Oft entsteht Freundschaft, wenn gleichartige Ideen mit anderen geteilt werden. Und wenn solche Ideen gut und rein sind, weil sie dem einen Gemüt, Gott, entspringen, dann entsteht eine enge Freundschaft, die echt und beständig ist, weil sie den Lehren der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] entsprechend der Ausdruck des Gemüts ist, die Ausstrahlung der Liebe.
Wir lesen in dem Brief des Jakobus (2:23): „‚Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet‘, und ward ‚ein Freund Gottes‘ geheißen“; und ebenso im 2. Buch Mose (33:11): „Der Herr aber redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet.“
Durch Rechtschaffenheit im täglichen Leben erfaßten diese beiden großen biblischen Gestalten etwas von der wahren Freundschaft. In dem Maße, wie wir uns an das Gesetz des göttlichen Prinzips, Liebe, halten, werden auch wir wahre, unveränderliche Freundschaft oder liebevolle Kameradschaft erleben.
Die göttliche Wissenschaft erklärt, daß Gott Alles-in-allem ist. Daher ist Freundschaft ein Beweis dafür, daß unsere Widerspiegelung von Gott als Liebe allumfassend ist. Jede Seiner Ideen drückt Liebe ganz selbständig, jedoch in vollkommener Übereinstimmung mit jeder anderen Idee aus. Der Mensch, der diese geistige Tatsache demonstriert, wird liebevoller gegen alles und jedermann innerhalb seines Gedankenbereichs, obwohl er zugleich ein sichreres Unterscheidungsvermögen gewinnt.
Wenn in unsere menschlichen Erleben Freundschaft der Annahme entstammt, daß der Mensch sterblich sei, wird sie als etwas von Gott Getrenntes aufgefaßt. Diese Art der Freundschaft wird zuweilen gepflegt, ohne daß man mit dem Herzen dabei ist. Manchmal wird sie nur vorgetäuscht, in dem Versuch, irgendwelchen persönlichen Gewinn daraus herzuleiten, irgendeinen unverdienten Vorteil zu gewinnen oder zu einem selbstsüchtig berechneten Ziel zu gelangen. Da eine solche Freundschaft illusorisch und vergänglich ist, verleumdet und zerstört sie sich selbst.
Unsere Führerin Mrs. Eddy sagt: „Die wir Freunde nennen, scheinen uns den Kelch des Lebens zu versüßen und ihn mit dem Nektar der Götter zu füllen. Wir heben diesen Kelch an die Lippen, aber er entgleitet unserer Hand, um vor unseren Augen in Stücke zu springen“ (Vermischte Schriften, S. 9). Eine Freundschaft, die sich auf menschliche Schwächen gründet, wird schließlich Schiffbruch erleiden.
Wenn sie sich dagegen auf die Wesensverwandtschaft von Ideen gründet, die von dem Gemüt, von Wahrheit, ausgehen, sind freundschaftliche Beziehungen ein freudiges Erlebnis — eine Offenbarung von dem harmonischen Stand des Menschen als des Geschöpfes der Seele, Gottes —, und sie bleiben unberührt von dem Zeugnis der Sinne. Unsere Führerin faßt es in folgende Worte: „Die illusorischen Sinne mögen sich einbilden, daß sie ihrem Gegenteil verwandt sind; in der Christlichen Wissenschaft jedoch vermischt sich Wahrheit niemals mit Irrtum“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 191). Wahre Freundschaft, die sich auf den Felsen geistiger Rechtschaffenheit gründet, ist von Dauer und segnet alle Beteiligten.
Christus Jesus wird von der christlichen Welt als der größte Freund der Menschheit betrachtet. Freund und Feind teilten den Segen seiner Liebe — einer Liebe, die er selbst angesichts überwältigenden Widerstandes ausstrahlte. Durch seine sanfte aber feste Art gewann er andererseits einige außergewöhnliche Freunde.
Einer dieser Freunde war der Apostel Johannes. Ihm übertrug Jesus bei seiner Kreuzigung vertrauensvoll die Sorge für seine Mutter. Aber Jesu eigene selbstlose Liebe war ein fortdauerndes Band, das bis in die Ewigkeit hineinreichte. Sagte er doch (Joh. 15:13): „Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde.“
Wenn Freundschaft die Widerspiegelung der göttlichen Liebe ist, ist sie der Schlüssel zum Weltfrieden. Aber jeder einzelne muß bei sich selbst beginnen, sie zu pflegen. In seinem Bemühen, wahre freundschaftliche Gesinnung zu demonstrieren, macht sich der Anhänger der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] in seinem Denken von der angeblichen Macht des Bösen mit seinen Begleiterscheinungen von Haß, Ungeduld und Furcht frei. Statt dessen hält er an der Allmacht Gottes fest und konzentriert sich darauf, solche christusähnlichen Eigenschaften zum Ausdruck zu bringen wie Demut, Freude, Harmonie, Schönheit, Rechtschaffenheit, Zartheit, Unschuld, Sanftmut und Reinheit.
Sowie er versteht, daß diese und andere geistige Gnadengaben die wahre Selbstheit jedes einzelnen ausmachen, erkennt er, daß Gottes Kinder weder ohne Freunde noch unfreundlich sind, sondern freundlich und von Freunden umgeben.
Der ernsthafte Christliche Wissenschafter ist jederzeit bemüht, Feindseligkeit mit Liebe zu begegnen. Er beachtet Mrs. Eddys Anweisung in ihrem Buch „Vermischte Schriften“, wo sie sagt (S. 11): „Unseren Feinden müssen wir dieselbe Liebe und in gleicher Weise bezeugen wie unseren Freunden; wir müssen sogar versuchen, ihre Fehler nicht bloßzustellen, sondern ihnen Gutes zu tun, wenn immer sich eine Gelegenheit dazu bietet.“ Je herausfordernder der Anspruch der Feindseligkeit auf Identität erscheint, um so nötiger ist es, die Liebe Gottes zum Menschen zu demonstrieren.
Während der Christliche Wissenschafter sich in jeder Weise bemüht, allen Menschen gegenüber, bei voller Unterscheidungskraft, freundlich zu sein, hält er sich weise jeder feindlich gesinnten Gesellschaft fern — es sei denn, seine Pflichten führten ihn dorthin —, damit er nicht dazu hingerissen werde, zum Standpunkt des angeblichen Angreifers hinabzusteigen. Abraham schied sich von Lot, nachdem zwischen ihren Hirten Zank war, aber seine freundschaftliche Gesinnung blieb unverändert. Während Nehemia mit der in Liebe übernommenen Aufgabe beschäftigt war, die Mauern Jerusalems wieder aufzubauen, weigerte er sich strikt, in die Ebene von Ono hinabzukommen — zum Feinde, dem sterblichen Gemüt.
Wenn sich dem Bewußtsein die Liebe Gottes entfaltet, dann findet das im menschlichen Bereich in liebevollen Beziehungen seinen Ausdruck, die denen von David und Jonathan, von Ruth und Naemi ähnlich sind. Die Freundschaft, die diese hingebungsvollen Diener Gottes ausdrückten, weist nicht nur auf persönliche Zuneigung hin. Sie war vielmehr symbolisch dafür, daß die göttliche Idee der Liebe im Bewußtsein beherbergt wurde.
Die Offenbarung wahrer freundschaftlicher Gesinnung findet weiterhin im Überwinden von Feindseligkeit ihren Ausdruck. Ein Beispiel dafür ist Jakobs Erlebnis im Pniel. Nachdem Jakob vor Esau geflohen war, dessen Rechte er an sich gerissen hatte, sah Jakob Gott von Angesicht zu Angesicht; daraufhin trat Liebe an die Stelle von Furcht, und es folgte die Versöhnung. Bei seinem Ringen mit dem Irrtum war ihm klargeworden, daß seinem Bruder keine Feindseligkeit zugeschrieben werden konnte, sondern daß sie in seinem eigenen Bewußtsein durch ihr geistiges Gegenteil ersetzt werden mußte, die Freundlichkeit der Liebe.
Menschen, die guten Willens sind, streben nach dem Ideal eines allumfassenden Friedens, der sich auf gutes Einvernehmen und brüderliche Koexistenz gründet. Dieses Ideal wird demonstrierbar, sowie die Unvollkommenheit, mit der sich die Sterblichen gegenseitig betrachten, einem klareren Begriff vom Menschen als dem Ebenbild der Liebe Platz macht. Dieser Begriff wird durch die Christliche Wissenschaft [Christian Science] gewonnen, zunächst individuell, und dann kollektiv.
Euch aber habe ich gesagt, daß ihr Freunde seid; denn alles,
was ich habe von meinem Vater gehört, habe ich euch kundgetan.
Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch
erwählt und gesetzt, daß ihr hingehet und Frucht bringet
und eure Frucht bleibe, damit, wenn ihr den Vater bittet
in meinem Namen, er's euch gebe. Das gebiete ich euch,
daß ihr euch untereinander liebet. — Johannes 15:15–17.