Wer neu oder verhältnismäßig neu in der Christlichen Wissenschaft ist, stellt sich gewiß einmal die Frage: „Wann werde ich andere heilen können?“ Die Frage ist wichtig, da sie sich auf eine Reifestufe bezieht, die er zu erreichen wünscht. Sie ist jedoch noch wichtiger, weil sie ein Zeichen dafür ist, daß er in seinem Bestreben, wirksamer zu lieben, Fortschritte macht.
Die Christliche Wissenschaft ist die Wissenschaft der betätigten Liebe. Sie ist nicht nur darauf bedacht, der Menschheit den höchsten Begriff von der Gottheit zu offenbaren, sondern durch die Anwendung dieses Begriffs Harmonie in das menschliche Leben zu bringen.
Mrs. Eddy sagt uns in dem Buch Wissenschaft und Gesundheit: „Die Göttlichkeit des Christus wurde in der Menschlichkeit Jesu offenbar.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 25; Jene Göttlichkeit war von solcher Art, daß sie die Menschen mit Ehrfurcht erfüllen konnte, doch sie war auch praktisch genug, um die Hungrigen zu speisen und die Kranken zu heilen. Christus Jesus kam, um uns den himmlischen Vater zu zeigen, aber er stand nicht in einer Synagoge auf, um verehrt zu werden. Er nahm Gott mit auf den Marktplatz, und mit dem Finger Gottes, der Liebe, berührte er die unberührbaren Aussätzigen mit umwandelndem Erbarmen. Dadurch, daß er zeigte, was Liebe tut, bewies er, was Gott ist. So bittet der Neuling in der Christlichen Wissenschaft, der nicht nur geheilt werden, sondern auch heilen will, um ebendas, was Gott uns zuteil werden läßt — mitteilsame Liebe.
Diese Liebe ist nicht für morgen, sondern für heute. Zu reifen, „zur Reife des Mannesalters, zum vollen Maß der Fülle Christi“ Eph. 4:13; zu kommen — ein Ziel, das wir alle schließlich erreichen müssen —, besteht nicht darin, geistige Wahrheiten in uns aufzunehmen, bis wir genügend von ihnen verkörpern, um Heiler zu sein. Wir wachsen nur, wenn wir der Wahrheit gemäß leben, nicht wenn wir Wahrheiten für später aufspeichern. Die Zeit zu leben ist jetzt; und ehe wir die Wahrheit nicht verstanden haben, können wir nicht ihr gemäß leben und sie anwenden.
In dem Augenblick, wo ein Charakterfehler oder eine Annahme von körperlichen Schwierigkeiten als eine Lüge über Gottes Schöpfung erkannt wird, weil die entsprechende aufschlußreiche Wahrheit in das menschliche Bewußtsein eingelassen wurde, in dem Augenblick, wo wir das wahre Licht, oder das Licht der Wahrheit, erschauen, „welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen“ Joh. 1:9;, in dem Augenblick, wo unser tiefes, geistiges Bewußtsein etwas von dem lügenden materiellen Wissen auslöscht: in ebendem Augenblick tut sich Gott in uns als heilende, mitteilsame Liebe kund.
Inwieweit wir die göttliche Liebe praktisch widerspiegeln, hängt von unserem Verständnis von der Wahrheit ab, denn Gott ist sowohl Liebe als auch Wahrheit, und wir können das eine nicht ohne das andere haben. Wenn wir auch menschlich auf die Gotteskindschaft in ihrer ganzen Fülle hinarbeiten, bekunden wir täglich und unweigerlich etwas von der Kindschaft. Wir werden alle in dem Maße Heiler, wie wir von der Wahrheit erhoben und geläutert werden, denn Wahrheit bringt bei uns mitteilsame, heilende Liebe hervor.
Der Neuling in der Christlichen Wissenschaft wird Beweise dafür haben, daß er einen besseren Einfluß auf andere ausübt. Er wird erleben, wie nervöse Leute ruhiger werden, wenn sie sich mit ihm — nicht unbedingt über Religion — unterhalten. Er wird feststellen, daß niedergeschlagene Menschen in seiner Gegenwart wieder Mut fassen. Bedeutet das nicht Heilen? Und in einem gewissen Sinne sind wir alle jeden Tag Anfänger, denn wir haben stets neue Wahrheiten zu lernen.
In Christi Jesu Gegenwart wurden sich die Menschen in größerem Maße Gottes, des Guten, bewußt. Dieses gestärkte Bewußtsein erweckte oft den schlummernden Glauben, daß selbst Krankheiten, die sie schon lange Zeit gehabt hatten, geheilt werden konnten. Doch die vielen verschiedenen Menschen, die den Meister umdrängten, müssen unterschiedliche Grade der Ermutigung gespürt haben.
Die Menschen nehmen Gott am besten durch diejenigen wahr, die eine Transparenz für Wahrheit geworden sind. Sie sehen in anderen umgewandelten Männern und Frauen eine Möglichkeit, die sie vielleicht nicht zu erhoffen gewagt hatten — ihre eigene Umwandlung. Mrs. Eddy schreibt: „Die göttliche Natur fand ihren höchsten Ausdruck in Christus Jesus, der den Sterblichen die wahrere Widerspiegelung Gottes leuchten ließ und ihr Leben höher hob, als ihre armseligen Gedankenvorbilder es gestatteten — Gedanken, die den Menschen als gefallen, krank, sündig und sterbend darstellten.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 259. Wenn wir dem Meister unserem Verständnis gemäß in der Demonstration der Wahrheit folgen, lassen auch wir unwillkürlich anderen eine wahrere Widerspiegelung Gottes leuchten und heben dadurch ihr Leben höher.
Der Neuling in der Christlichen Wissenschaft braucht sich nicht zu fragen, wann er zu heilen bereit sein werde. In dem Verhältnis, wie er die Wahrheit versteht, wird er unabänderlich zum Heiler. In dem Maße, wie das Gute in ihm wohnt, muß selbst ein unausgesprochener Gedanke, sein persönlicher Einfluß, abgesehen von seinen unmittelbaren Absichten, die Werke Gottes, des Guten, tun.
Jesus heilte die Frau, die ihn berührte. Besser gesagt, der Christus, die Wahrheit, der sich Jesus so ganz aufgetan hatte, fand in ihm eien klare Transparenz, durch die er dem sehnenden Glauben der Frau machtvoll entsprechen konnte. Insoweit als wir christlich, von der Wahrheit erneuert sind, lassen auch wir das Licht für andere durchscheinen.
Wenn Gott mehr und mehr durch uns spürbar wird, werden sich zu gegebener Zeit die Kranken, die Einsamen, die Armen an uns um Hilfe wenden. Dann sind wir frei, spezielle, anhaltende Behandlungen zu geben, die von Gebet getragen sind. Jedoch zu glauben, daß das Heilen nicht beginne, bis wir diesen Punkt erreicht haben, ist wie die Annahme, daß niemand Klavier spielen könne, bis er Konzertpianist geworden sei.
Und wenn der Anfänger versucht ist, sich einzureden, sein Einfluß zum Guten müsse gering sein, weil er wenig Erfahrung habe, dann sollte er über die Tatsache nachdenken, daß es genaugenommen nicht so etwas gibt wie eine „unbedeutende Heilung“. Jedesmal, wenn wir uns oder andere durch das Verständnis von der Wahrheit heilen, ist es eine Demonstration, ein Beweis der gewaltigen Tatsache, daß Gott allgegenwärtig ist. Dadurch wird auf praktische Weise erneut auf die grundlegenden Lehren der Christlichen Wissenschaft Nachdruck gelegt, daß Gott, das Gute, Alles ist, daß der Mensch Sein Bild und Gleichnis ist und daß das Böse nichts ist und vergeblich etwas zu sein beansprucht. Das volle Verständnis von dieser Wahrheit ist für die Menschheit der Weg zum Himmel, zur Harmonie, und es ist der einzige Weg.
Daher hilft schon heute jeder Christliche Wissenschafter, der daran arbeitet, eine immer klarere Transparenz für die Wahrheit zu werden — ob er sich nun Anfänger nennt oder nicht —, die Welt zu heilen.
