Alle erleuchteten Religionen empfehlen Selbstverleugnung, und Selbstverleugnung rechter Art ist wahrlich ein notwendiger Schritt auf dem Wege zur Erlösung. Aber die althergebrachte Auffassung von Selbstverleugnung, wozu ein Leben voller Einschränkungen gehört, das Aufgeben vieler normaler Betätigungen und Vergnügen, vielleicht in der Hoffnung auf ein reicheres Leben im Jenseits, ist weit von dem entfernt, was die Christliche WissenschaftChristian Science; sprich: kr’istjən s’aiəns. lehrt. Echte Selbstverleugnung ist erweiternd, nicht einengend; sie öffnet den Weg zu einem Leben voller Genüge, zu größeren Möglichkeiten und erweiterten Fähigkeiten.
Die Bibel sagt: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“ 1. Mose 1:27; In dem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ schreibt Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft: „Der Mensch ist der Ausdruck von Wesen Gottes.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 470; Wir wissen, daß das Wesen Gottes Geist ist, unendliche Intelligenz, hier und jetzt gegenwärtig und allmächtig, die Quelle unbegrenzter Befriedigung und Freude. Der wirkliche Mensch, das Bild oder der Ausdruck Gottes, besitzt nur die göttlichen Eigenschaften und kann auch nur diese Eigenschaften erleben. Das sind grundlegende Wahrheiten, die die Christlichen Wissenschafter im täglichen Leben und im Heilen demonstrieren müssen.
Die Menschen scheinen jedoch oft sehr weit von dem Bild und Gleichnis Gottes, des vollkommenen Gemüts, des vollkommenen Lebens und der vollkommenen Liebe, entfernt zu sein; aber mit Hilfe der Christlichen Wissenschaft können sie damit beginnen und darin fortfahren, den sterblichen Menschen abzulegen und den unsterblichen, vollkommenen Menschen, der dieses Bild ist, anzulegen. Sie können das dadurch tun, daß sie die Wahrheit über den Menschen erkennen und alles in der scheinbaren menschlichen Selbstheit verneinen, was dem Göttlichen unähnlich ist.
Paulus sagte: „Denn wir wissen: wenn unser irdisch Haus, diese Hütte, zerbrochen wird, so haben wir einen Bau von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, daß wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht bloß erfunden werden. Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber wollen nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, auf daß das Sterbliche würde verschlungen von dem Leben.“ 2. Kor. 5:1–4;
Die ungewöhnlichen Worte „überkleidet werden“ deuten folgendes an: selbst während wir noch mit einem Gefühl materieller Persönlichkeit, was mit Leiden zusammenhängt, belastet sind, können wir damit anfangen, die Wahrheit anzunehmen, daß unser wirklicher Körper die geistige Verkörperung der Gedanken Gottes ist; von da aus gehen wir dazu über zu erkennen, daß der materielle Körper nur eine falsche Annahme, unwirklich, ist und schließlich aus unserem Bewußtsein verschwinden muß. Wenn wir anfangen, die Wahrheit über das wirkliche Selbst und den wirklichen Körper des Menschen zu verstehen, nimmt die sterbliche, materielle Annahme geringere Bedeutung an, und das Sterbliche beginnt „von dem Leben verschlungen“ zu werden.
Die Menschen verstehen ihre geistige Individualität nur stufenweise und oft recht langsam. In unserem gegenwärtigen Gedankenzustand ist es ein notwendiger Schritt zu unserem Verständnis von der geistigen Vollkommenheit des Menschen, die Annahme speziell zu verneinen, daß der Mensch materiell sei und einen Körper mit materiellen Organen habe, die in Unordnung geraten könnten. Unsere Führerin Mrs. Eddy schreibt: „Das Verneinen der materiellen Selbstheit hilft zu der Erkenntnis der geistigen und ewigen Individualität des Menschen, und es zerstört das irrige Wissen, das wir von der Materie oder durch das, was die materiellen Sinne genannt wird, erworben haben.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 91;
Das wirkliche Sein des Menschen ist geistig, und es ist weit substantieller als das falsche mentale Bild eines materiellen Körpers; aber dieses falsche bild muß systematisch verneint und aus dem Bewußtsein entfernt werden, weil es anscheinend gegenwärtig fast universell akzeptiert wird.
Die Annahme, daß der Mensch von Gott getrennt sei oder je von Ihm getrennt werden könnte, daß er ein eigenes Gemüt habe, das sich irren könne, muß ebenfalls speziell berichtigt werden. Der Mensch ist allezeit der Ausdruck oder die Widerspiegelung Gottes, und Gott ist sein einziges Gemüt. Da Gott Krankheit nicht sehen kann, kann auch der Mensch als Sein Gleichnis sie nicht erleben. Das Verständnis, daß der Mensch unter keinen Umständen von Gott getrennt werden kann, hat Krankheit geheilt.
Ein Christlicher Wissenschafter wurde einmal von Unterleibsschmerzen befallen, die immer mehr zunahmen, bis er sich plötzlich daran erinnerte, was ihm einmal gesagt worden war: daß Gott ihm näher ist als die Tapete der Wand. Dies heilte seine Furcht sofort, und auch die Schmerzen hörten kurz darauf auf.
Die Annahme von einem unvollkommenen, materiellen Selbst auszulöschen ist ein wichtiger Punkt bei der Heilung. Ihre Antwort auf die Frage: „Wer oder was hat eine Annahme?“ beginnt Mrs. Eddy mit folgenden Worten: „Geist ist allwissend; dies schließt die Notwendigkeit des Annehmens aus. Die Materie kann nicht glauben, und Gemüt versteht. Der Körper kann nicht glauben. Der Annehmende und die Annahme sind eins und sind sterblich.“ S. 487;
Wenn wir versucht sind zu denken: „Ich leide“, oder „Warum erlebe ich keine schnelle Heilung wie andere Leute?“, sollten wir darüber nachdenken, was dieses „Ich“ ist, das nicht geheilt zu werden scheint, Es kann nicht der wirkliche Mensch sein, das Bild und Gleichnis Gottes, denn dieser Mensch kann nicht leiden. Geist kennt keinen leidenden Menschen. Der Mensch muß mental und geistig wiedergeboren werden und somit die Annahme aufgeben, daß er sterblich und dem Leiden unterworfen sei. Wenn wir geistig wach sind, können wir nicht unter vergangenen Disharmonien leiden, denn wir wissen, daß unser wirkliches Sein stets die vollkommene Idee Gottes gewesen ist.
Wohl sind große Sanftmut und Geduld und großes Mitgefühl erforderlich, um die Menschen von dem weitverbreiteten Glauben an ein persönliches Selbst, das leiden kann, frei zu machen. Aber die Liebe, die Gott ist, kann jedem dieses neue und wahre Gefühl von Leben bringen. Sowohl die Annahme von Krankheit wie auch der Annehmende — die nach Mrs. Eddy eins sind — sollten aus unserem Denken so schnell wie möglich entfernt werden, damit eine ständige Heilung herbeigeführt wird.
Alles Leiden heftet sich an die Annahme von einer sterblichen Persönlichkeit; und wenn diese Persönlichkeit als ein unwirkliches mentales Bild erkannt wird, verliert die Annahme von Leiden ihren Halt. Der scheinbar Leidende kann aktiv an der Zerstörung sowohl der Annahme wie auch der Sichtbarwerdung der Krankheit mitarbeiten, und er wird dabei einen großen Nutzen davontragen.
Einige Leute werden uns erzählen, wie aktiv sie waren, bevor sie von der Krankheit befallen wurden; und dies mag ein Hinweis auf die enttäuschten Erwartungen sein, daß ihre scheinbar verlorengegangene Vitalität ohne irgendeine Veränderung ihres Wesens wiederhergestellt werden sollte. Aber unsere Gesundheit sollte sich nicht auf die Annahme von einem gesunden physischen Körper gründen, denn diese mag von einer Gesundheitsannahme in eine Krankheitsannahme übergehen. Wirkliche Gesundheit und der wirkliche Körper sind geistig, nicht physisch; und wir können einen anhaltenden Gesundheitszustand nur dann erreichen, wenn wir klar erkennen, daß er sich auf das vollkommene Leben, oder Gemüt, das Gott ist, gründet und von ihm untrennbar ist.
Die Wirklichkeit entfaltet sich immerdar, und in dieser fortwährend aktiven Vollkommenheit ist kein Platz für ein von Gott getrenntes Selbst; alles, was besteht, ist die vollkommene geistige Individualität Gottes und Seiner Widerspiegelung, des Menschen, der die Offenbarwerdung und der Beweis der Allgegenwart Gottes ist. In dem Verhältnis, wie die vollkommene und geistige Natur des Menschen verstanden wird, verliert der Mensch seinen Glauben an die Krankheit oder an ein zu Krankheit neigendes Selbst, und Gesundheit wird auf eine neue und unanfechtbare Basis gestellt.
Ebenso wie das Leugnen der Annahme von einem Selbst, das krank sein kann, zur Heilung von Krankheit beiträgt, so erweitert das Leugnen einer begrenzten menschlichen Selbstheit unsere Fähigkeiten in jeder rechten Richtung. Die Offenbarwerdung Gottes ist nicht unfähig, noch mangelt es ihr an Versorgung. Wahre Demut liegt nicht darin, daß wir unsere Macht herabsetzen, sondern daß wir keine andere Macht als die Macht Gottes beanspruchen und kennen. Christus Jesus, der mehr als irgendein Mensch erreichte, sagte: „Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern nur was er sieht den Vater tun; und was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn. Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut.“ Joh. 5:19, 20.
Der wirkliche Mensch erlebt jederzeit Freude und Glück. Die feste Behauptung, daß Freude der gegenwärtige und ewige Besitz des Menschen ist, trägt dazu bei, von einem Gefühl der Begrenzung zu befreien; das Leugnen der falschen Selbstheit, die unglücklich zu sein scheint, ist eine mächtige Waffe beim Überwinden von Schwierigkeiten und hilft uns, das Leben voller Genüge zu finden, das Jesus verhieß.
In einer Hinsicht mag wissenschaftliches Selbstverleugnen auf den ersten Blick einschränkend erscheinen: ein Christlicher Wissenschafter muß es unterlassen, sündigen oder sinnlichen Praktiken zu frönen, und ihnen jede Anziehungskraft absprechen. Aber diese scheinbare Beschränkung ist in Wirklichkeit eine Befreiung, denn solche Praktiken führen dazu, denjenigen, der sich ihnen ergibt, zu versklaven und ihn daran zu hindern, die weit befriedigenderen geistigen Freuden und Gelegenheiten zu einer wirklichen Erfüllung zu erleben. Sinnliches Treiben führt zu der falschen Auffassung von einem sterblichen Selbst, was die Demonstration von Geistigkeit verhindert, und arbeitet dem wissenschaftlichen Leugnen dieser falschen Selbstheit entgegen.
Das begrenzte, menschliche, unvollkommene Selbst zu leugnen und die unendliche, vollkommene, geistige Individualität zu beanspruchen, Sünde und Sinnlichkeit zu leugnen und die Freiheit des geistigen Seins zu beanspruchen und sich die Untrennbarkeit des Menschen von Gott zu vergegenwärtigen öffnet den Weg zu der natürlichen Herrschaft und dem natürlichen Frieden, die das Verständnis von Gott und dem zu Seinem Bilde geschaffenen Menschen, ohne einen Makel materieller Persönlichkeit oder Begrenzung, begleiten.
