Die Wahrheit ist immer praktisch. Aber ihre falsche Auslegung durch die Menschen erweckt manchmal den Anschein, als ob sie unwahr oder abstrakt und unpraktisch wäre.
Nehmen Sie beispielsweise die von der Christlichen Wissenschaft verkündete Wahrheit, daß der Mensch zeitlos ist, daß er nicht altert. Dies ist so, weil er das unendliche, ewige Gemüt, Gott, widerspiegelt. Wenn wir diese Wahrheit richtig anwenden, stellen wir fest, daß wir die Auswirkungen des Alterns auf den menschlichen Körper überwinden können, und zwar nicht, weil die Ewigkeit abstrakt ist, sondern weil sie eine allumfassende Wahrheit ist, die beweisbar ist, wann immer wir sie richtig anwenden. Die Auswirkungen der Zeit verschwinden, da sie nicht durch die Zeit selbst bedingt sind, sondern durch den Glauben an Zeit — einen Teil des Glaubens an die Materie, zu der die Zeit gehört.
Wenn wir jedoch versuchen, die Tatsache des zeitlosen Seins dem Buchstaben nach auf menschliche Verhältnisse zu übertragen, können wir zu solchen Schlüssen kommen wie: Die Wahrheit verlangt, daß wir das Alter nicht in Betracht ziehen, wenn wir jemanden einstellen. Ein Altersunterschied hat nicht das geringste mit ehelichem Glück zu tun. Oder: die Menschen sollten ohne Rücksicht auf Alter wahlberechtigt sein oder einer Kirche beitreten können. Um diese sogenannte Logik ad absurdum zu führen, könnten wir sagen, daß es unwissenschaftlich sei, Termine oder Bürostunden zu beachten oder eine Uhr zu tragen, und daß ein Zweijähriger ermuntert werden sollte, das Auto der Familie zu fahren.
Dasselbe Problem tritt auf, wenn wir an geistige Substanz denken. Sie ist nicht untätig. Und sie wird von den Gesetzen des vollkommenen Gottes, des göttlichen Prinzips, des Gemüts, beherrscht. Es kann daher keine Substanz geben, die sich ohne die vollkommene Herrschaft des Gemüts in Bewegung setzt oder in Bewegung bleibt. Daraus könnten wir schließen, daß die Benutzung von Sicherheitsgurten im Auto die Tatsachen des geistigen Seins verneine. Aber wenn wir diese Argumentation bis zu ihrem unlogischen Abschluß führten, würden wir auch die Benutzung der Bremsen oder der Steuerung ablehnen.
Ein anderes Gebiet, wo die Auslegung geistiger Wahrheiten Schwierigkeiten bereitet, ist das der menschlichen Eigenschaften. In der geistigen Wirklichkeit ist der Mensch rein, liebevoll, intelligent, vollkommen. Eine buchstäbliche Übertragung dieser Wahrheit auf menschliche Verhältnisse könnte uns zu dem Gedanken verleiten, daß wir jeden und jedermann in unser Heim einladen und keinen Unterschied bei der Wahl unserer Geschäftspartner machen sollten und daß es gleich sei, wen wir heiraten, da ein jeder rein, liebevoll, intelligent und vollkommen ist.
Bei unseren Schlüssen vom Absoluten auf das, was auf unser tägliches Leben Bezug hat, neigen wir meistens dazu, alles damit in Zusammenhang Stehende zu akzeptieren, wenn es das, was wir glauben möchten, stützt, oder es zu ignorieren, wenn es unseren Auffassungen widerspricht.
Es ist nicht der Zweck dieses Leitartikels, jemandem zu sagen, wie er sich in bezug auf das Alter der Menschen, auf Sicherheitsgurte oder gegenüber guten, schlechten oder besseren Menschen verhalten soll. Aber es ist unbedingt erforderlich, geistige Tatsachen richtig auszulegen, wenn wir sie auf menschliche Situationen anwenden.
Wir sind nicht inkonsequent, wenn wir behaupten, daß es keinen Tod gibt, aber andererseits ein Beerdigungsinstitut bitten, für die sterblichen Überreste zu sorgen, wenn jemand gestorben ist. Gott, Leben, ist Alles; in der geistigen Wirklichkeit gibt es daher eigentlich keinen Tod. Wenn wir uns in einer Lage befinden, wo jemand in Lebensgefahr schwebt oder wir über jemanden trauern, der unserem Gesichtskreis entschwunden ist, dann wird uns ein Verständnis dieser Tatsache unermeßlich helfen, die drohende Gefahr aufzuheben oder das Leid zu überwinden.
Die Wahrheit über den Menschen heilt stets, wenn sie verstanden und angewandt wird. Aber ihre Wirkung steht im Verhältnis zu unserem Verständnis, und unser Verständnis von der geistigen Wirklichkeit kommt nicht blitzartig. Wäre dies der Fall, dann würden wir uns sofort über dieses irdische Leben erheben. Wir wenden also an, was wir verstehen, und streben demütig nach mehr Verständnis. Und wir kommen in unserem Bemühen, täglich ein besseres Verständnis zu erlangen, einen großen Schritt vorwärts, wenn wir uns der Absichten des sterblichen Gemüts bewußt sind, das versucht, göttliche Rechtfertigung für seine Meinungen zu erhalten, und wenn wir uns weigern, uns mit diesem sogenannten Gemüt zu identifizieren.
Christi Jesu Antwort auf die Aufforderung des Teufels, sich von der Zinne des Tempels hinabzuwerfen, da Gottes Engel ihn auf den Händen tragen würden, lautete: „[Es steht] geschrieben:, Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen.ʻ “ Matth. 4:7; Mary Baker Eddy, die der Welt die wissenschaftliche Erklärung der göttlichen Wirklichkeit und die Regeln für ihre Demonstration gab, sagt in dem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Erhebe dich allmählich aus der Materie in den Geist.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 485; Und in ihrem großartigen Artikel „Die Ehe“ finden wir folgenden Satz: „Nach der menschlichen Anschauung vom Guten müssen die Sterblichen zuerst zwischen Übeln wählen und von zwei Übeln das geringere wählen; und gegenwärtig scheint die Anwendung wissenschaftlicher Richtlinien auf das menschliche Leben auf dieser Grundlage zu beruhen.“ Vermischte Schriften, S. 289;
Auf vielen Gebieten des menschlichen Lebens und Denkens wird von uns verlangt, Weisheit walten zu lassen. Ein Verständnis der Wahrheit, daß Gott und der Mensch vollkommen sind, gibt uns mehr Weisheit und befähigt uns, bessere Entscheidungen zu treffen.
Mrs. Eddy sagt uns: „Um richtig folgern zu können, sollten wir nur eine Tatsache vor Augen haben, nämlich das geistige Dasein.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 492. Wenn wir uns diese Tatsache vergegenwärtigen und mit unseren persönlichen Ansichten und Wünschen zurückhalten, stellen wir fest, daß wir in solchen Fragen wie Lebensversicherung, Testament, Berufswahl, Beteiligung an Gemeindeprojekten, politischen Verbindungen, Militärdienst, Aufhebung der Rassentrennung, Beschäftigungsquote usw. intelligente Entscheidungen treffen. Durch rechtes Folgern erheben wir uns aus dem begrenzten, materiellen, zeitgebundenen Begriff des Lebens in das Unbegrenzte, Geistige und Ewige.
