Eine Freundin im College, die soeben Klassenunterricht in der Christlichen Wissenschaft gehabt hatte, sagte zu mir: „Denke ja nicht, daß du zu jung bist, Klassenunterricht ins Auge zu fassen.“
Zu der Zeit war ich in der zehnten Klasse an der Oberschule. Ich wußte nichts über den Klassenunterricht und führte nicht einmal ein sehr moralisches oder christliches Leben. Obwohl ich die Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft besucht hatte, sehr liebevolle christliche Eltern hatte, vor einigen Jahren Der Mutterkirche beigetreten war und mich seit vielen Jahren wegen Heilung nur auf christlich-wissenschaftliche Behandlung verlassen hatte, war ich in einem Stadium, wo ich dachte, daß es mir zu gut ginge, um mich wirklich ernsthaft mit Religion beschäftigen zu müssen. Aber meine Freundin gab mir eine Broschüre, die Artikel von Christlichen Wissenschaftern über das Wie, Wann und Warum des Klassenunterrichts enthielt. Die Broschüre blieb bis zu den Weihnachtsferien fast zwei Jahre später ungelesen auf einem Bücherregal.
Ich war nun in der zwölften Klasse. Alles lief prima für mich, so dachte ich jedenfalls — mit Erfolgen im Sport, schulischen Auszeichnungen und ausgelassenen Wochenenden. Alles schien großartig zu sein; aber ich fühlte, daß etwas fehlte. Auf verschiedene Weise hatte ich mich von der Christlichen Wissenschaft und von dem Gefühl der Gegenwart Gottes abbringen lassen, oder so dachte ich jedenfalls. Aber der Psalmist sagt: „Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.“ Ps. 139:7, 8; Ich war viele Male geheilt worden oder hatte gesehen, wie andere durch Gottes Kraft geheilt wurden, aber in diesem Augenblick fühlte ich wirklich einen großen Hunger, Ihn zu verstehen — und mich selbst zu verstehen.
Aus irgendeinem Grunde dachte ich zurück an die Worte meiner Freundin über Klassenunterricht. Ich fand die Broschüre, die auf einem Bücherregal gelegen hatte, seit sie sie mir gegeben hatte. Als ich sie las, begann ich einzusehen, daß sowohl mein Denken als auch mein Leben einen radikalen Wandel nötig hatten. Ich begann ein gründliches und ernstes Studium der Bibel und der Schriften Mrs. Eddys, und es setzte eine echte Wiedergeburt des Charakters ein.
Ich begann mich dafür zu interessieren, mehr über die Möglichkeit des Klassenunterrichts zu erfahren, und nahm alsbald Kontakt mit einem autorisierten Lehrer der Christlichen Wissenschaft auf, der im Christian Science Journal eingetragen ist, und hatte ein Interview. Nachdem er mit mir gesprochen hatte, schlug mir dieser Lehrer vor, im Studium fortzufahren und die Christliche Wissenschaft aktiv anzuwenden, ehe ich mich um Klassenunterricht bewarb. Erst jetzt habe ich die Weisheit dieser Zurückweisung voll verstanden. Sie hatte nichts mit meinem Alter zu tun, sondern erfolgte im Gehorsam gegen Mrs. Eddys Anweisung im Handbuch Der Mutterkirche mit Bezug auf die Auswahl von Schülern: „Christliche Wissenschafter, die Lehrer sind, sollen mit Sorgfalt nur solche Schüler auswählen, die sich bewährt haben und deren natürliche Neigung zur Christlichen Wissenschaft zu Hoffnungen berechtigt.“ Handb., Art. XXVI Abschn. 2; Das war ein Maßstab, dem ich zu der Zeit nicht entsprach. Ich war von der Zurückweisung sehr enttäuscht; aber das führte mich nur zu noch größerer Wertschätzung des Klassenunterrichts und stärkerem Verlangen danach. Ich wurde mir auch zunehmend der notwendigen geistigen und moralischen Qualifikationen bewußt.
Die Vergeistigung meines Denkens und Tuns war keine leichte Aufgabe. Ich stand verschiedenen sehr schmerzhaften Herausforderungen gegenüber. Es zeigte sich ein unharmonischer körperlicher Zustand, der mein Leben ernstlich zu bedrohen schien. Verschiedene andere Situationen forderten sehr stark mein neues Eintreten für gute Moral heraus. Es schien auch sehr schwer für mich zu sein, mein Verlangen nach Mitgliedschaft in einer Zweigkirche über die Interessen einer bestimmten persönlichen Beziehung zu stellen, die in besonderem Maße mit diesem Verlangen in Konflikt stand.
Mit viel aufrichtigem Gebet und Studium und dadurch, daß ich immer mehr dem göttlichen Prinzip, Liebe, gemäß lebte, das ich zu verstehen suchte, erlebte ich, wie sich diese Beeinträchtigungen als machtlos erwiesen. Ein bekanntes Lied ermutigte mich während dieser herausfordernden Zeit sehr. Ein Vers daraus lautet:
Vom Sinn zur Seele liegt der Pfad nun vor mir,
Aus Nebelschatten zu der Wahrheit klar.
Mir dämmern aller Dinge Wirklichkeiten ;
Mein Herze singt: Der Weg ist offenbar.Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 64;
Gegen Ende des Sommers hatte ich eine feste geistige Grundlage gewonnen, hatte ich mich gewissenhaft moralisch gewandelt, hatte mich einer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, angeschlossen, war in ihr aktiv und hatte meinen Tätigkeiten eine neue Richtung gegeben, weg von Selbstverherrlichung und Materialität, hin zum Dienst an Gott und meinem Mitmenschen. Als dieser von Liebe inspirierte Lehrer meine Reife und mein anhaltendes Verlangen nach Klassenunterricht sah, zog er meine Bewerbung nochmals in Erwägung und nahm mich in die Klasse jenes Jahres auf.
Meine Opfer an Materialismus wurden durch den großen Segen des Klassenunterrichts reich belohnt. Nichts Wesentliches war aufgegeben worden — nur Irrtum, eine begrenzte falsche Daseinsauffassung, eine falsche Annahme von Leben und Empfindung in der Materie. Indem ich diesen Irrtum ablegte, wurde ich befähigt, mit Wahrheit „überkleidet [zu] werden, auf daß das Sterbliche würde verschlungen von dem Leben“ 2. Kor. 5:4;.
Als Ergebnis meiner bereichernden und inspirierenden zwei Wochen des Klassenunterrichts in der Christlichen Wissenschaft habe ich festgestellt, daß das Leben und die Lehren Christi Jesu — das Vorbild für christlich-wissenschaftliches Heilen — gesundheitsspendend, problemlösend und geistig erhebend sind. Gleichzeitig fand ich, daß das Beispiel des Meisters aufrüttelnd und revolutionär ist — entscheidend in der Anwendung auf jede persönliche Lage, Hochschulprobleme, örtliche, nationale und internationale Situationen. Ich habe auch eine tiefe Wertschätzung für Mrs. Eddys mutige und selbstlose Arbeit gewonnen, nämlich die Wissenschaft des Christus zum Segen der Menschheit zu erklären und zu demonstrieren. Ein gründliches Verständnis der Christlichen Wissenschaft, die Gottes allmächtige und harmonische Regierung der ganzen Schöpfung erklärt und beweist, bereitet uns auf eine wirklich aktive, wirksame Betätigung im Heilen körperlicher moralischer und seelischer Übel vor sowie auf das Lösen akademischer, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Probleme. Die systematische Erforschung und Ausübung dieser Wissenschaft erweitert unser Gefühl der Freiheit. Sie eröffnet uns ein volles und schrankenloses Bewußtsein von der Gegenwart der Liebe. Vor allem kann man für sich und andere die ungeheure Macht Gottes, des göttlichen Prinzips, und die untrennbare Beziehung des Menschen zu Ihm als Sein Bild und Gleichnis verstehen und wissenschaftlich demonstrieren.
Während der zwei Wochen des Klassenunterrichts lernt man etwas über die absolute Allmacht und Allgegenwart Gottes, des Guten, und die machtlose Unwirklichkeit des Bösen. Man lernt auch, wie man demütiger, liebevoller, wissenschaftlicher und wirksamer beten kann. Das wird alles in der Bibel und in den Schriften Mrs. Eddys erklärt, besonders in dem Kapitel „Zusammenfassung“ in Wissenschaft und Gesundheit, das die Grundlage für den Klassenunterricht bildet (s. Handb., Art XXVII Abschn. 3). Und unser eigenes Studium und unsere individuelle Betätigung der Wahrheiten, die in diesen Büchern enthalten sind, werden durch den Klassenunterricht sehr gestärkt. Mrs. Eddy schreibt: „Systematisches Lehren sowie des Schülers geistiges Wachstum und seine Erfahrung in der Praxis sind zu einem gründlichen Erfassen der Christlichen Wissenschaft erforderlich.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 461;
Klassenunterricht in der Christlichen Wissenschaft und die darauf folgenden jährlichen Schülerversammlungen sind äußerst wichtige Vorkehrungen und Vorrechte, die uns zu einem einmalig wertvollen Dienst an Gott, uns selbst und unserem Mitmenschen befähigen. Sowohl das grundlegende Bedürfnis für Klassenunterricht als auch die Erfordernisse für die Zulassung zur Klasse könnten in der folgenden scharfsichtigen Beobachtung Mrs. Eddys zusammengefaßt werden: „Die Zufriedenheit mit der Vergangenheit und das kalte Formenwesen des Materialismus sind im Zerfall begriffen. Unwissenheit über Gott ist nicht mehr der Schrittstein zum Glauben. Die einzige Gewähr für Gehorsam ist ein richtiges Erfassen von Ihm, den recht zu kennen ewiges Leben ist.“ ebd., S. vii;
Wir können entweder am trügerischen Materialismus festhalten, während er mehr und mehr abbröckelt, oder wir können ernsthaft die „herrliche Freiheit der Kinder Gottes“ Röm. 8:21. ausfindig machen, beanspruchen und beweisen. Wir können nicht beides tun. Die Wahl liegt bei uns. Wenn wir das letztere wählen und wenn unser Leben diese Wahl überzeugend bestätigt, wird die unschätzbare Gelegenheit des Klassenunterrichts sehr wahrscheinlich in Reichweite liegen.
