Worte haben den Zweck, dem menschlichen Bewußtsein Gedanken zu übermitteln. Die Genauigkeit oder Ungenauigkeit dieser Übermittlung entscheidet, von welchem Nutzen sie für den Zuhörer sind. In Gottes endgültiger Offenbarung Seiner selbst, mit der unser Zeitalter gesegnet wurde, und die wir als die Christliche Wissenschaft kennen, ist Gemüt als ein Name für die Gottheit gebraucht. Das Gemüt muß alles kennen, was zu jeder Zeit und überall kennbar ist. Die aus dem Gemüt hervorgehende Intelligenz ist nicht durch Worte gehindert. Alle Wörter in allen Sprachen der Erde werden sich schließlich dem Wort beugen, das der Apostel Johannes verkündigte, als er sagte (Joh. 1,1): „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“
Die Offenbarerin des Worts in unserer Zeit, Mary Baker Eddy, gebrauchte Wörter in ihrem höchsten Sinne, gleichsam als Leitern, um dem Denken das Höhersteigen zu erleichtern. Sie hat gewisse Ausdrücke nur im Zusammenhang mit den geistigen, ewigen, unveränderlichen Tatsachen der Schöpfung Gottes gebraucht, andere immer nur zur Beschreibung des Scheinbaren, des Mutmaßlichen, der Nachahmung der einen Schöpfung. Gewisse Wörter hat sie auf beide Arten gebraucht; sie muß man in Verbindung mit ihrem Zusammenhang verstehen. Sie sind manchmal mit Bezug auf die unbedingte Wahrheit und manchmal zur Beschreibung des menschlichen Gesichtspunkts gebraucht. Aus diesem Grunde sind die Christlichen Wissenschafter in zunehmendem Maße dankbar für die Konkordanzen zu ihren Lehrbüchern, mit deren Hilfe sie jedem Wort auf den Grund gehen können.
Der Gebrauch des Wortes „Demonstration“ erfordert, weil es in der Ausdrucksweise der Wissenschaft so wichtig ist, ein sorgfältiges Zergliedern. Wir haben für unsere Mittwochabend-Zeugnisversammlungen keine vorherigen Proben. Die Zeugnisse sind im Gegensatz zu denen in den Zeitschriften von keiner Schriftleitung durchgesehen. Wir können dankbar sein, daß die meisten dieser unmittelbaren Zeugnisse hilfreich und anregend sind. Manche, die ein Zeugnis geben, aber mit der wahren und geistigen Bedeutung des Wortes Demonstration, d. h. Beweis, noch nicht vertraut sind, sprechen von körperlicher Besserung oder einer Gehaltserhöhung oder dem Erlangen eines Hauses oder eines anderen menschlichen Gegenstandes als einer Demonstration. Mrs. Eddy hat in ihrem großen Gedicht „Christ and Christmas“ (Christus und Weihnachten) des Meisters bildlichen Ausdruck, daß der Christus der „lebendige Weinstock“ ist, anschaulich mit dem Wort „demonstrieren“ verbunden. Sie schreibt auf Seite 19:
„Um also den ewigen und göttlichen Christus
Zu verherrlichen,
Wie die Wahrheit es fordert, demonstriert
Diesen lebendigen Weinstock.“
Wenn wir uns fragen: Demonstriere ich den „lebendigen Weinstock“, den Christus? so werden wir das Wort „Demonstration“ nicht so oft, aber genauer gebrauchen. Man kann unmöglich das Nichtbestehen der Materie und materieller Pläne behaupten und anerkennen, daß das sterbliche, materielle, fleischliche Gemüt ein durchaus unwirklicher Traum ist, und dann erwarten, etwas, was zu diesem Traum gehört, zu demonstriere, d. h. zu beweisen. Wir demonstrieren oder beweisen unser Einssein mit Gott dadurch, daß wir auf das Gemüt Christi Anspruch erheben und es uns zunutze machen. Um dies zu tun, müssen wir das Denken beständig erfrischen. Eine Art, dies zu vollbringen, besteht darin, daß wir mit den Sinnbildern und der bildlichen Ausdrucksweise, wodurch die Lehre der Bibel so anschaulich dargestellt ist, und von der Christus Jesus in so reichem Maße Gebrauch machte, besser vertraut werden. Warum sagte er zum Beispiel (Joh. 15, 5): „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“?
Wenn wir die Hinweise auf Reben und Weinberge im Alten Testament weiter verfolgen, finden wir, daß die Traubenernte eine der einträglichsten Ernten Palästinas war. Als die Kinder Israel nahezu durch die Wüste gezogen waren, sandte Mose Vertreter in das Land Kanaan, die ihm Bericht erstatten sollten, wie das Land sei, „ob's fett oder mager sei“ (4. Mose 13, 20). Als Beweis der Fruchtbarkeit des Landes brachten sie eine Weintraube zurück, die zwei Männer an einem Stecken trugen, damit sie nicht zerdrückt werde. Es war also, da Jesus in einem solchen Land wohnte, ganz natürlich, wenn er auf den Christus Bezug nahm, dieses Bild vom Weinstock zu gebrauchen, von seinen Nachfolgern als den Reben und vom Ergebnis ihres treuen Festhaltens an seinen Lehren als der Frucht zu sprechen. Die Frucht eines guten, richtig gepflegten und beschnittenen Weinstocks kann nicht anders als gut sein. Wenn wir, wie unsere Führerin es dichterisch ausdrückt, der Forderung der Wahrheit gehorsam den „lebendigen Weinstock“ — den Christus — in unserem täglichen Leben demonstrieren, muß die Frucht, die äußere Kundwerdung, gut sein.
Im Gespräch mit andern wirken Fragen aufrüttelnd. Jeder ist darauf bedacht, die Fragen des andern zu beantworten. Ebenso verhält es sich mit unserer geistigen Arbeit für uns selber. Wir sollten uns eindringliche Fragen stellen und sie ehrlich beantworten. Ist die Antwort nicht befriedigend, dann können wir durch ein zunehmendes Beweisen des „lebendigen Weinstocks“ das, was unbefriedigend ist, so ändern, daß die Antwort den Forderungen Christi entspricht.
Eine der wichtigsten Fragen, die sich ein Ausüber täglich — ja stündlich — stellen sollte, ist gegen Ende des Kapitels „Zusammenfassung“ im Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ gestellt, wo Mrs. Eddy ausdrücklich sagt (S. 496): „Frage dich: Lebe ich das Leben, das dem höchsten Guten nahe kommt?“ Was heißt „das Leben, das dem höchsten Guten nahe kommt“, leben? „Das Leben, das dem höchsten Guten nahe kommt“, ist ein Leben, das den lebendigen Christus und Eigenschaften wie Weisheit, Reinheit und selbstlose Liebe beweist. Der Ausdruck „nahe kommt“ ist bedeutsam, weil noch niemand „das höchste Gute“, Vollkommenheit, erreicht hat; aber wir alle müssen ihm jeden Tag ein wenig näher kommen. Man kann diese Frage weiter ausführen und hinzufügen: Lebe ich so, daß mir weltliche Bestrebungen immer weniger bedeuten? Lebe ich so, daß an Stelle von Selbstgefälligkeit und Reizbarkeit selbstlose Liebe tritt? Lebe ich Gott so nahe, daß Hilfesucher, die zu mir kommen, um von Sünde und Krankheit geheilt zu werden, sich immer weniger meiner menschlichen Persönlichkeit und immer mehr des „lebendigen Weinstocks“ — des Christus — bewußt sind?
Jedermann möchte gern Früchte — Ergebnisse — haben, aber viele wollen sie ohne die nötige vorausgehende Arbeit haben. Eine Stadt kann nicht auf sich allein gestellt leben. Das Leben in einer Stadt ist nur möglich, weil Tausende und aber Tausende geduldig das Land bebauen — pflügen, eggen, säen, anpflanzen, pflegen und begießen — um die Nahrungsmittel für die Stadtbevölkerung zu erzeugen. Wie töricht es schiene, wenn jemand sagte: „Ich will Nahrungsmittel zu essen haben; aber ich will nicht dafür arbeiten, und es soll auch niemand anders dafür arbeiten.“ In dem Kapitel „Saatzeit und Ernte“ in „Unity of Good" sagt Mrs. Eddy von uns, ihren Nachfolgern (S. 12): „Nur wenige arbeiten in diesem Weinberg des Gemüts-Säens und Erntens.“ Ein Müßiggänger oder wer nur arbeitet, wenn er Lust dazu hat, ist kein Arbeiter. Der Arbeiter arbeitet stundenlang treu für einen Herrn. Wir sollten also willig sein, stundenlang und regelmäßig in Gottes Weinberg des „Gemüts-Säens“ zu pflanzen und zu gießen, um den Ertrag zu ernten.
Unmittelbar auf die Frage: „Lebe ich das Leben, das dem höchsten Guten nahe kommt?“ folgt die Frage: „Demonstriere ich die heilende Kraft der Wahrheit und Liebe?“ Zur Beantwortung dieser wichtigen Frage ist es ratsam zu beachten, daß Gesundheit in Wirklichkeit ein Zustand geistiger Unversehrtheit ist, und daß die sogenannte körperliche Gesundheit nur ein Sinnbild davon ist. Eine Wörterbucherklärung des Zeitworts „heilen“ lautet: „Heil, gesund oder unversehrt machen. ... Zu der ursprünglichen Reinheit oder Unverletztheit zurückführen." Wie bedeutungsvoll doch vom Standpunkt der Christlichen Wissenschaft die Worte „zu der ursprünglichen Reinheit zurückführen" sind! Wenn wir für Hilfesucher arbeiten, arbeiten wir nicht wie ein Arzt, nur um die Schmerzen zu lindern und Krankheit zu heilen, und lassen den Menschen in Unwissenheit über seine geistige Wesensart, sondern wir arbeiten, um dem Menschen sein wahres Selbst, die ihm ursprünglich von Gott gegebene Reinheit oder Unverletztheit wieder zum Bewußtsein zu bringen. Wenn die Christliche Wissenschaft dem Hilfesucher noch ganz neu ist, denkt er vielleicht, sie sei nur eine andere Art, Krankheit zu heilen, und man muß mit diesem Anfänger liebevoll Geduld haben. Man muß ihm einfache Behauptungen und Erklärungen geben, wie man Kindern Milch gibt. Es ist nicht weise, sich in einem Wortschwall zu ergehen, als erwartete man, daß der Zuhörer verstehen solle, seine Heilung selber herbeizuführen.
Manche, die Behandlung brauchen, sprechen, obgleich sie schon jahrelang Anhänger der Wahrheit sind, von ihren Schwierigkeiten, als wären sie körperlicher Art; sie beschreiben die Krankheitsanzeichen eingehend und vergessen, daß Krankheit ein Zustand des Denkens ist, der sich am Körper bekundet. Weil diese Wissenschafter eigentlich wissen sollten, daß ihre Schwierigkeiten nicht körperlicher, sondern gedanklicher Art sind, muß man sogar noch geduldiger und liebevoller sein, wenn man bemüht ist, diese Hilfesucher zu einem einsichtsvolleren Verständnis der Worte aufzurütteln, die sie schon so lang kennen. Ein solcher Mensch gebraucht das Wort „Demonstration“ oft falsch und ist überrascht, wenn ihm dessen richtige Anwendung gezeigt wird. Er sagt oft, er habe seine Demonstration nicht gemacht, wenn er sagen will, er habe etwas, was ihn quält, nicht überwunden, oder etwas, was er menschlich geplant hatte, nicht erreicht. Ihm muß gezeigt werden, was ihm not tut, nämlich, sein Einssein mit dem Vater zu demonstrieren oder zu beweisen; das göttliche Prinzip, das Leben und die Liebe zu beweisen, Leben in Christus zu beweisen. Er hält manchmal die Heilung, die das Ergebnis der Demonstration oder des Beweises ist, für den Beweis selber, während die höhere Bedeutung von Demonstration die vollere Vergegenwärtigung des Christus, der Wahrheit, ist. Der Name des letzten Kapitels unseres Lehrbuchs veranschaulicht dies. Dieses Kapitel besteht aus Zeugnissen von Leuten, die durch das Lesen von Wissenschaft und Gesundheit von allerlei Krankheiten geheilt wurden. Die Überschrift dieses Kapitels ist jedoch nicht „Demonstration“, sondern „Früchte“.
In einem vorausgehenden Kapitel (Wissenschaft und Gesundheit, S. 496) schreibt Mrs. Eddy, nachdem sie die fesselnden Fragen gestellt hat: „Lebe ich das Leben, das dem höchsten Guten nahe kommt? Demonstriere ich die heilende Kraft der Wahrheit und Liebe?“: „Wenn dem so ist, dann wird der Weg immer lichter werden ,bis auf den vollen Tag.' Deine Früchte werden beweisen, was das Verständis von Gott dem Menschen bringt.“ Die Reihenfolge ist also: erstens, ein fortschrittliches und gottgefälliges Leben führen; zweitens, die Demonstration oder der Beweis der heilenden Kraft der Wahrheit und der Liebe; drittens, das Erscheinen der Frucht. Wer versucht, diese Reihenfolge anders anzuordnen, kann keinen Fortschritt machen.
Wenn man auf einem Blatt Papier eine gerade Linie zieht, dann eine zweite, die von Anfang an ein klein wenig von der Richtung abweicht, in der angefangenen Richtung weiterführt, geht diese Linie bald über das Papier hinaus. Daher müssen wir uns beständig nach den Regeln der Wissenschaft des Christentums richten und ihre Ausdrucksweise genau anwenden. Lange lesen, ohne oft innezuhalten, um nachzudenken, ist ein Hindernis für aufgewecktes geistiges Denken. Die Zusammenstellung unserer Lektionspredigt ist ein vortreffliches Beispiel, wie nutzbringend es ist, einige Verse aus der Bibel und kurze Stellen aus dem Lehrbuch in den sechs verschiedenen Abschnitten über das Thema zu lesen. Solange man diese sechs Gesichtspunkte nicht klar sieht, schätzt man den Wert dieser göttlich eingegebenen Erklärungen nur in schwachem Maße. Wenn man über diese unvergleichlichen Anweisungen klar nachdenkt, sie sich immer mehr zu eigen macht und sie täglich anwendet, kann das Ergebnis nur eine fortschreitende Demonstration des Christus — „dieses lebendigen Weinstocks“ — in unserem täglichen Leben sein.
