Wohl jeder wird dem beipflichten, daß man erst denken und dann handeln sollte. Wir tun jedoch gut daran, uns zu fragen, wann wir mit diesem Denken beginnen sollten, besonders bei unvorhergesehenen Ereignissen, wenn sofortiges, offenbar instinktives Handeln notwendig zu sein scheint. Ebenso scheint keine Zeit zum Denken zu sein, wenn wir durch eine plötzlich wachgerufene feindselige Einstellung dazu provoziert werden, auf eine ungerechtfertigte Kritik zu antworten oder eine persönliche Kränkung zurückzuweisen, obwohl wir uns darüber im klaren sind, daß eine ärgerliche Antwort unsere menschlichen Beziehungen oder sogar unsere Zukunft ernstlich gefährden könnte.
Ferner gibt es Fälle, wo wir plötzlich vor die Notwendigkeit gestellt werden, umgehend zwischen verschiedenen Arten des Vorgehens zu wählen, ohne Gelegenheit gehabt zu haben, die verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen.
Wenn eine impulsive, rasche Erwiderung und ihre Folgen oder eine Entscheidung an Ort und Stelle und deren Auswirkungen von der Qualität des Denkens abhängen, das dazu geführt hat, ist es dann nicht eigentlich zu spät, über unsere Antwort erst in dem Augenblick nachzudenken, in dem eine solche Situation eintritt? Können wir ohne richtige Vorbereitung unseres Denkens mit persönlicher Empfindlichkeit und dem Druck ihrer gefühlsbedingten Reaktionen fertig werden? Wie können wir sicher sein, daß das, was wir in solchen kritischen Augenblicken denken oder sagen mögen, uns selbst und allen Betroffenen gerecht wird?
Die Christliche Wissenschaft hat uns das Licht der zeitlosen Wahrheit gebracht und es auf diese lebenswichtigen Fragen gerichtet. Die Antworten, die es uns offenbart hat, schließen die Möglichkeit, ja die Gewißheit ein, daß wir das plötzliche Auftreten persönlicher Empfindlichkeit nicht nur erfolgreich handhaben, sondern sogar ihr Entstehen verhindern können. Ihre Antworten enthalten die Möglichkeit, augenblicklich richtige Entscheidungen zu treffen und ein gutes und glückliches Leben zu führen, das reichlich mit allem notwendigen Guten ausgestattet ist. Voraussetzung ist jedoch, daß der Betreffende die Lehren dieser Wissenschaft versteht und liebt und sie von ganzem Herzen anwendet.
Die Christliche Wissenschaft stellt unser ganzes Denken für die Dauer und nicht nur für eine bestimmte Gelegenheit auf die sichere Grundlage des Christus, der Wahrheit, und offenbart Gott als das eine unendliche Gemüt oder die Wahrheit und den Menschen als Seinen vollkommenen, intelligenten, geistigen Ausdruck. Sie bringt uns hierdurch unter die ununterbrochene Führung und Herrschaft unseres allweisen Vater-Mutter Gottes, der göttlichen Liebe, und wir haben die uns von Gott verliehene Macht, Seine immer verfügbare Weisheit und Güte widerzuspiegeln und auszudrücken.
Wenn wir ohne jede Vorwarnung wichtige Entscheidungen treffen müssen oder wenn eine falsche persönliche Auffassung von uns selbst und anderen uns dazu bringen möchte, hastige und oft unglückselige Antworten auf unerwartete Herausforderungen zu geben, dann werden diejenigen, die fest auf dem Boden der Christlichen Wissenschaft stehen und verständnisvoll ihre Koexistenz mit Gott behaupten, auch in solchen kritischen Situationen gelassen bleiben.
Die Mahnung „erst denken“ bedeutet für den hingebungsvollen Christlichen Wissenschafter in Wirklichkeit, den Christus, die Wahrheit, jederzeit zu verstehen und zu leben. Dies wird sein ganzes Denken, seine Norm des Guten und seine Auffassung von dem wahren Wesen des Menschen umwandeln und ihm seine gottverliehenen Fähigkeiten und seine Bestimmung kundtun. Wenn er dem immer tätigen, liebevollen Gemüt aller bewußt die Treue hält, wird er geistige Selbstbeherrschung gewinnen; er wird die Fähigkeit erlangen, die göttliche Idee, die er braucht, zu erkennen, sogar augenblicklich, falls die Situation es erfordert. Und er wird der ununterbrochenen Führung des Gemüts bereitwillig folgen. Dann wird sein Denken unaufhörlich das göttliche Gemüt widerspiegeln, und die Mahnung „erst denken“ wird sein dauernder Leitsatz werden.
Die Weisheit, die der absoluten Güte der göttlichen Liebe, des einzigen Gemüts, innewohnt, ist jeder Forderung gewachsen und steht uns in jeder Notlage bei. Wenn wir freudig und unaufhörlich unser ganzes Denken ihrer Führung unterordnen, wird sie den Aufruhr des persönlichen Sinnes zum Schweigen bringen. Sie wird uns helfen, uns über die kleinliche Empfindlichkeit des persönlichen Sinnes, über seine Befürchtungen und materialistischen Beweggründe zu erheben. Was wir dann in einem kritischen Augenblick sagen oder tun, wird der natürliche Ausdruck unseres vergeistigten Denkens sein, unseres uns von Gott verliehenen Charakters, und es wird uns und alle, mit denen wir zu tun haben, segnen, denn wir werden uns dann die Intelligenz der göttlichen Liebe zunutze gemacht haben. Dann wird unsere Erwiderung auf die Herausforderungen des sterblichen Gemüts sicherlich der schönen poetischen Beschreibung in den Sprüchen gleichkommen: „Ein Wort, geredet zu rechter Zeit, ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen.“ Spr. 25:11;
Es kann keine Situation, keine kritische Prüfungszeit geben, die eine rasche Antwort verlangt, wo die rettende Idee des Gemüts nicht gegenwärtig wäre, um von uns wahrgenommen und ausgesprochen oder in die Tat umgesetzt werden zu können. Ein Christlicher Wissenschafter vertraut voll und ganz auf die Zusicherung, die unsere Führerin, Mrs. Eddy, uns gibt: „Wisset denn, daß ihr unumschränkte Macht besitzt, richtig zu denken und zu handeln, und daß nichts euch dieses Erbes berauben und gegen die Liebe verstoßen kann. Wenn ihr auf diesem Standpunkt beharrt, wer oder was könnte euch veranlassen, zu sündigen oder zu leiden?“ Pulpit and Press, S. 3;
Wie vollkommen beschreibt doch diese Erklärung die Haltung, die Christus Jesus angesichts der kritischen Herausforderungen des fleischlichen Gemüts einnahm! Die Geschichte kennt kaum jemanden, der wie der Meister mit solchen Forderungen nach augenblicklichen Antworten konfrontiert wurde, die sehr wohl die Volkswut gegen ihn entfachen konnten. Bei einer Gelegenheit in Jerusalem hofften die Juden, ihm eine Falle stellen zu können, als sie ihn aufforderten, öffentlich zu erklären, ob er der Sohn Gottes sei oder nicht. Seine Antwort war weder ein gefühlsbetonter Ausbruch von Verbitterung darüber, mißverstanden worden zu sein, noch ein ängstlicher Kompromiß mit der Wahrheit, um die mörderischen Absichten des Pöbels zu beschwichtigen.
Seine Erwiderung voll erhabener Würde, Intelligenz und Macht war eine einfache, ruhige, erneute Bejahung der Wahrheit. Sie war das natürliche Ergebnis seines erhobenen Denkens, das er sein Leben lang geübt hatte und das sich auf sein angeborenes Verständnis des Christus gründete: „Ich habe es euch gesagt, und ihr glaubet nicht. Die Werke, die ich tue in meines Vaters Namen, die zeugen von mir.. . Ich und der Vater sind eins.. . Tue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubet mir nicht; tue ich sie aber, so glaubet doch — wollt ihr mir nicht glauben — den Werken, damit ihr zur Erkenntnis kommt und in ihr bleibt, daß der Vater in mir ist und ich in ihm.“ Joh. 10:25, 30, 37, 38; Obwohl die Menge über diese ihrer Meinung nach gotteslästerliche Antwort in Wut geriet und ihn zu steinigen suchte, ging er unversehrt seinen Weg.
Christliche Wissenschafter können jeder Krise mutig entgegentreten, wenn sie sich verständnisvoll an die Erklärung ihrer Führerin halten: „Unsere Gewißheit beruht auf unserer Zuversicht, daß wir tatsächlich in der Wahrheit und Liebe weilen, des Menschen ewiger Wohnstätte“ Pul., S. 3; — nicht nur bei einer einzigen Gelegenheit, sondern allezeit. Und in Nein und Ja faßt Mrs. Eddy die sichere Führung und die wohlwollende Herrschaft, die die Christliche Wissenschaft über das Denken ihrer hingebungsvollen Anhänger ausübt, folgendermaßen zusammen: „Der Wesenskern dieser Wissenschaft ist rechtes Denken und rechtes Handeln — und dies führt uns dazu, Geistigkeit zu erkennen und geistig zu sein, Gott zu verstehen und Ihn zu demonstrieren.“ Nein und Ja, S. 12. Dieses Verständnis, dieses vergeistigte Denken, wird immer jeder Notlage zuvorkommen.