Wahrscheinlich lebt jeder, der dies liest, entweder in oder in der Nähe einer großen Stadt, oder er ist auf irgendeine Weise von ihr abhängig.
Es ist auch wahrscheinlich, daß diese Stadt sich mit schweren Problemen auseinanderzusetzen hat. Viele Soziologen sagen, daß die größte Herausforderung, der unsere Gesellschaft gegenübersteht, die Krise in den Städten ist. Einige der größten Städte der Welt lassen sich kaum noch regieren. Gettos erzeugen Verzweiflung und Gewalttätigkeit. Erziehungssysteme sind durcheinandergeraten. Massenverkehrsmittel und Autostraßen sind überfüllt. Die Umwelt ist von Verschmutzung bedroht.
Obwohl das Problem physischer Art zu sein scheint, haben einige Städteplaner und Soziologen es als ein Problem der Geisteshaltung bezeichnet.
Ein führender Städteplaner in Zürich, Karl Otto Schmid, hat gesagt: „Die Umgebung, und in besonderem Maße die städtische Umgebung, ist zunehmend menschengemacht und spiegelt daher deutlich das kollektive Bewußtsein der Menschen wider.“ Zitiert im Christian Science Monitor, 27.–29. September 1969;
In einer Rede, die Warren Susman auf einer Konferenz über städtische Probleme hielt, sagte er: „Erst wenn wir in der Lage sind, uns mit der Stadt auseinanderzusetzen, wie sie in den Gedanken der Menschen existiert, mit der Stadt, wie sie in dem Gedankengut der Menschen besteht, das uns hilft, das Wesen unserer städtischen Erfahrung zu definieren, ungeachtet der Veränderungen, die sonst noch eintreten mögen, erst dann wird es uns gelingen, mit etwas fertig zu werden, was lebensnotwendig und sehr wichtig für alle diejenigen ist, die sich für städtische Angelegenheiten interessieren.“ „The Humanist and the City“, Carnegie Review, April 1970, S. 6;
Eine der wirklichen Aufgaben für all diejenigen von uns, die in Städten oder in ihrer Nähe leben, besteht somit darin, allen Bürgern zu helfen, einen höheren und inspirierteren Begriff von der Stadt selbst zu finden, eine bessere Vorstellung von dem zu bekommen, was die von Menschen geschaffene Stadt sein kann oder sein sollte, und von den Werten, die sie darstellen sollte.
An dieser Stelle setzt die Arbeit des Christlichen Wissenschafters ein. Er weiß aus Erfahrung als heilender Metaphysiker, daß die materielle Welt (einschließlich ihrer Städte), die wir zu bewohnen scheinen, an sich nur ein menschlicher, mentaler Begriff ist. Er weiß auch, daß dieser mentale Begriff nur eine armselige Fälschung der vollkommenen geistigen Wirklichkeit, des Ideals der Gottesschöpfung ist.
Wie Mrs. Eddy uns sagt: „Die vergänglichen Formen der Materie, der sterbliche Körper und die materielle Erde, sind die flüchtigen Begriffe des menschlichen Gemüts. Sie haben ihre Zeit, ehe die bleibenden Tatsachen und ihre Vollkommenheit im Geist erscheinen. Die unreifen Schöpfungen des sterblichen Gedankens müssen schließlich den herrlichen Formen weichen, die wir, wenn das mentale Bild geistig und ewig ist, zuweilen in der Kamera des göttlichen Gemüts erblicken.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 263;
Durch die Anwendung der göttlichen Metaphysik hat der Christliche Wissenschafter entdeckt, daß in dem Maße, wie er die begrenzten, falschen menschlichen Gedankenbilder durch vollkommene geistige Ideale ersetzte, diese neuen Begriffe seine menschliche Erfahrung unmittelbar gehoben und verbessert haben. Sie haben seinen Körper geheilt, sein Geschäft verbessert, sein Heim harmonisch gestaltet und die Welt um ihn her, ja selbst seine Stadt günstig beeinflußt.
Während die meisten von uns diesen metaphysischen Vorgang bereitwillig in bezug auf unsere unmittelbare Erfahrung sehen, mögen wir leider nicht so schnell geneigt sein, den nächsten Schritt zu tun. Es ist vielleicht nicht so leicht für uns, zu erkennen, daß wir die gleiche heilende Methode auch auf die Lösung der größeren gesellschaftlichen Probleme übertragen können und müssen, ja selbst auf ein Problem, das so groß ist wie das der Krise in den Städten.
Viele von uns haben die Städte verlassen und sind sowohl äußerlich als auch mental in die Vororte gezogen. Wir haben dazu geneigt, unser Denken dem „Problem da draußen“ zu verschließen. Das Unangenehme ist nur, daß die Probleme der Städte wie Verbrechen, Rauschgift und Verschmutzung uns bis in die Vororte gefolgt sind. Sie verstricken unsere Gemeinden und drohen unser eigenes Leben zu belasten.
Offenbar ist jetzt die Zeit für uns gekommen, etwas bezüglich dieser Situation zu tun — dabei zu helfen, den einen notwendigen Wandel herbeizuführen, nämlich einen Wandel im menschlichen Bewußtsein. Wir wissen, daß dieser Wandel durch Vergeistigung unseres eigenen Denkens kommen muß.
Was uns am meisten not tut, ist, mit einem Gefühl der Dringlichkeit an diese Aufgabe heranzugehen. Wir müssen erkennen, daß wir als Widerspiegelung Gottes die Macht besitzen, Resultate hervorzubringen. Es ist in der Tat durchaus möglich, daß die Gebete eines jeden von uns die weitreichendsten Verbesserungen herbeiführen.
Diese Überzeugung wird durch einen nützlichen Präzedenzfall in der Bibel gestützt. Der Prediger schreibt: „Da war eine kleine Stadt und wenig Männer darin, und es kam ein großer König, der belagerte sie und baute große Bollwerke gegen sie.“ Er erzählt dann weiter, wie diese Stadt gerettet wurde: „Und es fand sich darin ein armer, weiser Mann, der rettete durch seine Weisheit die Stadt.“ Der Prediger folgert daraus: „Weisheit ist besser als Stärke... Weisheit ist besser als Kriegswaffen.“ Pred. 9:14–18 [n. der engl. Bibel];
Unsere Städte werden heute zwar nicht von großen Königen belagert, dafür aber von scheinbar unüberwindlichen sozialen Problemen. Was wir brauchen, ist Weisheit, nicht nur die menschliche Weisheit wirkungsvoller Städteplanung, sondern die geistige Weisheit, die vom göttlichen Gemüt ausgeht und das menschliche Denken hebt, so daß es die schon vorhandene Vollkommenheit der Stadt Gottes, der heiligen Stadt, sieht, von der die Propheten in der Bibel so oft und so beredt sprechen.
Während die meisten Propheten die heilige Stadt nur als ein besseres oder wiedererbautes Jerusalem sahen, brachte Christus Jesus der Menschheit einen neuen Begriff von der Stadt als dem bildlichen Symbol des individuellen menschlichen Bewußtseins. Er sagte zu seinen Jüngern: „Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.“ Matth. 5:14; Er riet ihnen, das Reich Gottes nicht an irgendeinem geographischen Ort, sondern in ihrem eigenen vergeistigten Bewußtsein zu suchen: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Luk. 17:21 [Fußnote];
Hier hat uns der Meister die grundlegende Wahrheit gegeben, die wir brauchen, um unseren Städten zu helfen. Da die menschlichen Städte um uns her nur die Erweiterung unseres eigenen Bewußtseins sind, müssen ihre Probleme in unserem Bewußtsein gelöst werden. Stimmt es daher nicht, daß wir für die menschliche Stadt keinen größeren Beitrag leisten können, als das Himmelreich in uns zu suchen und in vollerem Maße zu demonstrieren? Dies ist die wirkliche „Stadt Gottes“, und in dem Verhältnis, wie wir lernen, beständiger darin zu leben und ihre Vollkommenheit, Harmonie und Ordnung, ihren Frieden, ihre Schönheit und Freiheit in unserem Leben zu demonstrieren, werden unsere Städte gesegnet sein und verbessert werden.
Es war Johannes, der in den beiden letzten Kapiteln des Buches der Offenbarung die völlig geistige Natur der Stadt Gottes enthüllte. Als ich diese Vision las, schien sie mir eine vollkommene metaphysische Behandlung gegen die Übel unserer heutigen Städte zu sein. Jedes einzelne dieser Übel — Verbrechen, Korruption, Verschmutzung, Unmenschlichkeit, Verfall — wird durch das geistige Gegenteil — Harmonie, Gerechtigkeit, Reinheit, Liebe und Brüderlichkeit — ersetzt. Johannes beschreibt die heilige Stadt als „das neue Jerusalem“, das „von Gott aus dem Himmel“ herabfuhr und „die Herrlichkeit Gottes“ Offenb. 21:2, 11; hatte.
Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, definiert Mrs. Eddy „das neue Jerusalem“ als „die göttliche Wissenschaft; die geistigen Tatsachen und die geistige Harmonie des Universums; das Himmelreich oder die Herrschaft der Harmonie“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 592;. Dies ist für uns eine direkte Herausforderung, unseren Städten zu helfen, indem wir diese „geistigen Tatsachen“ im Denken verankern und sie dann im täglichen Leben zum Ausdruck bringen.
Ein Christlicher Wissenschafter hatte einmal eine interessante Erfahrung in dieser Hinsicht. Einige Jahre lang hatte er in einer Stadt gelebt, die von Korruption, Verfall und abnehmender wirtschaftlicher Aktivität geplagt war. Er war bemüht gewesen, der Stadt freiwillig aktiv zu dienen, aber er war dabei auf Schritt und Tritt enttäuscht worden.
Eines Morgens, als er auf einer verstopften Straße zur Arbeit fuhr, ertappte er sich dabei, wie er über die Notlage seiner Stadt nachgrübelte. Aber diesmal zwang ein ruhiger, eindringlicher Engelsgedanke ihn, innezuhalten und zu erkennen, daß er selbst ein Teil des Problems geworden war, anstatt zu helfen, es zu lösen.
Als er sein Denken Gott zuwandte, wurde ihm klar, daß alles, was er sah, ein irriger menschlicher Begriff von der Stadt war, die aggressive Suggestion des fleischlichen Gemüts. Innerhalb weniger Augenblicke begannen viele der herrlichen Ideen, die in der Offenbarung des Johannes über die heilige Stadt enthalten sind, in sein Bewußtsein einzuströmen. Er erkannte, daß die heilige Stadt die einzige Stadt war, die in Wirklichkeit existierte, und daß er tatsächlich, und zwar schon jetzt, in dieser Stadt lebte.
Er hatte sofort ein Gefühl des Friedens und gab seine besorgten Gedanken über seine menschliche Stadt auf. Es dauerte auch gar nicht lange, bis er vieler Anzeichen von Fortschritt gewahr wurde. Während des nächsten Jahres wurde eine bedeutende städtische Erneuerung durchgeführt, eine neue industrielle Entwicklung zeigte sich in beträchtlichem Ausmaß. Eine weniger bestechliche Stadtverwaltung wurde unerwarteterweise gewählt. Wirtschaftlicher Verfall und Gleichgültigkeit nahmen ab. Für sein Empfinden wurde es in seiner Stadt besser.
Damit soll nun nicht gesagt sein, daß die Gebete einer einzigen Person diese Veränderung bewirkten. Große Weisheit und zahlreiche Bemühungen vieler erleuchteter Bürger hatten dazu beigetragen. Aber als er sich im Gebet von dem falschen Begriff zu dem wahren hinwandte, begann er in seiner eigenen Erfahrung tatsächlich einen höheren Begriff von der Stadt zu sehen.
Eines der direkten Ergebnisse hiervon war eine größere Gelegenheit für ihn, bei einer Anzahl städtischer Projekte mitzuwirken. Dieses Mitwirken erhöhte sein wachsendes Verständnis von den Eigenschaften der Stadt Gottes. Er war nicht mehr ausschließlich mit der Krise der Städte beschäftigt. Er war Teil ihrer Lösung geworden, indem er half, die Stadt ans Licht zu bringen, die schon da war.
Er fing an zu erleben, wie die folgende Erklärung Mrs. Eddys in Erfüllung ging: „Wenn die Sterblichen richtigere Anschauungen über Gott und den Menschen erlangen, werden zahllose Dinge der Schöpfung, die bis dahin unsichtbar waren, sichtbar werden.“ ebd., S. 264.
Als geistige Denker, die sich der Vollkommenheit der Stadt Gottes bewußt sind, haben wir unseren menschlichen Städten gegenüber eine Pflicht zu erfüllen. Wir werden aus unserer Gleichgültigkeit aufgerüttelt — dazu aufgerüttelt, den Städteverfall und die Krise der Städte zurückzuweisen. Wir werden zu der Aufgabe erweckt, diese falschen Begriffe gegen die wahren geistigen Begriffe auszutauschen.
Wollen wir uns doch nicht dazu verleiten lassen, die Wichtigkeit unserer individuellen, gebeterfüllten metaphysischen Arbeit im Hinblick auf diese Herausforderung herabzumindern! Es ist durchaus möglich, daß jeder von uns durch geistige Erkenntnis allein der „arme weise Mann“ werden könnte, der die Stadt rettete.
