Viele von uns fragen sich wahrscheinlich: Wer oder was bin ich? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, besonders wenn nur die menschliche Persönlichkeit dabei in Betracht gezogen wird. Wenn wir andererseits tiefer in das Thema eindringen und mehr zu erfassen suchen als das, was wir durch die physischen Sinne wahrnehmen können, wird es uns möglich sein, die eine wahre Identität des Menschen zu entdecken. Wir müssen uns hierfür an die Autorität der Bibel wenden, wo wir lesen, daß der Mensch von Gott geschaffen wurde, und zwar geistig (s. 1. Mose 1:26 und 27). Mit anderen Worten, unser wahres Sein wurde vom Geist geformt und hat deshalb seinen Ursprung im göttlichen Geist.
Wenn wir uns unseres geistigen Ursprungs bewußt werden, entdecken wir unsere Einheit mit Gott. Dieser Bewußtseinszustand wird nicht ausschließlich durch den Intellekt erreicht, sondern auch durch Hingabe, Inspiration und Offenbarung. Das Licht der Wahrheit wirkt auf das individuelle Denken ein und führt es von der Dunkelheit der sterblichen Anschauung zur Klarheit des Verständnisses — d. h. zu den geistigen Tatsachen.
Eine Erfahrung, die ich vor einiger Zeit durchmachte, hat mich viel gelehrt. Ich litt an einer schmerzhaften, akuten Nierenentzündung. Anfangs betete ich und las in der Bibel sowie in Wissenschaft und Gesundheit, dem Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft von Mary Baker Eddy. Ich bemühte mich, meine Gedanken auf das zu konzentrieren, was wahr ist, und Krankheit und alle ihre Symptome zu verneinen. Doch von Zeit zu Zeit verlor ich das Bewußtsein. In einem Augenblick, in dem ich klar denken konnte, kamen mir deutlich die Worte Christi Jesu in den Sinn, die im Johannesevangelium stehen: „Ich bin nicht von dieser Welt.“ Joh. 8:23.
Diese Worte rüttelten mich auf, denn sie ließen mich erkennen, daß ich als Kind Gottes einen geistigen Ursprung hatte. Ich klammerte mich an diesen einen Wahrheitsgedanken, der sich in meinem Bewußtsein zum vollen Verständnis zu entfalten begann. Bald war ich davon überzeugt, daß ich nicht der materiell sichtbaren Welt angehörte, sondern daß mein wahres Sein als der von Gott geschaffene Mensch geistig, rein, unveränderlich ist und nicht von der Materialität und ihren vermeintlichen Einflüssen oder Kräften abhängt.
Ich erklärte, daß mein Dasein nicht materiell, sondern nur harmonisch und unveränderlich sein kann, weil mein Ursprung ausschließlich geistig‚ „nicht von dieser Welt“, ist, und daß ich jetzt und immerdar unter der Herrschaft der geistigen Vollkommenheit lebe. Außerdem machte ich mir klar, daß alle Tätigkeit vollständig und zufriedenstellend ist und stets Gottes Allmacht zum Ausdruck bringt.
Als nächstes wies ich die Möglichkeit zurück, daß irgendein Element, das der vermeintlichen physischen Welt entsprang, mir Schaden zufügen, mich infizieren, mir Schmerzen verursachen oder mich meiner Kräfte berauben könnte. Nichts konnte die Funktionen meines wahren Seins verändern. Ich sprach der Materie jegliche Intelligenz ab und verneinte die Wirklichkeit materieller Substanz und materiellen Lebens.
Schließlich begann ich zu verstehen, daß ich nicht zwei opponierenden Kräften gegenüberstand, die miteinander kämpften, sondern daß alles Geist war, die einzige Macht. Deshalb waren ich und alle Menschen um mich her in Wirklichkeit geistig, gut und unveränderlich. Ich wurde mir völlig bewußt, daß Gott mich vollkommen erschaffen hat, daß ich Seine vollständige Widerspiegelung war. Von dieser Grundlage aus konnte ich meine Herrschaft über alle vermeintlichen physischen oder begrenzenden Zustände beanspruchen.
In dem Maße, wie ich beharrlich mein Denken auf diese Tatsachen gerichtet hielt, läuterte ich mein Bewußtsein. Allmählich durchdrang mich ein Gefühl des Vertrauens und Friedens. Ich spürte so etwas wie die zärtliche, sanfte Liebe einer Mutter, die mich umsorgte. Es läßt sich schwer in Worte fassen, was ich fühlte und erfaßte, aber ich bin sicher, daß ich, als ich einen Schimmer von meiner geistigen Identität erhaschte, die mütterliche Liebe Gottes wahrnahm, die mich umgab und aufrechterhielt. Ich kam mir nicht verlassen vor. Im Gegenteil, ich empfand die innige Freude, mit dem Gedanken der Mutterschaft Gottes allein zu sein. Dies gab mir Sicherheit und neue Kraft, wie ich sie nie zuvor gekannt hatte.
Allmählich ließen die Schmerzen nach. Auch die anderen Krankheitssymptome verschwanden, doch die zärtliche Liebe Gottes, meiner himmlischen Mutter, blieb tief im Innern meines Bewußtseins wie das strahlende Licht des Mittags zurück. Am nächsten Morgen erwachte ich gesund, frei und glücklich. Ich war nun davon überzeugt, daß meine Identität der geistige Mensch war, der von den physischen Sinnen unabhängig ist, und diese Erkenntnis ließ mich etwas von dem überaus liebevollen Wesen meines Vater-Mutter Gottes, der göttlichen Liebe, wahrnehmen.
Jeder Gedanke, der von dem materiellen Dasein ausgeht, ignoriert oder verwirft den höheren Ursprung des Seins. Er leugnet des Menschen wahres, geistiges Wesen, das „nicht von dieser [physischen] Welt“ ist. An eine materielle Welt zu glauben heißt, Gottes Allmacht und Unendlichkeit zu verneinen. Ein solcher Glaube ist eine Mythe, die die Wahrheit befleckt, daß Geist alles erschaffen hat.
Wenn der Denker das Wesen des Menschen, der als Sprößling seines Vater-Mutter Gottes einen geistigen Ursprung hat, gerecht und aufrichtig beurteilt, befähigt ihn dies, die Beziehung des Menschen zur göttlichen Liebe zu schätzen. Auf Gott Bezug nehmend, schreibt unsere Führerin, Mrs. Eddy: „Er ist der einzig wirkliche Verwandte des Menschen im Himmel und auf Erden.“ Vermischte Schriften, S. 151.
Wir müssen letzten Endes beweisen, daß uns nichts von dieser hypothetischen, materiellen Welt behindert; unser Universum ist geistig; es spiegelt unveränderlich und ewig die Eigenschaften unseres Vater-Mutter Gottes, der Liebe, wider.