit immer die Individualität des Menschen ausmachen. Diese intelligenten, erleuchtenden Gedankenkräfte sichern nicht nur die Gesundheit, das Glück und die Fortdauer des Menschen, sondern wir werden finden, daß sie, wie der Psalmist sagt, unsers „Fußes Leuchte und ein Licht auf [unserm] Wege” sind. Gesetz ist die Kraft der Liebe und des Lichtes.
