Der schnelle Verlauf der gegenwärtigen Ereignisse stellt an den einzelnen viel größere Anforderungen, als in einem Durchschnittstage bewältigt werden können. Wer so überbürdet ist, mag unwillkürlich den Wunsch äußern: „Wenn ich bloß mehr Zeit hätte”, als ob dies die einzige Möglichkeit wäre, den scheinbaren Druck zu beheben. Es ist offenbar unmöglich, dem Tag weitere Stunden hinzuzufügen; aber die Schwierigkeit läßt sich doch überwinden. Die Christliche Wissenschaft zeigt die Lösung durch ihre vertrauensvolle Versicherung, daß das von Gott erschaffene Weltall vollkommen im Gleichgewicht ist, und daß Zeitmangel so wenig wie irgend ein anderer Mangel der wahre Sachverhalt des Daseins ist.
Nach der Erklärung eines Wörterbuchs bedeutet „Gleichgewicht” oder ein Ausgeglichensein „Weisheit”, „klares Urteil”, „Intelligenz”. In einem ausgeglichenen Tag müssen also diese Eigenschaften verkörpert sein. Da sie geistige Merkmale sind, sind sie die Wahrheit über das wirkliche Selbst aller Menschen. Je mehr jeder einzelne Anspruch auf sie erhebt und sie ausdrückt, desto geordneter und ausgeglichener wird sein Leben; denn die Anwendung geistiger Eigenschaften hat nie Verwirrung, Beklemmung oder Hast zur Folge. „Meine Lieben, laßt uns also gemeinsam das alte und doch neue Erlösungslied singen”, schreibt Mrs. Eddy auf Seite 166 in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany”, „und laßt uns Zeit und Freude geistig, nicht materiell bemessen”.
Wenn Weisheit uns recht wählen läßt, was wir tun sollen, scheiden wir zeitraubende Tätigkeiten, die wenig geistigen Wert haben, aus. Weisheit ersetzt auch ungezügelten Eifer, oder vielleicht einen falschen Sinn persönlicher Verantwortung, der einen zuweilen veranlaßt, die Pflichten anderer oder einen ungebührlichen Teil derselben zu übernehmen. Klares Urteil drückt sich in der rechten Zuteilung von Pflichten aus und führt zur vollkommenen Verwirklichung der Erklärung im Prediger Salomo: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde.” Intelligenz kommt in einer mit dem Prinzip im Einklang stehenden Ordnung, in Tüchtigkeit, im Ausscheiden von unnötigem Zeit- und Kraftaufwand zum Ausdruck.
Unter der Überschrift Zeitmangel können die verwerflichen Eigenschaften Aufgeregtheit, Überstürzung, Selbstsucht, Überhebung und Eitelkeit aufgeführt werden. Solche Kennzeichen gehören nicht zu Gott, somit können sie auch nicht zu Seiner Widerspiegelung, dem Menschen, gehören. Spricht man ihnen Tatsächlichkeit ab und beseitigt sie aus dem Bewußtsein, so wird dadurch auch die Hast, die sie zur Folge haben, aus der Erfahrung beseitigt. Ein nicht irrender, vollkommener Mensch ist das einzig folgerichtige Ergebnis eines vollkommenen Schöpfers. Entgegengesetzte Eigenschaften sind nur Einflüsterungen, ihre Wirklichkeit ist nur eine Sage.
Wir müssen uns vergewissern, daß wir unsere Zeit dem geistigen Maßstab gemäß einteilen, so daß dem geistigen Streben ein reichlicher Teil zugewiesen wird. Das sterbliche Gemüt mag das Geschäft, Pflichten im Haushalt, Vergnügen und persönliche Verbindungen vorschützen und sagen, es bleibe einem keine Zeit für Gott; aber wir müssen darauf bedacht sein, uns Zeit zu nehmen, uns in Sein Wort zu vertiefen und Ihn besser zu erkennen. Mrs. Eddy schreibt mit Bezug auf das Gleichnis von den zehn Jungfrauen auf Seite 341 und 342 in „Miscellaneous Writings”: „Wir lernen aus diesem Gleichnis, daß weder die Sorgen dieser Welt, noch die sogenannten Freuden oder Schmerzen des materiellen Sinnes eine hinreichende Entschuldigung für die Vernachlässigung des geistigen Lichts sind, das man pflegen muß, um die Flamme Hingebung brennend zu erhalten, wodurch man zu der Freude der bewiesenen göttlichen Wissenschaft eingeht.”
Wie wichtig dies ist, wurde einst einer Christlichen Wissenschafterin bewiesen, auf der das Gefühl lastete, daß sie in der arbeitsreichen Zeit in ihrem Geschäft sehr viel zu tun habe. Da so große Anforderungen an sie gestellt wurden, daß es menschlich unmöglich schien, ihnen nachzukommen, glaubte sie, daß geistige Arbeit außer Frage stehe. Als jedoch die Eile und der Druck am größten waren, folgte sie eines Tages einem inneren Drang, in ein Lesezimmer der Christlichen Wissenschaft in der Nähe zu gehen. Entschlossen schenkte sie der sie quälenden Unruhe keine Beachtung und brachte eine glückliche Stunde mit Lesen und Nachdenken zu, was ihr ein wunderbares Gefühl des Friedens und der Herrschaft gab. Als sie zurückkehrte, berichtete ihre Gehilfin ihr über Verschiedenes, was während ihrer Abwesenheit vorgekommen war, wodurch der Druck sehr verringert worden war, und von da an nahmen die Dinge einen glatten Verlauf. Diese Erfahrung bewies, daß das anscheinende Bedürfnis nach mehr Zeit tatsächlich ein ungestilltes geistiges Bedürfnis war; und als sie dieser Forderung nachkam, entwickelte sich alles andere harmonisch.
Mit Bezug auf den, der recht denkt und recht arbeitet, sagt Mrs. Eddy in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1900 (S. 3): „Er benützt Augenblicke; ihm ist Zeit Geld, und er häuft sein Kapital an, um Gewinn auszuteilen.” Um Zeit zu haben, „Gewinn auszuteilen”, muß man die Zeit nicht nur weise einteilen, sondern sie auch vor denen schützen, die unbewußt anderer Zeit vergeuden durch unnötige Besuche, Briefe, Telephongespräche, ein Wiederholen von Irrtum, das unter dem Deckmantel der Freundschaft kommt, und zuweilen durch die Hilfe, die jemand braucht.
Wer von einem Sinn aufreibender Tätigkeit gequält wird, geht oft auf die Einflüsterung ein, daß er in sehr wenig Zeit viel zu tun habe, und macht sie persönlich. Oft ist es nur nötig, die Einflüsterung mit der entgegengesetzten Tatsache zu widerlegen, daß man alles hat, was man braucht; dadurch trennt man Mangel von sich und von seiner Erfahrung. Das Verschanzen des Denkens in der Wahrheit, daß das Gemüt schon alle Dinge geschaffen hat, enthüllt sie in gesetzmäßiger, geordneter Reihenfolge und bringt die Stimme, die einen drängt, zu handeln, als ob es nicht der Fall wäre, zum Schweigen. Jeder Mangel ist eine Verneinung, ein Nichts, bis man ihn dadurch zu etwas macht, daß man ihn für wahr hält. Laßt uns also nicht mehr versuchen, mehr Zeit zu finden oder zu bekommen, sondern durch ein wachsendes geistiges Verständnis mehr Weisheit, klares Urteil und Intelligenz ausdrücken! Dann wird unser Weltall mehr die Ordnung Gottes ausdrücken, die sich in einem ausgeglichenen Tag und in der Fülle des Guten äußert.
