Ein wohlbekanntes Bild, das man oft sieht, stellt Daniel in der Löwengrube dar. Obwohl Daniel vor den wilden Tieren steht, drückt seine Haltung Gelassenheit aus. Sein edles Gesicht, wendet sich dem Lichte zu; er hat offenbar keine Furcht vor den Löwen, die hinter ihm kauern, ohne sich ihm zu nähern. Wie groß muß sein Vertrauen auf Gott gewesen sein und wie groß sein Glaube an seine unwandelbare Sicherheit!
Daniel verbrachte den größten Teil seines Lebens in Babylonischer Gefangenschaft. Er lebte zu einer Zeit allgemeiner Unruhe, als Aufruhr und Krieg an der Tagesordnung waren. Wenn man dies Bild von Daniel betrachtet, so mag man sich wundern, daß er solch vollkommene Seelenruhe und Gelassenheit zum Ausdruck bringen konnte angesichts einer Lage, die ihn mit augenblicklicher Zerstörung bedrohte.
In dem christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ gibt Mary Baker Eddy uns die Antwort. Hier schreibt sie (S. 514): „Durch das Verständnis der Gewalt, die Liebe über alles hat, fühlte sich Daniel in der Löwengrube sicher, und bewies Paulus, daß die Otter unschädlich war. Alle Geschöpfe Gottes, die sich in der Harmonie der Wissenschaft bewegen, sind unschädlich, nützlich und unzerstörbar. Die Vergegenwärtigung dieser erhabenen Wahrheit war eine Quelle der Stärke für die Propheten der alten Zeit.“
Eine unerläßliche Vorbedingung, um in Zeiten der Gefahr solche Seelenruhe und Gelassenheit bewahren zu können, ist die innere Gewißheit der Wahrheit, eine Gewißheit, die sogar stärker ist als der Glaube, nämlich das geistige Verständnis von Gottes allumfassender Herrschaft. Daniel muß in gewissem Grade die wahre Natur der Geschöpfe Gottes erkannt haben als „unschädlich, nützlich und unzerstörbar“, und daher als unfähig, Wildheit und Grimmigkeit auszudrücken, und das half ihm, einen vollkommenen Sieg zu erringen.
Wie oft hört man heutzutage, daß die Welt in Gefahr völliger Selbstzerstörung steht, infolge der immer mehr zunehmenden Aufrüstung. Die Nationen hoffen, den Krieg vermeiden zu können, da die Benutzung der neu erfundenen Waffen die völlige Vernichtung der Zivilisation bedeuten würde. Bei solch trübem und furchtsamem Denken bedürfen wir besonders der Gemütsruhe, die sich auf das Verständnis von der Allheit Gottes gründet; denn wenn Furcht das Denken beherrscht, kann es keinen Seelenfrieden geben.
Mrs. Eddy offenbarte der Menschheit die grundlegende Wahrheit, daß Gott, das Gute, Alles-in-allem ist. Sie sagt in ihrem Lehrbuch (S. 398): „Die große Tatsache bleibt bestehen, daß das Böse nicht Gemüt ist. Das Böse hat keine Macht, keine Intelligenz, denn Gott ist gut, und daher ist das Gute unendlich, ist Alles.“ Um also wahre Seelenruhe zu erlangen, muß man vor allem danach streben, das Denken von der Annahme frei zu machen, daß das Gute und das Böse zugleich bestehen und zusammenwirken.
In dem Maße, wie Läuterung des Denkens stattfindet, wächst unser Verständnis von der Herrschaft der göttlichen Liebe über ihre ganze Schöpfung, und damit wird der Glaube an das Böse und die Furcht vor dem Bösen nachlassen. Dann wird man auch nicht mehr so furchtsam auf die grausigen Prophezeiungen lauschen, die den Menschen ständig vorgehalten werden. Man verläßt sich vielmehr vollständig auf die geistige Gewißheit der göttlichen Gegenwart und Beschirmung. Ja, die Erkenntnis von der dem Menschen innewohnenden geistigen Vollkommenheit als Widerspiegelung Gottes wird sich unbedingt in Gemütsruhe und Gelassenheit bei der Behandlung und Lösung irgendwelchen Problems, wie schwierig es auch scheinen mag, auswirken. In Wirklichkeit ist die Gemütsruhe nicht etwas Fernes und Unerreichbares; sie ist eine geistige Eigenschaft Gottes, die immerdar vom Menschen widergespiegelt wird.
Unsere Gemütsruhe ist das Ergebnis unseres Verständnisses von dem allumfassenden, allmächtigen Gott, dem Gemüt, das es den großen Gestalten der Bibel möglich machte, sich in der Löwengrube, im Feuerofen, inmitten einer wütenden Menge geborgen und in Sicherheit zu fühlen. Solches Verständnis stützte Jesus am Kreuz, ja, selbst im Grabe. Die Christlichen Wissenschafter haben das Vorbild Christi Jesu, des Wegweisers, der ganz klar von den kommenden Phänomenen von „Kriegen und Geschrei von Kriegen“ sprach als von Irrtümern, die sich ihrer Selbstzerstörung näherten, und der sagte (Matth. 24:6): „Sehet zu und erschrecket nicht.“
Auch uns — ebenso wie den unmittelbaren Jüngern des Meisters — gilt dieses sein Gebot, nicht zu erschrecken. Durch Mrs. Eddys Entdeckung und Gründung der Christlichen Wissenschaft haben wir den verheißenen Tröster empfangen — die göttliche Wissenschaft, die endgültige Offenbarung der erlösenden Wahrheit. Wir dürfen uns nicht und brauchen uns nicht zu fürchten, wie schreckerregend die uns umgebenden Ereignisse auch sein mögen.
Die Verfasserin hat den Segen jenes Gebotes Christi Jesu erlebt, als schwierige Verhältnisse unüberwindlich schienen. Während der militärischen Besatzung, auf der Flucht, in Mangel und Hunger, inmitten furchtbarer Umstände, die durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen hervorgerufen wurden, verlor sie niemals ihren geistigen Frieden. Jene inspirierten Worte unserer großen Führerin klangen nach in ihrem Denken: „Vergiß nicht, daß du in keine Lage kommen kannst, wie schwierig sie auch sein mag, wo die Liebe nicht schon vor dir ist, und wo ihre liebreiche Lehre dich nicht erwartet. Daher verzweifle nicht und murre nicht; denn das, was zu erlösen, zu heilen und zu befreien sucht, wird dich führen, wenn du diese Führung suchst“ (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 149). Und diese Worte sind ihr seitdem eine nie versagende Erleuchtung und Beschirmung gewesen.
Jemand mag einwenden, daß alle bisherigen Kriege nicht verglichen werden können mit dem Unheil, das die Menschheit seit der Erfindung der Atombomben erwartet. Doch in der Christlichen Wissenschaft lernen wir verstehen, daß das Böse ein Nichts ist und weder Gemüt noch Macht besitzt.
Was sollte unsere Einstellung sein bei Unglücksfällen, in die wir verwickelt werden mögen? Manchmal scheinen sie Selbstbedauern zu verursachen, oder gar Haß, Verzweiflung und ein Gefühl zerrütteter Hoffnungen. Solche Reaktionen sollten aufgedeckt und schnell überwunden werden durch die christlich-wissenschaftliche Erkenntnis der uneingeschränkten geistigen Vollkommenheit Gottes und Seines Weltalls und der völligen Nichtigkeit der ganzen Machenschaften des Bösen. Wir werden finden, daß beständige Wachsamkeit hierfür unerläßlich ist.
Wenn wir die tiefinnerliche Überzeugung von der Allgegenwart und dem All-Wirken des göttlichen Prinzips und von unserer Verbundenheit mit Gott als Gottes Ideen besitzen, so können wir jedem Geschehnis in völliger Gemütsruhe entgegentreten, indem wir für die geistige Erleuchtung unseres eigenen Bewußtseins und das der ganzen Welt wachen und beten. Wir müssen auf jenes Gebot Jesu acht haben (Mark. 13:37): „Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!“
Daniel aber redete mit dem König: Der König lebe ewiglich! Mein Gott hat seinen Engel gesandt, der den Löwen den Rachen zugehalten hat, daß sie mir kein Leid getan haben; denn vor ihm bin ich unschuldig erfunden. ... Und sie zogen Daniel aus dem Graben, und man spürte keinen Schaden an ihm; denn er hatte seinem Gott vertraut. — Daniel 6:22–24.