Die letzten 100 Seiten des Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mary Baker Eddy enthalten nur Zeugnisse von Heilungen durch die Christliche Wissenschaft. Man könnte diese Heilungen von allen möglichen Leiden und Krankheiten Wunder von heute heißen, denn sie kamen nur dadurch zustande, daß die Verfasser sich in dieses Lehrbuch vertieften. Manche sind besonders beachtenswert, weil darin erklärt ist, daß der Betreffende das Buch eigentlich nicht las, um körperlich geheilt zu werden, sondern um Gott zu finden. Und als er Gott fand, als er fand, daß Gottes unfehlbare Macht und Gegenwart keine unbestimmte, fernliegende Möglichkeit nach dem Tode, sondern eine jetzt beweisbare Tatsache ist, erfolgte seine Heilung so natürlich und so unumgänglich, wie auf die Nacht der Morgen folgt.
Fragt jemand: Wie ist dies möglich? Die Antwort ist einfach. Die Erleuchtung des Bewußtseins, die das Erforschen dieses „Schlüssels“ zur Heiligen Schrift zur Folge hatte, das Auferstehen des Denkens aus dem Grab der Materialität und der Furcht, die Erhebung aus dem sterblichen Selbst zu der Erkenntnis, daß das wahre und unsterbliche Selbst des Menschen das Bild und Gleichnis Gottes ist, befreite den, der Gott suchte, in solchem Maße, daß er den sogenannten Gesetzen der Krankheit und des Todes, unter denen er zu sein geglaubt hatte, nicht mehr unterstand. „Mir war wie einem Gefangenen, der jahrelang in Ketten gelegen hat und plötzlich in Freiheit gesetzt wird“, schreibt jemand (S. 643).
Der Meister sagte (Matth. 6, 33): „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.“ Daß dies wahr ist, wird täglich bewiesen. Vor kurzem suchte eine junge Frau in der Christlichen Wissenschaft Heilung. Sie hatte viele Jahre lang gelitten. Da die Arzneimittellehre versagt hatte, ihr Hilfe zu bringen, wandte sie sich schließlich der Christlichen Wissenschaft zu und fing fast in Verzweiflung an, sich fleißig in die Bibel und in Wissenschaft und Gesundheit zu vertiefen. Sie besuchte auch christlich-wissenschaftliche Gottesdienste und Vorträge. Sooft sie ihre Bücher aufschlug, hoffte sie, daß sie darin einen besonderen Satz oder Gedanken finden werde, der ihre Heilung bewirken werde; sooft sie den Sonntagsgottesdienst oder die Mittwochabend-Zeugnisversammlung oder einen christlich-wissenschaftlichen Vortrag besuchte, hoffte sie, im Lesen, in den Liedern, im Sologesang, in den Zeugnissen oder im Vortrag die Erleuchtung zu finden, die sie von ihrem Leiden befreien würde. Aber nach einem monatelangen derartigen Suchen war sie noch nicht geheilt.
Eines Tages schlug sie ihr Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit jedoch mit einem ganz anders eingestellten Denken auf: in großer Demut und wirklicher Dankbarkeit. Sie erkannte, daß sie, obgleich sie körperlich nicht geheilt war, in diesen Monaten etwas gewonnen hatte, was ewig der Mühe wert und köstlich war — ein Verständnis Gottes. Sie erkannte, daß sie nicht Gott besser zu erkennen und mehr zu lieben, sondern die Brote und die Fische gesucht hatte. Und doch hatte sie Ihn bei diesem Suchen gefunden! Sie freute sich von ganzem Herzen. Noch nie zuvor hatte sie bewußt so nach Gerechtigkeit gehungert und gedürstet.
Anstatt im Gebet um Heilung zu bitten, lobte und dankte sie jetzt Gott für Seine nie versagende Güte und Liebe. Das Leiden und die Schmerzen, die so lang — fast ihr ganzes Leben lang — ein Teil ihres Lebens zu sein geschienen hatten, schwanden aus ihrem Bewußtsein, als Liebe zu Gott darin einzog. Sie merkte kaum, wann die körperliche Heilung erfolgte. Als sie sich bewußt wurde, daß sie geheilt war, wußte sie ein wenig, was der Meister meinte, als er sagte: „Solches alles wird euch zufallen“. Und voll Ehrfurcht dankte sie ihrem Vater-Mutter, Gott, den sie zu kennen und zu lieben begonnen hatte.
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß „am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit trachten” wahres Gebet ist. Kein bloßes Wiederholen von Worten, so aufrichtig und ehrlich man sie auch wiederholen mag, kein Bitten um etwas Materielles ist Gebet; aber Gott in unserem täglichen Leben allem voranstellen und Ihn immer voranstellen, ist Gebet. „Die einfache Bitte, daß wir Gott lieben mögen, wird uns nie dahin bringen, Ihn zu lieben”, schreibt Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit, S. 4), „aber das Sehnen, besser und heiliger zu werden, das sich in täglicher Wachsamkeit ausdrückt, sowie in dem Streben, sich dem göttlichen Charakter immer mehr anzugleichen, wird uns modeln und neugestalten, bis wir in Seinem Gleichnis erwachen.“
Wo dieses Erwachen völlig erfolgt, gibt es keine Krankheit, keinen Mangel, kein Übel. Das Böse kann zuweilen große Macht zu haben scheinen, es kann diese Macht prahlerisch zur Schau zu stellen und sich höchlich zu brüsten scheinen; aber es bleibt ewig Tatsache, daß es gar keine Substanz, keinen Platz und keine Macht hat; denn es ist völlig getrennt von Gott. Man höre die anschaulichen Worte des Propheten Jesaja: „Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! Wie bist du zur Erde gefällt, der du die Heiden schwächtest! ... Denn der Herr Zebaoth hat's beschlossen — wer will's wehren? —, und seine Hand ist ausgereckt — wer will sie wenden?“
Gott hat das Gute für Seine Kinder beschlossen. Seine Liebe ist allumfassend und unparteiisch; sie ist unerschöpflich, immer gegenwärtig und immer zugänglich. Wenn wir uns unseres Einsseins mit dieser Liebe, mit Gott, bewußt werden, finden wir, daß Seine Hand überall mit Segnungen „ausgereckt“ ist, und es steht für uns außer allem Zweifel, daß nichts „sie wenden“ kann.
