Unsere geliebte Führerin Mary Baker Eddy sagt in ihrem Buch „Vermischte Schriften“ (S. 3): „Die Lehren, die wir in der göttlichen Wissenschaft annehmen, sind auf alle menschlichen Nöte anwendbar.“ Das grundlegende Bedürfnis für den Jungen oder das Mädchen im Sonntagsschulalter besteht darin, seine gottgegebene Individualität zu demonstrieren. In der Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft lernen die Schüler aller Altersstufen, dies zu tun.
Für mich als Schüler bedeutete es unter anderm eine große Hilfe, daß wir in der Sonntagsschule in der Heiligen Schrift unterwiesen wurden. In der Bibel konnten wir das göttliche Gemüt in Tätigkeit sehen: wir konnten sehen, welche großen Dinge sich ereigneten, wenn das göttliche Prinzip demonstriert wurde. Wir konnten sehen, wie die göttliche Liebe in der Menschlichkeit und geistigen Kraft unseres großen Meisters Christus Jesus und durch Daniel, Paulus und andere Bibelgestalten zum Ausdruck kam.
Der Unterricht in der Sonntagsschule befähigte uns nicht nur, die absolute Wahrheit zu erforschen, sondern auch zu erkennen, wie die Wahrheit auf Erden, hier und jetzt, ausgedrückt werden kann, in Situationen, die den Problemen ähneln, in denen wir uns befanden. Mrs. Eddy weist in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ mit großem Nachdruck auf Prinzip, Regel und Demonstration hin. Gerade dieses wundervolle Gleichgewicht zwischen dem absoluten Prinzip einerseits und den Lebensregeln, die vom Prinzip ausgehen, andererseits, ist es, was für den Sonntagsschüler so wertvoll ist. Er ist dankbar, daß er beides erkennen lernt — seine himmlischen Rechte und seine christlichen Pflichten.
Wie wichtig es ist, Gottes Regeln zu lernen und Ihn als das göttliche Prinzip zu erkennen, kann auf folgende Weise veranschaulicht werden. Als einem Sonntagsschüler kürzlich von der Vollkommenheit des Menschen erzählt wurde, sagte er: „Das ist alles ganz schön, wenn man es weiß!“ Andere Schüler und auch ich selbst hatten manchmal die gleiche Erfahrung. Zu Zeiten mag der Sonntagsschüler die Allheit Gottes, des Guten, wie eine plötzliche göttliche Inspiration wahrnehmen. Ein andermal wieder mag es scheinen, als versuchten wir mit bloßen Augen in die Sonne zu schauen, wenn wir über die gewaltigen Begriffe des göttlichen Lebens, der göttlichen Wahrheit und Liebe nachdenken wollen. In solchen Zeiten schätzt der Sonntagsschüler die Erfahrungen der biblischen Gestalten sehr, und darüber hinaus sucht er nach einer Leitregel, an die er sich halten kann.
Zu den wichtigsten dieser Regeln gehören die Zehn Gebote, die unsere Führerin zu einer der ersten Lektionen in der Sonntagsschule bestimmt. Das Gebot „Du sollst nicht begehren“ (2. Mose 20:17 — n. der engl. Bibel) wendet sich direkt und unmittelbar an das menschliche Verhalten, aber es muß als der Ausdruck von Gottes Willen, der den menschlichen Willen überwindet, erkannt und befolgt werden. Und der Schüler entdeckt, daß jedes einzelne Gebot in seinen täglichen Angelegenheiten außerordentlich weitgehend anwendbar ist.
Der Schüler ist auch dankbar, verstehen zu lernen, wie unsere Lebensregeln, unsere Pflichten bezüglich unseres Verhaltens, als vom göttlichen Prinzip ausgehend erkannt werden können. So sagt uns das Prinzip, daß das göttliche Gemüt Alles ist; was aber ebenso wichtig ist, sind die Regeln, die sich daraus ergeben: um nämlich zu erkennen, daß Gemüt Alles ist, muß der Schüler sein Denken auf die Wahrheit richten, über sie nachdenken, ihr gehorchen, seine Gedanken beobachten und beherrschen. Das Prinzip sagt uns ferner, daß die göttliche Liebe Alles ist; aber der Schüler ist dankbar, wenn er darüber befragt wird, wie die sich daraus ergebende große Regel — die Goldene Regel — betätigt werden kann. Wiederum sagt uns das Prinzip, daß der Irrtum nichts ist; aber der Schüler ist dankbar, die daraus folgende Regel zu lernen, nämlich, daß er arbeiten muß, um zu sehen, daß der Irrtum nichts ist, daß er sich vom Irrtum abwenden, ihn aus seinem Denken auslöschen und mit dem falschen Selbst, wenn nötig, ringen muß.
Diese göttlichen Regeln für das menschliche Verhalten sind so wichtig für den Schüler, wenn er sie befolgt. Er schätzt es zu erkennen, wie er diese Regeln in allen Stadien und Phasen seiner täglichen Erfahrung anwenden kann. Es nimmt ihm das etwa vorhandene Gefühl, daß die Christliche Wissenschaft einer anderen Welt angehöre und unserer Daseinsebene sehr fern läge; und diese Richtigstellung ist wichtig, besonders zu einer Zeit, wo der Schüler vielleicht dabei ist, intellektuelle Gebiete zu erforschen, zum Beispiel die Philosophie und Psychologie, oder sich auf andere Weise scharf mit den Annahmen der Welt auseinandersetzt.
Diese Regeln machen es ihm möglich, ungezwungene und freundliche Beziehungen mit denen zu unterhalten, die keine Christlichen Wissenschafter sind, und das mag für ihn wichtig sein. Diese Regeln zeigen ihm, daß die Christliche Wissenschaft kein menschliches Erbe, sondern eine individuelle Herausforderung darstellt. Sie sind eine Brücke; sie helfen dem Schüler, die wichtigen moralischen Übergangseigenschaften wertzuhalten, die er als notwendige Schrittsteine zum Geistigen hin erkennt; sie helfen ihm, vom Prinzip auszugehen und über die Regel zum dritten Stadium vorzustoßen — zur Demonstration.
Wir wollen jetzt einen anderen Punkt aufnehmen, der auch auf den Wunsch des Schülers, die Christliche Wissenschaft zu demonstrieren, Bezug hat. Etwas, was der Schüler mit am meisten schätzt, ist, einen Sonntagsschullehrer zu haben, der ein freundliches, taktvolles Interesse für die menschlichen Angelegenheiten des Schülers zeigt, mit anderen Worten, ein Interesse dafür, wie er die Christliche Wissenschaft demonstriert, und der daher gut in der Lage ist, ihm bei seinem nächsten Schritt zu helfen. Der Lehrer weiß zum Beispiel vielleicht, daß der Schüler die Oberschule besucht; oder, noch besser, daß er Englisch, Französisch und Geschichte studiert; vielleicht — besser noch — weiß er, daß der Schüler in der nächsten Woche eine Prüfung zu machen hat, der er nicht sehr froh entgegensieht; oder er weiß, daß er nicht so gut Fußball spielt, wie es der Fall sein könnte. Dann kann der Unterricht unpersönlich so gelenkt werden, daß er dem Bedürfnis entspricht.
Die Gelegenheit, den Unterricht dem Verständnis des Schülers von der Christlichen Wissenschaft oder seiner Fähigkeit, sie zu erfassen, anzupassen, ist das Wundervolle an unserer Sonntagsschule. Oft kommt es vor oder nach der Sonntagsschule zu ungezwungenen Unterhaltungen zwischen Schüler und Lehrer.
Ein weiterer Grund zu großer Dankbarkeit liegt darin, daß die Schüler die folgenden Lektionen in der Sonntagsschule durch Fragen und Antworten gelehrt werden. Ich entsinne mich noch genau einiger Fragen, die in der Sonntagsschule an mich gestellt wurden. Gleich anderen habe auch ich festgestellt, daß es viel mehr bedeutete, selbst etwas zu erkennen, als es gesagt zu bekommen. Fragen fordern das Denken heraus und tragen dazu bei, daß man wach und aufmerksam bleibt. Wenn der Schüler einen Fehler, ein falsch eingeprägtes Zitat oder eine Unklarheit im Denken beherbergt, so wird das aufgedeckt und kann sofort berichtigt werden. Das Beantworten von Fragen gibt dem Schüler das starke Gefühl, an Ort und Stelle die Macht des göttlichen Gemüts zu demonstrieren.
Jeder Schüler kann Bibelberichte wiedergeben und so zur Diskussion in der Klasse beitragen. Die Schüler mögen besonders gern solche Fragen, bei denen sie gründlich nachdenken müssen. Folgendes ist eine Frage, auf die sich ein Freund von mir entsinnt und die an die Klasse gerichtet wurde, als der Lehrer mit den Schülern über die von Gott hergeleiteten Eigenschaften des Gehorsams und der Pünktlichkeit sprach: „Welche Möglichkeiten haben wir, dafür zu sorgen, daß wir stets in der Gegenwart leben?“
Als Schüler hatte ich es gern, wenn wir einfache Aufgaben für die nächste Woche erhielten. Ich kann nicht sagen, daß ich sie stets ausführte! Aber oft genügte es, daß die Aufgabe überhaupt gestellt wurde, und ich lernte ein oder zwei Seligpreisungen auswendig, arbeitete einen Bericht aus der Bibel durch oder las die ganze Lektionspredigt oder einen Teil davon. Oft ist es dem Schüler besonders wertvoll, wenn er während des Studiums der Lektionspredigt über einige Fragen nachdenken muß.
Die Schüler selbst sind voller Fragen, und es ist etwas Großes für sie, wenn sie wissen, daß sie keine Hemmungen zu haben brauchen, in der Sonntagsschule die Antworten zu suchen. Diejenigen Unterrichtsstunden bleiben am stärksten in ihrer Erinnerung haften, in denen sich das Gespräch ganz natürlich der Anwendung der Christlichen Wissenschaft auf die Schul- oder Universitätsarbeit zuwendet, oder auf den Sport, auf örtliche, nationale oder weltweite Probleme; auf die Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen; auf die Annahmen von Geschlecht und Vererbung; auf die Ehe und so weiter.
Heutzutage wird, wie Sie wissen, über diese Dinge sehr freimütig und offen und manchmal mit Leidenschaftlichkeit gesprochen, oft in einem überraschend frühen Alter, und es ist manchmal verblüffend für den Schüler zu sehen, wie die Christliche Wissenschaft sozusagen da „hineinpaßt“. Sehr oft ist der Schlüssel für die Antwort in der Lektionspredigt zu finden, und bedachte Leitung bedeutet dem Schüler so viel.
Manchmal mag der Schüler ein Problem haben, das er nicht gern erwähnen möchte, nicht einmal seinem Lehrer gegenüber, geschweige denn vor der ganzen Klasse. Ich weiß von einem Fall, in dem kürzlich dank der geistigen Wahrnehmung, der Geduld und des Verständnisses des Lehrers ein Schüler dazu geführt wurde, nach der Sonntagsschule mit dem Lehrer über ein schwieriges Problem zu sprechen, das das Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen betraf, und um einen Rat zu bitten, wie dieses Problem am besten in der Christlichen Wissenschaft ausgearbeitet werden könnte. Wir können uns gut vorstellen, wieviel die Sonntagsschule diesem Schüler an jenem Tage bedeutete.
Und damit komme ich zu einem letzten Punkt. Wie alle anderen in dieser Ansprache berührten Punkte steht er in einer direkten Beziehung zu unserem Grundgedanken: Der Schüler, der die Sonntagsschule besucht, soll lernen, seine eigene Unabhängigkeit und Individualität zu demonstrieren. Die Sonntagsschule bietet dem Schüler die Gelegenheit, die grundlegenden Werkzeuge der Christlichen Wissenschaft zu ergreifen, läßt ihn aber frei, seine eigenen Lösungen auszuarbeiten. Eines der größten Dinge, die die Sonntagsschule zu bieten hat, besteht darin, in dem Schüler ein Gefühl für seine individuelle Verantwortung zu wecken. Ich weiß, daß dieses Erwachen einigen von uns half, als es galt, gegen eine starke Opposition sehr festzustehen, um eine christlich-wissenschaftliche Hochschulvereinigung an unserer Universität in Wellington ins Leben zu rufen.
So schätzt es der Schüler, wenn er sehr klar erkennen lernt, worum es geht und daß die Entscheidungen bei ihm liegen. Er schätzt es, bei jeder nur möglichen Gelegenheit seine eigenen Erkenntnisse zu sammeln. Dann braucht ihn niemand zu drängen, sich der Kirche anzuschließen oder einen Hochschulkursus in Physiologie zu meiden; wenn aber das Thema gesund und vernünftig diskutiert wird, besonders auf seine eigene Veranlassung, wird der Schüler davon profitieren, wenn einige der Fragen geprüft und geklärt werden. Gerade dieser schöne Ausgleich zwischen dem, was in das Bereich der Hilfeleistung von seiten des anderen gehört, und was der individuellen Entfaltung und Demonstration überlassen bleibt, ist es, was der Schüler so sehr schätzt.
Ich möchte zusammenfassen. Wir haben verschiedene Aspekte der Sonntagsschule behandelt, die den Bedürfnissen des Schülers entsprechen: 1. der Schüler wird in der Heiligen Schrift unterwiesen; 2. es wird ihm Gelegenheit gegeben, das göttliche Prinzip durch eine ausgewogene Wertschätzung seiner himmlischen Rechte und christlichen Pflichten zu erfassen; 3. der Unterricht entspricht seinem Verständnis oder seiner Fähigkeit, das göttliche Prinzip zu erfassen; 4. er wird in den darauffolgenden Lektionen durch Fragen und Antworten unterrichtet; 5. die Fragen und Antworten sind einer Klasse Jugendlicher angepaßt; 6. die Schüler werden die absolute Christliche Wissenschaft gelehrt.
Wir schulden unserer Führerin großen Dank dafür, daß jeder dieser Aspekte der Sonntagsschule, für den der Schüler so dankbar ist, spezifisch oder mittelbar in Artikel XX des Handbuchs Der Mutterkirche von Mary Baker Eddy enthalten ist.