Wir haben ein uns innewohnendes Recht darauf, die Wahrheit zu wissen. Wir haben eine Verpflichtung, ihr gemäß zu leben. Doch wir machen die Wahrheit nicht dadurch wahr, daß wir sie wissen, oder daß wir ihr gemäß leben. Dies ist eine einfache, einleuchtende und wichtige Erklärung. Es ist die Grundlage aller wahrhaft christlich-wissenschaftlichen Behandlung.
Die Christliche Wissenschaft hat eine ausschließlich geistige Grundlage: Gott ist das Gute und ist Alles; der Mensch ist immer Sein Ebenbild und Gleichnis gewesen, ist es jetzt und wird es immer sein. Die Sterblichkeit ist nicht dieses Gleichnis. Die Sterblichkeit ist eine auf der Grundlage der fünf körperlichen Sinne beruhende Annahme. Die Unsterblichkeit ist der logische und praktisch anwendbare Standpunkt, von dem aus die Christliche Wissenschaft wirkt. Die Tatsache der Unsterblichkeit wird erkannt — doch nicht erschaffen — wenn der materielle Sinn dem geistigen Verständnis weicht.
Diese geistige Grundvoraussetzung wird von den Ansprüchen des Fleisches geleugnet. Doch das menschliche Denken kann ihr trotzdem entsprechen. Die Sterblichen scheinen eine Art negativen Stolz im Bösen zu haben. Sie glauben, daß ihre Schwierigkeiten Umständen zuzuschreiben sind, über die sie keine Macht haben, und daß diese Schwierigkeiten nur persönlicher Macht oder glücklicheren Umständen weichen werden. Es bedarf der Demut, um die Allheit des Guten, die Allheit Gottes, zuzugeben, und die Tatsache anzuerkennen, daß das Böse nicht gegenwärtig ist, es sei denn in der Dunkelheit des Wahns.
Der Vorgang der Behandlung in der Christlichen Wissenschaft bedeutet eine Belebung des menschlichen Denkens durch den geistigen Sinn. Jesus sagte (Joh. 6:63): „Der Geist ist's, der da lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze.“ Die Christliche Wissenschaft befaßt sich einzig mit dem Denken. Materie und Fleisch sind Gedankenzustände, nicht Vergegenständlichungen außerhalb des Gedankens. Im wahren Gedankenreich gibt es kein Böses; es ist das Reich des Geistes, und daher völlig geistig. Daher hat unser Wissen der Wahrheit keine Einwirkung auf die Wirklichkeit; doch es enthüllt uns die große Wahrheit unseres Seins und Wesens als Gottes Ebenbild.
Jesus hinterließ uns keine allgemeine Lehren in der Art eines Lehrbuches. Doch er lehrte und veranschaulichte eine Denkweise, die den Menschen absolute Herrschaft über die Materie verleiht. Er muß wohl gewußt haben, daß seine Lehre zur gegebenen Zeit in einer verständlichen Form niedergelegt werden würde. Das war die Mission Mary Baker Eddys. Sie gab der Menschheit das Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“, das den Menschen die Heilmethode des Meisters erklärt. Dies Buch lehrt keine mentale oder geistige Methode, die Wirklichkeit umzuwandeln. Es bringt vielmehr eine Erklärung der wahren Wissenschaft des Seins, nicht des Werdens. Das heißt, es beschreibt den geistigen Zustand des Lebens, wie Gott ihn kennt; es bietet keine Besserung der göttlichen Schöpfung, sondern zeigt uns, wie wir die Wahrheit demonstrieren können.
Gottes Wissen ist ursächlich. Mrs. Eddy schreibt in „Nein und Ja“ (S. 15): „Für Gott ist Wissen Sein; d.h., was Er weiß, muß wirklich und ewig vorhanden sein.“ Folglich bedeutet Wissen für den Menschen Widerspiegelung; sein Wissen ist die Wirksamkeit der Widerspiegelung, nicht Ursächlichkeit. Menschliches Denken und Wissen ist nur in dem Maße richtig, wie es in aktiver Weise Gott zum Ausdruck bringt oder widerspiegelt.
Wir alle haben den menschlichen Hilferuf gehört: „Ich bedarf der körperlichen Heilung; ich habe einen kranken Körper, ein krankes Heim, ein krankes Geschäft, einen kranken Freund — sie alle bedürfen der Umwandlung, oder ich muß fortfahren zu leiden.“ Sanft und erbarmungsvoll weist der wahre Christliche Wissenschafter durch die Ausübung seiner Religion darauf hin, daß der Hilferuf der Sterblichen nach materiellem Wandel durch die Demonstration der Wirklichkeit Erhörung findet. Die ersehnte Heilung kommt, wenn der geistige Sinn belebt, wenn die göttliche Natur im menschlichen Denken widergespiegelt wird.
Laß uns dessen gedenken, wie krank Naeman war, gemäß dem biblischen Bericht, an einem Leiden, das er für unheilbar hielt — Aussatz. Doch seine Annahme machte dies nicht wahr. Das ist die tröstliche Sicherheit, die dem Leidenden immer verfügbar ist. Menschliche Furcht, Unwissenheit oder Sünde können niemals wahre Zustände schaffen. Gott ist die einzige Ursache und der einzige Schöpfer. Der vollkommene Mensch ist die einzige Art Mensch, die in Seiner Schöpfung enthalten ist.
Als Naeman zu Elisa kam, um geheilt zu werden, erkannte Elisa sofort, was Naeman am meisten not tat. Das ist ein wichtiger Punkt. Die materielle Notdurft eines Patienten sollte erbarmungsvoll und liebreich in Betracht gezogen, niemals übersehen werden. Doch die geistige Behandlung — das Wissen der Wahrheit — entspricht dem wirklichen Bedürfnis des Menschen, nicht der materiellen Notdurft. Was dem Menschen am meisten not tut, ist stets, das menschliche Bewußtsein über die Illusionen der Materialität oder Sterblichkeit, über die falschen Ansprüche des Fleisches, emporzuheben. Von diesem höheren Standpunkt aus nimmt dann das Denken das wesenhafte Gute wahr und hat greifbaren Grund zum Frohlocken — doch nicht etwa über verbesserte Materie, sondern wegen der Unterwerfung der Materie.
Naemans Erfahrung veranschaulicht das. Zuerst weigerte er sich, Elisas Geheiß zu befolgen — sich im Jordan zu baden. Als aber sein Stolz der Demut und dem Gehorsam wich, wurde er geheilt, und sein Denken wurde zu höherer Geistigkeit erhoben.
Die Heilung Naemans ist ein Schulbeispiel einer christlich-wissenschaftlichen Behandlung. Mrs. Eddy sagt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 417): „Halte die Tatsachen der Christlichen Wissenschaft aufrecht — daß Geist Gott ist und deshalb nicht krank sein kann; daß das, was Materie genannt wird, nicht krank sein kann; daß alle Ursächlichkeit Gemüt ist, das durch geistiges Gesetz wirkt. Dann behaupte deinen Standpunkt mit dem unerschütterlichen Verständnis von Wahrheit und Liebe, und du wirst den Sieg gewinnen. Wenn du den Zeugen, der gegen deine Verteidigung auftritt, zum Schweigen bringst, zerstörst du den Augenschein, denn die Krankheit verschwindet.“
Gott, das Gemüt, ist die einzige Ursache. Das rechte Denken des Ausübers ist keine Ursache, sondern eine aktive Vergegenwärtigung des wahren Zustands des Seins. Im Falle Naemans hatte der Widerstand, der Zeuge, der gegen die Wahrheit auftrat, seinen Höhe- und Brennpunkt in seinem Stolz. Als der Stolz der wahren Demut wich, verblaßte der Augenschein der materiellen Sinne wie ein Traumbild, dessen man sich nur dunkel erinnert. Unser Wissen der Wahrheit ist die Erkenntnis der Vollkommenheit Gottes und des Menschen als Seines Ebenbildes. Wir bringen das Gute nicht hervor. Wir erkennen es als die einzige Wirklichkeit, und das Böse als etwas Unwirkliches. So verschwinden alle falschen Zeugen. Das ist christlich-wissenschaftliche Behandlung.