Eine Kirche ist ein massives Gebäude aus Stein mit einem Turm, mit bemalten Fenstern und auf dem Boden festgeschraubten hölzernen Bänken, auf denen die Gemeinde sitzt. Stimmt das?
Vor 50 Jahren haben sich wohl die meisten Leute in der westlichen Welt eine Kirche so vorgestellt. Aber nicht heutzutage. Die sich neu entfaltenden Begriffe von Gott und dem Zweck des Gottesdienstes haben Veränderungen mit sich gebracht. Das Klischee einer konventionellen Kirche als ein massiver Bau mit einem hauptamtlich eingesetzten Geistlichen wird mehr und mehr durch ein bescheideneres Gebäude ersetzt, wo alles leicht veränderlich ist. Heutzutage halten oft Laien oder nebenamtlich tätige Geistliche in einer ungezwungenen Atmosphäre Gottesdienste ab, bei denen die Gemeinde sich hinsetzt, wo sie will. Mitunter wird anstatt der üblichen Orgelmusik Gitarre gespielt, und Diskussionen treten an die Stelle von Predigten.
Ist dies eine neue Entwicklung im Gottesdienst? Oder ist es eine Rückkehr zu dem, was bei den ersten Christen üblich war, die unter Kirche Menschen verstanden und unter einem Ort für den Gottesdienst irgendeinen geeigneten Platz, wo man sich zum Gebet versammeln konnte? Christus Jesus sagte: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Matth. 18:20; Er hinterließ keine besonderen Anweisungen für zeremonielle Gottesdienste noch Baupläne für Kirchengebäude.
Damals, ebenso wie heute, war es bei den Juden Sitte, regelmäßig zum gemeinsamen Gottesdienst zusammenzukommen, und die Bibel berichtet, daß Jesus mit ihnen diesen Brauch am Sabbat beachtete. Er heilte und lehrte im Tempel zu Jerusalem; er hatte seinen Platz in der Synagoge und nahm am Gottesdienst teil. Doch niemand wußte besser als er, daß Gott der Vater aller ist, daß Er überall gegenwärtig und für unsere Gebete und Lobpreisungen stets zugänglich ist. Er trat auf den Feldern, am Ufer des Sees und in den Städten genauso leicht mit Gott in Gemeinschaft wie an dem für den Gottesdienst bestimmten Ort. Dennoch kam er auch in der traditionellen Weise mit anderen zusammen, um die Heilige Schrift zu lesen und zu beten.
Nach Jesu Himmelfahrt begannen sich seine Jünger regelmäßig in Gruppen zu treffen, um sich gegenseitig zu stützen, um gemeinsam Fortschritte zu machen und Gott anzubeten. Sie kamen verabredungsgemäß an bestimmten Stellen zusammen, doch nicht unbedingt in besonderen Gebäuden. Und sie lehrten, wo immer die Leute ihnen zuhörten, oft an den Orten, wo die Juden zu beten pflegten.
Die Apostelgeschichte berichtet von einem bewegenden Vorfall, der sich zutrug, als Paulus auf seiner zweiten Missionsreise war: „Am Tage des Sabbats gingen wir hinaus vor die Stadt an das Wasser, wo wir dachten, daß man pflegte zu beten, und setzten uns und redeten zu den Frauen, die da zusammenkamen.“ Apg. 16:13; An jenem Tag wurde eine wohlhabende Geschäftsfrau, Lydia, eine Purpurkrämerin, so erfüllt von dem, was sie hörte, daß sie sich mit ihrem ganzen Hause taufen ließ.
Mrs. Eddy erkannte früh in der Geschichte der christlich-wissenschaftlichen Bewegung die Notwendigkeit, Kirchen zu haben. „Der Ausblick ist ermutigend“, schrieb sie. „Schon haben wir gesehen, wie viele Menschen durch die Christliche Wissenschaft gerettet worden sind. Kapellen und Kirchen sind über das ganze Land verstreut. Überall stehen nun geeignete Häuser und Säle zur Verfügung, in denen und von denen aus die Christlichen Wissenschafter den Vater, im Geist und in der Wahrheit‘ anbeten können, wie es unser großer Meister lehrte.“ Vermischte Schriften, S. 150;
Ihre treuen Nachfolger erkennen an, daß heute gemeinsames Beten genauso wertvoll ist wie in den Tagen der Lydia. In der Stille ihres eigenen Heimes folgen sie dem einzigartigen System des täglichen Studiums der Lektionspredigt, die für die jeweilige Woche im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft angegeben ist. Sie sind sich aber bewußt, daß sich ihre Inspiration sonntags, wenn sie sich in der Kirche versammeln, um dieselbe Lektion in der Öffentlichkeit zu hören, zu einem heilenden Höhepunkt steigert. Wenn die Herzen von christlicher Liebe und christlichem Verständnis erglühen, herrscht ohne Frage eine inspirierende Atmosphäre, die jeden einzelnen in der Gemeinde segnet.
Mitunter glauben die Menschen, es sei leichter, die Gegenwart Gottes zu spüren, wenn sie durch die Felder oder in den Bergen wandern, als wenn sie in der Kirche sind. Oder sie glauben vielleicht, man könne am besten mit dem Unendlichen in Gemeinschaft treten, wenn man allein ist, wo der Blick über großartige Landschaften hinauf zum endlosen Himmel schweifen kann. Doch die Inspiration der Liebe verlangt nicht nur Kommunion, sondern auch Kommunikation — sie muß mit anderen geteilt werden, und durch Teilen vermehrt sie sich. Sie springt von Herz zu Herz über und entfacht dabei ein geistiges Feuer, das läutert und heilt. „Glück ist geistig, aus Wahrheit und Liebe geboren“, sagt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit. „Es ist selbstlos; daher kann es nicht allein bestehen, sondern verlangt, daß die ganze Menschheit es teile.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 57.
Wenn sich bei gemeinsamem Gebet und Ziel unsere Inspiration mitteilt, wird die ganze Gemeinde bereichert. Das Licht des Christus scheint hell auf die Versammelten, wenn alle Anwesenden die Eigenschaften des Geistes widerspiegeln, ob sie nun in einem Kirchengebäude oder einem gemieteten Raum, am Fuße eines Berges oder an einem Fluß zusammenkommen. Wenn jeder einzelne treu die Wärme der Liebe zum Ausdruck bringt, die Freude des göttlichen Geistes und die Erkenntnis der Wahrheit, trägt er zu der allgemeinen heilenden Atmosphäre bei. Wenn jeder in einem christlich-wissenschaftlichen Gottesdienst gewissenhaft für die versammelte Gemeinde betet, wenn er bemüht ist, sich der aus der Bibel und aus Wissenschaft und Gesundheit gelesenen Wahrheiten bewußt zu werden, und sich an dem freudigen Singen der Lieder beteiligt, kommt es nicht nur ihm zugute, sondern all den anderen Versammelten.
Wenn wir regelmäßig gemeinsam Gott dienen, indem wir zur Kirche gehen, können wir der gesamten Gemeinde sowie der Welt Heilung bringen. Niemand sollte es sich entgehen lassen, daran teilzunehmen.
