Welcher Katastrophe wir uns auch gegenübersehen mögen, wir können uns an Gott wenden und eine Lösung für die Probleme finden, vom Leiden frei werden und dem Holocaust einen Segen entringen. Warum? Weil der geistige, wahre, von Gott erschaffene Mensch — der Ideal-Mensch, von dem die Bibel spricht und den die Christliche Wissenschaft erläutert — immer den Standpunkt der Herrschaft einnimmt. Er ist Bedingungen oder Ereignissen niemals unterworfen. Er spiegelt die Kontrolle wider, die Gott über das Universum hat und aufrechterhält. Je besser wir diese geistige Tatsache verstehen, desto weniger fühlen wir uns von bevorstehenden Schicksalsschlägen bedroht und desto wachsamer sind wir, um uns nicht von der Überlebenshysterie mitreißen zu lassen.
In manchen Gegenden wird heute im negativen Sinn viel vom „Überleben“ gesprochen. Da heißt es, daß es gilt, die achtziger Jahre zu überleben, wirtschaftliche Krisenzeiten zu überleben, einen Atomkrieg zu überleben — ja selbst vom Überleben der Arbeitswoche wird gesprochen. Aber ein wirklich sinnvolles Leben muß einem höheren Zweck dienen. Machen wir es uns zum Lebensziel, Gott und Seine Herrschaft zu verstehen, ist das Überleben garantiert. Und nicht nur das. Aus dem Alltag wird ein Abenteuer des Überwindens; wir befreien uns immer mehr von den großen und kleinen Ängsten, den Haßgefühlen und der Entmutigung. Wir lernen, mehr und mehr Liebe zum Ausdruck zu bringen und entgegenzunehmen, für die Wahrheit einzustehen, in unserem Handeln die ganze menschliche Gesellschaft zu berücksichtigen, die Bedürfnisse aller zu erkennen und auf diese Weise das universale Gute anzustreben. Einzelne Menschen oder eine Gruppe von Menschen, die eine solche geistige Reife erreicht haben, beherrschen andere niemals, ebensowenig wie sie sich falschen Einflüssen unterwerfen. Und sowohl dem einzelnen wie seiner Gruppe wird es besser gelingen, das zu tun, was die Gesellschaft verbessert.
Heutzutage zeigt sich bisweilen eine Überlebensmanie, die gefühllos ist und Grausamkeit, ja sogar Unmenschlichkeit zuläßt. Verschwörungen werden vermutet, und unglaubliche Handlungen werden gutgeheißen, die das Überleben garantieren sollen. Zivilisten ergreifen die Waffen, um die Verfolgung zu „überleben“; Jugendliche werden im Umgang mit Gewehren und anderen Waffen geschult, damit sie den in den Augen ihrer Führer drohenden Rassenkrieg überdauern mögen. Doch in einem Artikel, der in der New York Times erschien, heißt es: „Was die Verfechter der Überlebenstheorie wirklich predigen, ist der Tod des Gesetzes und der Triumph der Selbstsucht.“ The New York Times, 12. Dezember 1980.
Die Überlebensmanie basiert auf Angst und führt letzten Endes zu unsinnigen Plänen, wenn die Menschen zu Verschwörungen neigen und sich einer Weltuntergangsstimmung hingeben. Akzeptieren wir aber die wahre Herrschaft, die Gott dem Menschen gegeben hat, wird die Zusammenarbeit gestärkt; Verschwörungen werden aufgedeckt und vereitelt, und das Wohlergehen aller wird gefördert.
Die Sorge um das Überleben kann verborgen oder ganz offenkundig sein. Im Grunde ist sie selbstsüchtig, und das zeigt, wie unrechtmäßig sie ist. Der von Gott erschaffene Mensch — das wahre Selbst eines jeden von uns — liebt, wie Gott liebt. Wer Gottes Liebe widerspiegelt, wird sich in zunehmendem Maße bewußt, daß er sein eigenes Wohlergehen oder das seiner Interessengruppe nicht über das anderer setzen kann. Er sieht ein, wie töricht es wäre, andere überleben zu wollen, da er weiß, daß er sein Einssein mit Gott nur demonstrieren kann, wenn er auch mit seinem Mitmenschen einig ist.
Die Christliche Wissenschaft zeigt, daß das grausame „Gesetz“ der Natur, demzufolge der Schwächere sterben muß, um dem Tüchtigeren Platz zu machen, aufgehoben werden muß, damit die geistige Verheißung in Erfüllung gehen kann.
„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen“ Jes. 42:3., sagte Jesaja von dem Christus, der allen Nationen erscheinen würde. Matthäus sah, daß diese Prophezeiung zärtlicher Nächstenliebe sowohl für den einzelnen als auch für die ganze Menschheit durch Christi Jesu Mission erfüllt wurde. Unser Meister wendete niemals grausame Überlebenstaktiken an.
Zu überleben bedeutet buchstäblich, weiterzuleben, nachdem ein anderer gestorben ist oder etwas aufgehört hat zu existieren; es deutet überdauern und länger leben an. Mary Baker Eddy hebt die grimmige naturwissenschaftliche Vorstellung vom Überleben des Tüchtigsten in eine geistige Dimension; sie schreibt: „Gemäß einem Gesetz vom, Überleben des Tüchtigsten‘, überlebt der Mensch die endlichen, sterblichen Definitionen seiner selbst.“ Nein und Ja, S. 25.
Geistigkeit fordert und ermöglicht zunehmende Herrschaft. Dies schließt selbstverständlich das Überleben alles Guten ein, aber nicht ein Überleben, nachdem anscheinend etwas Gutes zerstört wurde. Vielmehr bedeutet es, daß wir Fortschritte machen und alles Hinderliche zurücklassen. Und die zunehmende Herrschaft, die wir gewinnen, vermindert den allgemeinen Glauben an das Böse und bereitet den Weg für universalen Fortschritt.
Es mag hilfreich sein, jeden Morgen zu beschließen, daß wir den Tag nicht lediglich überleben wollen. Wir können jede Gelegenheit nutzen, um die Herrschaft des Guten über das Böse zu beweisen. Dabei stellen wir vielleicht fest, daß es uns besser gelingt, als wir erwarteten. Erheben wir uns über den Kampf des Überlebens, dann werden unsere Augenblicke und Stunden vom schöpferischen Guten geprägt sein. Im Grunde überleben wir „die endlichen, sterblichen Definitionen“ von uns selbst und anderen.
Der Christus — Gottes Gegenwart und Macht, die zur Erde kommen — berührt uns gerade dort, wo wir uns befinden, und verbannt den uninspirierten Wunsch, lediglich zu überleben. Dann erkennen wir, daß dieser Christus unser eigenes wahres Sein ist, durch das wir in jeder aufkommenden Situation Gottes Herrschaft natürlich und unumgänglich zum Ausdruck bringen.
Uns wurden die Augen über die in das Gewand des Narzismus gehüllte Selbstsucht der siebziger Jahre geöffnet. Nun müssen wir achtgeben, daß wir uns nicht dazu verleiten lassen, das als Überlebens-manie bekannte moderne Kleid der Selbstsucht zu kaufen. Wie unbefriedigend wäre es doch, im Rückblick auf die achtziger Jahre denken zu müssen, daß wir — „unsere Gruppe“, unsere Rasse oder unsere Religion — sie lediglich überlebten und vielleicht andere überdauerten.
Wenn wir jedes zerbrochene Rohr stützen — ob es nun ein unfähiger Mensch zu sein scheint oder eine schwache, obschon rechtmäßige Sache —, nehmen wir an der Prophezeiung des Alten Testaments teil. „Und die Heiden werden auf seinen Namen hoffen“ Matth. 12:21., wird vielleicht auch in Verbindung mit unserem Namen, unserem christusähnlichen Wesen, gesagt werden, als Beweis, daß wir dem Meister tatsächlich folgen.
Überwinden wir den rein selbstsüchtigen Wunsch, andere zu überleben, werden wir jenen helfen, die anders sind als wir, und wir werden ihr Vertrauen gewinnen. Das ist der Unterschied zwischen bloßem Überleben und der Ausübung geistiger Herrschaft. Der Wunsch zu überleben schließt andere aus; ein Leben geistiger Herrschaft zu führen bedeutet, alle zu berücksichtigen, wie unser Verständnis von dem universalen, ganz und gar guten Gott alle einbezieht.
