Die Ausübung der Christlichen Wissenschaft ist in der heutigen Welt die wichtigste Arbeit. Sie erfüllt des Meisters Mahnung an seine Jünger, „zu predigen das Reich Gottes und zu heilen“ Luk. 9:2 ;.
Jeder aufrichtige Christliche Wissenschafter ist in gewissem Sinne ein Ausüber. Er lernt, den Angriffen, denen er durch die Einflüsterungen des sterblichen Gemüts ausgesetzt ist, mutig entgegenzutreten und dessen Behauptung, es könne die menschliche Erfahrung beeinflussen, zu leugnen und zunichte zu machen. Sogar kleine Kinder lernen schon die Wahrheiten des geistigen Daseins anzuwenden. Wenn einem aber der Gedanke an die Ausübung als Beruf kommt, dann läßt man sich oft durch die anmaßenden Einflüsterungen, man habe keine Zeit, sei noch nicht bereit oder willig, daran hindern, diesen geistigen Schritt zu tun, der wohl hohe Anforderungen an uns stellt, aber uns auch großen Fortschritt bringt.
Die öffentliche Ausübung der Christlichen Wissenschaft muß in einem beruflichen Rahmen gesehen werden. Sie wird großenteils schon als ein erprobtes und geachtetes Heilverfahren anerkannt. Einige Versicherungsgesellschaften, Gemeindeverordnungen und Landesgesetze und sogar die Bundesregierung der Vereinigten Staaten haben die Ausübung der Christlichen Wissenschaft als Berufsstand wirksam akzeptiert und anerkannt. Können wir als Christliche Wissenschafter die Tragweite dieses Fortschritts schon richtig ermessen? Da die öffentliche Ausübung der Christlichen Wissenschaft ein Beruf ist, muß die Gebühr für die Behandlung der in anderen ausübenden Berufen entsprechen. Nur wenn wir selbst den Beruf achten und bereit sind, ihn auf die ihm gebührende Stufe zu heben, haben wir richtig angefangen.
Ein öffentlicher Ausüber der Christlichen Wissenschaft zu werden sollte der freudigste Schritt vorwärts sein, den man jemals tut. Er fordert aber auch am meisten von uns. Der Ausüber muß eine tiefe Liebe zu Gott und Seiner höchsten Schöpfung, dem Menschen, haben. Er muß auch eine tiefe Wertschätzung für den Christus haben, die Kundwerdung Gottes, die die menschlichen Nöte stillt. Er muß ein inniges und erleuchtetes Empfinden dafür haben, welchen Platz unsere Führerin, Mrs. Eddy, einnimmt. Sein Denken muß selbstlos werden, und sein Wunsch zu dienen muß zwingend sein. Diese Auffassung gewinnt man durch regelmäßiges und hingebungsvolles Studium der Bibel, des Buches Wissenschaft und Gesundheit und der anderen Schriften von Mary Baker Eddy sowie auch der Lektionspredigten im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft und durch unaufhörliches Gebet. Ein abgekürztes Verfahren zur Erlangung dieses vertieften und lebendigeren Denkens gibt es nicht.
Der Christus, wie ihn die Christliche Wissenschaft enthüllt, ist das ausgedrückte Wort, die göttliche Idee, die im menschlichen Bewußtsein aufdämmert, wenn man sich seines völlig geistigen Ursprungs und Daseins bewußt wird. In dem Maße, wie man sein Denken Gott und Seiner geistigen Schöpfung zuwendet, wird man durch den Christus-Geist oder das geistige Bewußtsein über die Knechtschaft des materiellen Daseins erhoben, zu der Erkenntnis der gegenwärtigen und ewigen Tatsache des Seins, daß man Gottes Kind ist. So kommt dann der Christus in die Erfahrung des einzelnen und stärkt sein Gefühl für das Einssein oder die Einheit mit Gott.
Wenn es Ihnen immer klarer wird, daß Gott Ihr Denken in der Vergangenheit regiert hat, und Ihr Denken sich jetzt mit der Möglichkeit des Ausübens vertraut gemacht hat, können Sie sicher sein, daß Gott Ihnen den Weg auftun wird. In unserem Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit heißt es: „Wir wissen, daß ein Verlangen nach Heiligkeit erforderlich ist, um Heiligkeit zu gewinnen; wenn wir aber Heiligkeit mehr als alles andere begehren, so werden wir alles für sie opfern.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 11; Wenn das Ihre Einstellung ist, dann sind Sie so weit, daß Sie mit dieser erhabenen Arbeit beginnen können.
Wie alles neue Wachstum, so muß auch dieser zarte Ausdruck tätiger Liebe sorgfältig behütet werden. Das sterbliche Gemüt wird nämlich viele Einflüsterungen geltend machen, um diesen Schritt vorwärts zu verhindern. Seien Sie versichert, daß die Behauptung, es gebe eine entgegengesetzte Macht, nicht als Wirklichkeit behandelt, sondern als falsche Anmaßung verneint und zunichte gemacht werden muß. Wenn man voll ruhiger, klarer Überzeugung weiß, daß Gott den Weg aufgetan hat und so die Harmonie des Lebens erhält und aufrechterhält, dann wird das viel zur Vernichtung der Furcht beitragen. Wenn Sie erkennen, daß diese Tätigkeit der Vitalität des Geistes entspringt, der Überzeugung der Wahrheit und dem unmittelbaren und gesegneten Wirken der göttlichen Liebe, dann sind Sie sicher, daß Sie in aller Ruhe in der rechten Richtung vorankommen. Wenn wir durch die Erkenntnis der Güte der göttlichen Liebe, die sich in ihrer Widerspiegelung, dem Menschen, ausdrückt, die Arbeit von unserem Selbst trennen, so befreit uns das von einem Gefühl persönlicher Verantwortung und der Befangenheit.
Betrachten wir nun einmal einige der besonderen Argumente, die vielleicht jemandem, der diesen Schritt zu tun gedenkt, zu schaffen machen. Wohl die häufigste Entschuldigung ist, daß wir zwar gern möchten, aber noch nicht dafür bereit seien. Bereit wozu? Bedeutet das, daß wir noch nicht bereit sind, persönliche Vergnügungen und unsere eigenen Wünsche aufzugeben? Wenn das der Fall ist, so müssen wir um den rechten Beweggrund beten. Wir müssen darum beten, das Gemüt zu haben, das auch in Christus Jesus war. Unsere Liebe muß so stark sein, daß wir gar nicht anders können, als unserem Bruder zu helfen. Das wird sich in größerer Demut und einem tieferen Gefühl für Gottes Liebe zum Menschen äußern. Unser Interesse muß über das hinausgehen, was die Christliche Wissenschaft für uns tun kann, und muß auch dem gelten, was sie für die ganze Menschheit zu tun vermag. Damit wird unsere Liebe zu unserer großen Sache wachsen, und unsere Willigkeit, der Sache der Christlichen Wissenschaft zu dienen, wird in gleichem Maße zunehmen.
Vielleicht die beliebteste Behauptung des sterblichen Gemüts ist: „Ich weiß nicht genug. Ich muß noch sehr wachsen.“ Müssen wir das nicht alle? Der fähigste Metaphysiker aller Zeiten, unser Herr und Meister Christus Jesus, bekannte demütig und auf vielerlei Weise, daß er in allem, was er wissen mußte, und in allem, was er tat, völlig von Gott, dem Vater, abhängig war. Im Johannesevangelium heißt es: „Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern nur was er sieht den Vater tun; und was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn.“ Joh. 5:19;
Unsere Führerin studierte ernsthaft die Bibel und das Lehrbuch. Ihr ganzes Leben hindurch suchte sie nach neuer Erkenntnis und einem tieferen Verständnis von Gott. Keiner von uns begreift die Allheit Gottes völlig. Wir erhaschen nur eben einen Schimmer von der Unendlichkeit des Seins. Aber jeder Schimmer versichert uns stetigen Fortschritts, stärkt unsere Überzeugung und macht uns begierig, mehr zu erfahren. Aktive Ausübung schließt ein, daß wir uns die Zeit nehmen, das Studium des geistigen Daseins mit Hingabe und tiefer Ehrfurcht zu betreiben. Jeder Schimmer wird mehr Demut mit sich bringen, denn mit jeder neuen Entfaltung wird die Unermeßlichkeit der Wahrheit über Gott, der Wahrheit über den Menschen und der Wahrheit über ihre Beziehung zueinander augenscheinlicher. Je mehr wir vom geistig Guten erschauen, desto mehr werden wir sehen wollen.
Ein weiteres Hindernis für die Ausübung ist, daß wir glauben, wir könnten nicht über die Wahrheit sprechen. Wir fühlen sie, sagen wir, aber wir können sie nicht zum Ausdruck bringen. Das sterbliche Gemüt hat diese Schwierigkeit, nicht aber der wirkliche Mensch. Das sterbliche Gemüt hat keine Kenntnis von der Wahrheit, während der geistige Mensch nichts als die Wahrheit kennt. Das Ausdrücken der Wahrheit hängt nicht von einer besonderen Ausbildung ab, es ist ein Geschenk Gottes. Es kommt still, ohne Ankündigung, in dem Maße, wie wir unser Dasein vom Selbst befreien lernen. Gott ist immer gegenwärtiger, alles durchdringender göttlicher Geist, dessen göttliche Triebkraft den Menschen zum Handeln bewegt und anregt. Diese Erkenntnis löst einem die Zunge und verleiht der natürlichen Ungezwungenheit der Seele Ausdruck. „Ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.“ Matth. 10:20.
Wir können diese Wahrheit in unserem Leben beweisen, wenn wir die großen Tatsachen des geistigen Daseins bereitwillig mit empfänglichen Nachbarn und Freunden teilen, wenn wir ihr in unseren Mittwochabend-Zeugnisversammlungen mehr Ausdruck verleihen und uns die Wahrheiten des Seins den ganzen Tag hindurch immer wieder still vor Augen führen. Das zerstört schnell Befangenheit, Furcht und mangelndes Zutrauen zur eigenen Fähigkeit und enthüllt Gott und den Menschen als untrennbar in ihrem aktiven Ausdruck.
Und unsere augenblicklichen Aufgaben, die anscheinend unserem Fortschritt auf dem Wege zur Ausübung entgegenstehen? Wenn das Verlangen und die Befähigung zum Ausüben in Ihnen wach geworden sind, dann wird ernstes und gewissenhaftes Gebet all das dem göttlichen Plan unterordnen. Wenn man die Tatsache, daß der Mensch jetzt und immerdar an seinem richtigen Platz ist, immer in dem, was seines Vaters ist, weil er ganz natürlich die Widerspiegelung der Gottheit ist — wenn man diese Tatsache beständig im Gedanken festhält, dann führt einen das in der rechten Richtung vorwärts. Der Tumult des Eigenwillens, Starrheit des Denkens und dergleichen möchten unsere Fähigkeit, auf das stille sanfte Sausen der Wahrheit zu lauschen, beeinträchtigen. Liebe, Demut, Wohlwollen und Geduld werden jedoch Kanäle schaffen, durch die die Botschaft der Liebe gehört und verstanden wird.
Schreiten Sie also in der Stärke und mit dem Mut Ihrer Überzeugung vorwärts! Sie werden froh darüber sein. Es gibt in der ganzen Welt keine befriedigendere Arbeit.
Siehe, ich stehe vor der Tür
und klopfe an.
So jemand meine Stimme hören wird
und die Tür auftun,
zu dem werde ich eingehen
und das Abendmahl mit ihm halten
und er mit mir.
Offenbarung 3:20
