Haben wir eine grundsätzlich materielle Vorstellung von der Kirchenverwaltung — versuchen aber gleichzeitig, wenn bestimmte Entscheidungen zu treffen sind, eine oberflächliche geistige Einheit zu demonstrieren —, dann werden wir wahrscheinlich die Früchte unseres Widerspruchs ernten. Wir müssen die gesamte Verwaltung unserer Kirche im Licht der geistigen Tatsachen sehen, die heilen.
Im Handbuch Der Mutterkirche legt Mary Baker Eddy fest, daß die Verwaltung jeder Zweigkirche „ausgesprochen demokratisch sein“ Handb., Artikel XXIII Abschn. 10. soll. Die demokratische Verwaltungsform verlangt, daß eine Gruppe ihre grundlegenden Entscheidungen den ausdrücklichen Wünschen der Mehrheit gemäß treffe. Fordern die Worte unserer Führerin uns aber dazu auf, dieses Ziel durch eine materielle Auslegung des demokratischen Prozesses zu erreichen? Sollen wir der Kirchenverwaltung, die „ausgesprochen demokratisch" ist, die Prämissen und Annahmen zugrunde legen, die sich auf die Materie stützen und gewöhnlich mit der Politik in Verbindung gebracht werden? Oder sollten wir unsere Interpretation der Wendung „ausgesprochen demokratisch" von einer materiellen auf eine geistige Basis heben?
Wenn wir von einer geistigen Grundlage ausgehen, stellen wir fest, daß alle wesentlichen Elemente einer demokratischen Kirchenverwaltung auf das eine Gemüt, Geist, Gott zurückzuführen sind — und auf Seine Gesetze und Eigenschaften — nicht aber auf eine sterbliche, endliche, begrenzte, materielle Quelle.
Bedenken Sie z. B. Christi Jesu Erklärung, daß Gott unser universeller Vater ist, an den sich jeder von uns direkt wenden kann, um Weisheit und Führung zu empfangen. Die Wahrheit, daß der Mensch unmittelbar mit Gott verbunden ist — und jeder einzelne in des Vaters Augen großen Wert hat —, ist für die Demokratie in unserer Kirche von grundlegender Bedeutung.
Wir sehen ferner, daß die Worte unseres Meisters und das Beispiel, das er uns gab, von dem christlichen Geist durchdrungen sind, der in unseren Beziehungen zu unseren Mitmenschen so sehr gebraucht wird, Er zeigt sich in Jesu Aussprüchen wie: „Das gebiete ich euch, daß ihr euch untereinander liebet“ Joh. 15:17.; „Ich aber bin unter euch wie ein Diener“ Luk. 22:27.; und: „Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ Matth. 7:12.
In Übereinstimmung mit dem, was Jesus von der direkten Beziehung des Menschen zu Gott lehrte, weist Mrs. Eddy auf die geistige Grundlage der Kirchenverwaltung hin, wenn sie schreibt: „Der Mensch, der Gottes Regierung widerspiegelt, regiert sich selbst.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 125. Unsere Führerin erklärt auch, was das im menschlichen Leben bedeutet: „Der Mensch regiert sich selbst nur dann in rechter Weise, wenn er sich von seinem Schöpfer, der göttlichen Wahrheit und Liebe, richtig leiten und regieren läßt.“ Ebd., S. 106. Und sie bemerkt: „Das himmlische Gesetz wird gebrochen, wenn das individuelle Recht der Selbstregierung des Menschen übertreten wird.“ Ebd., S. 447. Mrs. Eddy betont, daß der Mensch sich frei entscheiden kann. Und ferner beschreibt sie das, was für eine „ausgesprochen demokratische“ Regierung wesentlich ist, mit folgenden Worten: „Die Magna Charta der Christlichen Wissenschaft bedeutet viel, multum in parvo — alles-in-einem und eines-in-allem. Sie tritt für die unveräußerlichen, universalen Menschenrechte ein. Durchaus demokratisch, wird ihre Regierung mit allgemeiner Zustimmung der Regierten ausgeübt, wobei und wodurch der von seinem Schöpfer regierte Mensch sich selbst regiert.“ Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 246.
Solche Aussagen führen uns zu der Erkenntnis, daß die unbedingt erforderlichen Eigenschaften der wahren Regierung nicht auf menschlicher Findigkeit beruhen, sondern eine Kundwerdung des geistigen Gesetzes sind. Deshalb haben diese Eigenschaften nicht nur örtliche oder nationale, sondern universale Bedeutung. Sie sind nicht lediglich aus der Geschichte oder einer Stammestradition hervorgegangen; vielmehr entfalten sie sich als Ausdruck der göttlichen Ordnung, in der alle Ideen Gotts das vereinigende und regierende göttliche Prinzip, Liebe, unbehindert, bezeugen.
Es genügt jedoch nicht, wenn wir damit zufrieden sind, diese revolutionären Aussagen als allgemeingültige Feststellungen zu akzeptieren. Wir müssen sie praktisch anwenden, indem wir jene versteckten materiellen Annahmen ausrotten, die in den Kirchenangelegenheiten so viel Verheerung anrichten können, wenn sie nicht herausgefordert werden, und sie durch rechte Vorstellungen ersetzen — Annahmen wie:
• Die Sterblichen glauben, unter dem demokratischen Regierungsprozeß verstehe man, daß viele persönliche Mentalitäten versuchten, sich zu einigen, um gemeinsam handeln zu können. Doch die Christliche WissenschaftChristian Science (kr´istjən s´aiəns) lehnt die Vorstellung, es gebe viele Gemüter, ab. Sie erklärt, die menschliche Brüderschaft und Kameradschaft beruhe auf der Tatsache, daß es nur ein unendliches Ego oder Gemüt gibt und daß dieses allumfassende Gemüt oder Prinzip in Wirklichkeit von allen zum Ausdruck gebracht wird, weil es das einzige Gemüt des Menschen ist.
• Das Wissen, das sich auf die Materie gründet, vertritt den Standpunkt, daß die dynamischen Kräfte, die in Kontroversen, Meinungsverschiedenheiten und Konflikten ausgelöst werden, ganz natürlich sind, ja zum demokratischen Prozeß gehören und bei der Entwicklung guter Ideen eine Rolle spielen. Aber die Christliche Wissenschaft zeigt, daß richtige Lösungen ans Licht kommen, wenn individuell und kollektiv demonstriert wird, daß die von der göttlichen Liebe ausgelöste Dynamik des Gemüts ihre eigene rechte Tätigkeit und Harmonie entfaltet. Die intelligente Entfaltung richtiger Ideen macht das wirkliche Leben des Menschen aus.
• Die Menschen nehmen an, es sei normal und unvermeidlich, daß sich in einer demokratischen Organisation gegnerische Parteien bilden. Aber wie die Christliche Wissenschaft uns lehrt, gibt es in dem alles regierenden Gemüt keine gegnerischen Beziehungen — noch sind sie notwendig, um alle Aspekte des Wirklichen ans Licht zu bringen. Mrs. Eddy versichert uns in Wissenschaft und Gesundheit: „Wenn die göttlichen Weisungen verstanden werden, dann enthüllen sie die Grundlage der Brüderschaft, in der ein Gemüt nicht mit dem anderen im Streit liegt, sondern alle einen Geist, Gott, eine intelligente Quelle haben, in Übereinstimmung mit dem Befehl der Schrift:, Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.‘ “ Wissenschaft und Gesundheit, S. 276.
• Die Logik, die sich auf die Materie stützt, behauptet, Kontroversen und Meinungsverschiedenheiten würden eine demokratische Organisation zu einer Arena machen, in der zerstörerische persönliche Einflüsse — sterblicher Wille, Charisma, ein herrisches Wesen — miteinander im Streit liegen. Die Christliche Wissenschaft enthüllt, daß es normal für den Menschen ist, nur die göttlichen Kräfte zum Ausdruck zu bringen, zu denen der Wille der Liebe, die einigende Anziehungskraft des Geistes, die Sanftmut des vollständigen Gehorsams gegenüber Gott und das befreiende Wirken des Gemüts gehören. Erkennen wir diese geistige Grundlage an, können wir darauf vertrauen, daß die göttliche Liebe unsere Kirche regiert und das göttliche Gemüt alle Angelegenheiten intelligent regelt, anstatt uns für die praktische Lösung der Probleme auf Politik und menschliche Manöver zu verlassen.
• Herkömmliche menschliche Weisheit setzt voraus, daß in einem demokratischen Prozeß ein gewisses Manipulieren selbstverständlich zu erwarten sei: Täuschungen, halbe Wahrheiten, Verleumdung, Intrigen, Selbstverherrlichung und das Niederwalzen von Argumenten (ein Nichtberücksichtigen der Minderheit). Solche negativen Verhaltensweisen erinnern an einen Aphorismus, den Winston Churchill einst zitierte und der besagt, daß die Demokratie die schlimmste Form der Regierung sei, mit Ausnahme aller anderen Regierungsformen! Aber die Christliche Wissenschaft erklärt, daß in allem Tun des von Gott erschaffenen Menschen die Eigenschaften der Wahrheit und Liebe allein die Oberhand behalten — Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Integrität, geistige Zuneigung, Reinheit sowie die beharrliche Anerkennung der absoluten Kontrolle des göttlichen Gemüts — und daß diese Wahrheit demonstriert werden kann, wenn sie verstanden wird.
• Der sterblichen Ansicht zufolge wird die Vorherrschaft einiger weniger oftmals durch die Trägheit und Passivität anderer gefördert — von einem passiven Verhalten, das auf Apathie, Gleichgültigkeit, Schwerfälligkeit oder Unsicherheit beruht. Die Christliche Wissenschaft vernichtet alle despotischen Neigungen, indem sie auf die unzertrennliche Beziehung des Menschen zur belebenden göttlichen Intelligenz hinweist, die er widerspiegelt. Wenn das verstanden wird, weicht die Apathie der mühelosen Aktivität des Geistes; an die Stelle von Gleichgültigkeit tritt Empfänglichkeit; Schwerfälligkeit wird durch Scharfsinn und das geistige Wahrnehmungsvermögen des Gemüts ersetzt, die der Mensch berechtigterweise zum Ausdruck bringt; und Unsicherheit macht der Einsicht Platz, daß der Mensch seine Identität von Gott erhält.
• Was geschieht, wenn die Mitglieder einer Kirche ernsthaft um eine Entscheidung beten, aber die Meinungen weiterhin auseinandergehen? Selbst wenn die einzelnen über ein menschliches Urteil unterschiedlicher Ansichten sind, können sie doch durch ihr Verständnis von dem einen Gemüt oder Geist die Einheit im Geist demonstrieren, die die brüderliche Liebe, den guten Willen und die gegenseitige Achtung erhält. Die Frage ist: Welchen Elementen machen wir in unserem Herzen Raum — den mentalen, die sich auf die Materie stützen (den sterblichen Ansichten und Gefühlsregungen), oder denen, die göttlichen Ursprungs sind, da sie der reinen Liebe entspringen? Wenn letztere unser Denken und Verhalten bestimmen, werden wir demütiger, empfänglicher, flexibler und gewinnen mehr geistige Intuition. Wie oft findet sich doch, wenn solche guten Eigenschaften zusammenwirken, eine viel bessere Lösung, der alle bereitwilliger zustimmen, als irgendeine zuvor erwogene Möglichkeit!
• In einer menschlichen Organisation entstehen bisweilen Schwierigkeiten, wenn einzelne Mitglieder die Grundregeln außer acht lassen oder verletzen, auf die sich die Gruppe mit allgemeiner Zustimmung geeinigt hat — z. B. Robert’s Rules of Order oder ein ähnliches Handbuch für demokratische Abstimmung. Doch die Christliche Wissenschaft zeigt, daß der Mensch das Wesen des Prinzips, der Liebe, genau widerspiegelt. Die Liebe ist keine Basis für den Egotismus. Wer sich an das göttliche Prinzip, Liebe, hält, wird ganz selbstverständlich auch der Gerechtigkeit treu bleiben, sich dem Gesetz fügen, ein Gefühl für Unparteilichkeit und Fairneß haben und anerkennen, daß die Rechte des Menschen heilig sind — denn sie kommen vom Prinzip, das unparteiisch und universal ist, und gehören deshalb ohne Unterschied allen Menschen.
• Bisweilen scheint sich hinter der demokratischen Fassade einer Organisation eine Hierarchie zu verbergen, in der Mitglieder aufgrund von Geschlecht, Rasse, Alter, Bildung, finanziellem Status, kulturellen Bindungen und der historischen Vergangenheit benachteiligt werden. Doch in der Christlichen Wissenschaft stützt sich die Satzung, die besagt, daß die Zweigkirchenverwaltung „ausgesprochen demokratisch" sein soll, auf die Erkenntnis, daß jeder Mensch eine direkte und in jeder Hinsicht vollständige Beziehung zu Gott hat. Diese geistige Beziehung kann durch keinerlei sterbliche Umstände beeinträchtigt oder aufgehoben werden. Wo diese Wahrheiten akzeptiert werden, führt das ganz natürlich zu menschlicher Brüderschaft, Ehrlichkeit und Höflichkeit. Außerdem bewirkt es, daß in einer demokratischen Gruppe jedem Mitglied gleiche Rechte zuerkannt werden.
Im Himmelreich gibt es keine Hierarchien. Deshalb können sie auch niemals zur wahren Kirche gehören, die — wie uns die Christliche Wissenschaft lehrt — auf Wahrheit und Liebe beruht. Darüber hinaus haben Vorurteil, Erbitterung, Groll, Diskriminierung und ähnliche Tendenzen in Wirklichkeit im menschlichen Bewußtsein keinen Platz, weil sie im Reich Gottes nicht existieren. Die Einheit des Prinzips, das völlig unparteiisch alle umfängt, schließt jede Möglichkeit aus, daß solche sterblichen Elemente an der Oberfläche oder im Verborgenen bestehen.
Gedanken, die sich auf das Geistige stützen, sind die Bausteine und der Zement unserer Kirche. Weder im tiefsten Sinn noch im Hinblick auf die praktische Arbeit bauen wir unsere Kirche lediglich mit Zement und Balken. Wir errichten sie in der Hauptsache mit den Eigenschaften des Christus und mit brüderlicher Zuneigung, die sich in den Herzen der Mitglieder entfaltet. Wir errichten sie mit Heilung — mit dem Heilen von Unstimmigkeiten, physischer Krankheit und anderen unharmonischen Zuständen.
Im Licht des geistigen Verständnisses sehen wir, daß unsere Kirche nicht von Klassen-, Rassen- und Standesunterschieden begrenzt wird. Auch können keinerlei angenommene, von den Traditionen einer Kultur auferlegte Schranken die rein geistigen Elemente schwächen oder einengen, aus denen eine „ausgesprochen demokratische“ Zweigkirchenverwaltung besteht. Die Wahrheit, die von unserer Kirche verkörpert wird, ist für die ganze Menschheit bestimmt — sie ist für alle Völker und für jeden einzelnen da, der bereit ist, die Disziplin ihrer Lehren und Ausübung zu akzeptieren. Gleichheit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit sind die Norm für unsere Kirche, denn sie tritt für die universale Wahrheit und Liebe ein.