Zu allen Zeiten der menschlichen Geschichte haben Menschen wie Völker unterschiedliche Normen des Guten gehabt. Die flüchtige Natur dieser Normen weist auf den ständigen Wandel jener Elemente hin, die sie formten, wie Erziehung, Geschmacksrichtungen, Wünsche und der sich daraus ergebende moralische Ausblick des menschlichen Gemüts und seine sittliche Enthaltsamkeit. In dem Maße, wie diese Elemente von primitiven Ausgangspunkten zu höheren Begriffen fortschreiten, kommt die Norm des Guten, die sich die Menschheit jeweils setzt, der einen absoluten göttlichen Norm näher. Dieses unwandelbare Vorbild des höchsten Guten, das in der Christlichen Wissenschaft offenbart und völlig erklärt wird, ist die Vollkommenheit Gottes, und die makellose Güte und Intelligenz Seines Wesens wird von Seiner Idee, dem Menschen, widergespiegelt.
Die allmähliche Anerkennung dieses wahren Kriteriums für alles menschliche Denken und Handeln zeigt ein Aufdämmern geistiger Erleuchtung durch die Wirksamkeit des geistigen Sinnes an, der die Widerspiegelung der Intelligenz der göttlichen Liebe ist. Normen des Guten sind daher ein Wertmesser für die geistige Entwicklung.
So veränderlich die menschliche Auffassung vom Guten auch sein mag, betrachtet sie dennoch das Leben selbst übereinstimmend als das höchste Gut. Was immer daher für die menschliche Auffassung das Leben zu unterstützen, zu verlängern und glücklicher zu gestalten scheint, wird ihrer Norm des Guten gerecht.
Da diejenigen, die in der Christlichen Wissenschaft nicht unterrichtet sind, die Überzeugung haben, das Leben sei eine Eigenschaft der Materie, werden die Mittel, die es zu gewährleisten und zu erhalten scheinen, wie Nahrung, Arzneien, Geld und dergleichen mehr, von ihnen ebenfalls als materiell angesehen. So gründet das menschliche Gemüt seine Norm des Guten auf eine materielle Basis. Diese Norm, an die Materie und an einen flüchtigen Begriff von Moral und Ethik gebunden, existiert nur für den wandelbaren persönlichen Sinn. Die Unbeständigkeit dieser Norm hat zu viel Unglück und Disharmonie geführt, die nur durch das wissenschaftliche Verständnis vom Guten, wie es in der Christlichen Wissenschaft gewonnen wird, geheilt oder verhütet werden können.
Mrs. Eddy weist auf die Verbindung zwischen der materiellen, irrenden Annahme vom Leben und vom Guten und ihrer Auswirkung auf das menschliche Verhalten hin, wenn sie schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 550): „Die beständige Betrachtung des Daseins als etwas Materielles und Körperliches — als etwas, das Anfang und Ende hat und sich aus den Stadien von Geburt, Verfall und Auflösung zusammensetzt — verbirgt das wahre und geistige Leben und läßt unser Banner im Staube dahinschleifen.“ Hieraus wird ersichtlich, daß niedrige Normen des Denkens und Handelns auf die materielle Daseinsauffassung zurückgeführt werden können und daß eine geistige oder wissenschaftlich wahre Auffassung vom Leben den moralischen und ethischen Ausblick unumgänglich veredeln und so das gesamte Niveau der menschlichen Erfahrung heben muß. Auf diese Weise wird das Verständnis vom Leben, wie es in der Christlichen Wissenschaft offenbart wird, zu einem Einfluß von überragender Bedeutung.
Die Christliche Wissenschaft zeigt deutlich, daß sich die sterbliche Annahme vom Dasein ausschließlich auf materielle Beobachtung gründet, die ein geistiges Folgern und seine wissenschaftliche Untersuchung der Feststellungen des materiellen Sinnes völlig vernachlässigt oder absichtlich ignoriert. Letztere entbehren in Wirklichkeit jeglicher Grundlage, denn es ist weit mehr erforderlich als fünf materielle Sinne, um die endgültige Wahrheit oder die absolute Tatsache des Seins zu beweisen.
Die Christliche Wissenschaft erklärt und beweist in einer durchaus praktischen Weise die rein geistige Natur des Lebens als der Widerspiegelung Gottes, der das eine unendliche Leben, das Gemüt und der belebende Urquell Seines eigenen unendlichen geistigen Universums ist. Und so zeigt die Christliche Wissenschaft, daß kein materielles Mittel, sondern allein das Verständnis von Gott das irdische Dasein des einzelnen unterstützen, verlängern und glücklich gestalten kann.
Es ergibt sich die logische Schlußfolgerung, daß, da Leben Geist ist, auf der illusorischen Ebene der Materialität nichts wirklich Gutes gefunden werden kann. Mrs. Eddy erklärt (ebd., S. 103): „Der höchste Grad des Guten ist der unendliche Gott und Seine Idee, der Alles-in-allem.“ Die wahre Norm des Guten ist daher die Norm von Leben, Wahrheit und Liebe. Je höher unser Verständnis vom göttlichen Leben, um so geistiger ist unser Begriff vom Guten. Nur das Denken oder Handeln, das Gottes unparteiische all-weise Güte ausdrückt, wird den Ansprüchen der unwandelbaren göttlichen Norm gerecht.
Das Verständnis vom unsterblichen Leben als der Widerspiegelung Gottes wird in fortschreitendem Maße die dunkelste Wolke der sterblichen Annahme verscheuchen: die Furcht vor dem Tode — denn dieses Verständnis macht in hohem Maße die nie endende Einheit des Menschen mit Gott klar. So verleiht es uns die Freiheit, unsere Fähigkeiten zu entwickeln und uns eines größeren Maßes an Gesundheit und Erfolg zu erfreuen als je zuvor. Unter der Randüberschrift „Christliche Norm“ versichert uns unsere Führerin (ebd., S. 426): „Das Aufgeben allen Glaubens an den Tod sowie der Furcht vor seinem Stachel würde die Norm der Gesundheit und Moral weit über ihre gegenwärtige Höhe hinausheben und würde uns befähigen, das Banner des Christentums mit unentwegtem Vertrauen auf Gott, auf das ewige Leben, hochzuhalten.“
Wir brauchen niemals ratlos zu sein, wenn es darum geht, festzustellen, ob ein Gedanke, eine Handlung oder ein geplanter Schritt der göttlichen Norm entspricht. Wir brauchen uns nur zu fragen: Steht dieser Gedanke in Einklang mit Gottes vorbehaltloser, all-intelligenter Liebe? Entspricht die Charaktereigenschaft, die ich bekunde, dem von der göttlichen Liebe gesetzten Richtmaß, oder stellt sie einen Kompromiß dar? Ist es das göttliche Gemüt, das mich veranlaßt, diesen Schritt zu tun, oder ist es Ungeduld, Furcht, Vorurteil, Eifersucht oder Habgier?
Wenn wir nur diese Fragen nach reiflicher Überlegung tatsächlich beantworten würden, mit rückhaltloser Ehrlichkeit vor Gott, und dann die Berichtigung und die moralische und ethische Enthaltsamkeit auf uns nähmen, die uns unsere eigene Erkenntnis von der göttlichen Norm des Guten auferlegt, dann würden wir richtig geführt werden und das Gesetz Gottes befolgen.
Um jedoch diese Fragen von unserem höchsten Verständnis von Gott und von Seiner all-weisen Regierung des Menschen aus beantworten zu können, müssen wir wachsam darauf bedacht sein, uns über den Einfluß des menschlichen Willens zu erheben. Der menschliche Wille mag bei dem unbesonnenen Verfolg seiner eigenen rüsksichtslosen Wünsche versuchen, das Denken eines Menschen zu beherrschen und ihn so zu dem Glauben zu verleiten, daß das Böse gut und das Gute böse sei. Um uns gegen diesen aggressiven und zuweilen hinterlistigen Anspruch des fleischlichen Gemüts zu schützen, müssen wir ganz sicher sein, daß unsere Wünsche, Motive und unser Verhalten der göttlichen Norm entsprechen und daß wir kein Verlangen hegen, das des individuellen Zeugen Gottes unwürdig ist.
Der Prophet Micha gab, in Worten, wie sie einfacher nicht zu wählen sind, die grundlegende Regel für ein Leben in Übereinstimmung mit der göttlichen Norm des Guten, als er sagte: (6:8): „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Und Christus Jesus, unser Wegweiser, der die wahre christliche Norm für alle kommenden Zeiten begründete, gab uns folgendes Vorbild für den höchsten Typus des menschlichen Lebens (Matth. 7:12): „Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch. Das ist das Gesetz und die Propheten.“