Eine christlich-wissenschaftliche Pflegerin bereitete in einem Sanatorium ein Zimmer für die Ankunft eines Notfalles vor. Sie fragte sich: Was ist in diesem Augenblick am meisten vonnöten? Die Antwort lautete: Halte an der Tatsache fest, daß der Mensch von Natur aus vollkommen ist. Eine Idee Gottes kann nicht aus der göttlichen Ordnung hinausgestoßen werden.
Die Pflegerin arbeitete metaphysisch für sich und erkannte, daß der Vater-Mutter Gott den Menschen vollkommen an seinem Platz in der Allheit Seines Planes bewahrt. Sie wußte, daß sie nur im Glanze Seiner Fürsorge leuchten konnte und daß das, was für sie zutraf, für alle galt. Die Pflegerin dachte über Eigenschaften des Trostes, der Freudigkeit, der Demut und der Ruhe nach. Sie erkannte an, daß sie die Fähigkeit besaß, diese in jeder Situation verfügbaren Eigenschaften als die wahre Kunst des Pflegens zum Ausdruck zu bringen. Diese Erkenntnis half ihr, ihr Denken zu erhellen, und unterstützte die gebeterfüllte Arbeit der Ausüberin für den erwarteten Gast. Der Gedanke, daß Gott den Menschen vollkommen erschaffen hat, wurde gehegt und gepflegt. Ausüberin, Patient und Pflegerin waren in einer praktischen Aufgabe vereint.
Das Zimmer war bereit. Viel bedeutsamer war aber, daß durch die Erwartung des Guten eine heilende Atmosphäre geschaffen worden war. In einem englischen Weihnachtslied, das auf den Christus Bezug nimmt, werden wir aufgefordert: „Laßt jedes Herz bereiten sich.“ Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 417.
Die Patientin traf ein. Sie lag nicht auf einer Tragbahre, sondern kam selbst in das Zimmer! Auf dem Weg zum Sanatorium war sie geheilt worden, obwohl sie in den zwei Tagen vor ihrer Ankunft so schwer krank gewesen war, daß sie glaubte, sterben zu müssen. Was war geschehen? Als die Patientin ihre Wohnung verließ, erkannte sie, daß sie in diesem Augenblick die Widerspiegelung von Leben, Gott, war. Sie war entschlossen, den Tod nicht in das Sanatorium zu bringen; die Pflegerin hatte sich vorgenommen, ihn nicht zu akzeptieren. Die Ausüberin war Tag und Nacht im Gebet standhaft geblieben.
Das Ergebnis war Heilung! Der Gedanke, irgendwohin zu gehen, um Heilung zu „finden“, war nicht aufgekommen. Die Patientin brachte sie mit sich.
Wir alle sind dafür verantwortlich, zu einer heilenden Atmosphäre beizutragen. Sanatorien sind Stätten, in die wir eine tiefe Hingabe für das Heilen bringen. In einer der älteren Ausgaben des Christian Science Sentinels (7. Oktober 1916) können wir einen Schimmer von Mrs. Eddys Vision dieser Einrichtungen erhaschen. Sie wünschte, daß sie Sanatorien genannt würden, und bestimmte, daß sie Kranken in Zeiten der Not eine Zuflucht sein sollten. Kirchenmitglieder könnten sich in einer heilenden Umgebung erholen und zugleich inspirierte praktische Pflege erhalten.
Pflegen. Was bedeutet das? In Wörterbüchern finden wir Erklärungen wie „hegen“, „nähren“, „zugetan sein“. Pflegen ist tatsächlich eine geistige Kunst, die den Patienten den Armen der göttlichen Liebe anvertraut. Die Pflegerin hält an der Unversehrtheit, Reinheit und Vollkommenheit des Menschen fest und sieht diese Eigenschaften gerade da, wo das sterbliche Gemüt das Gegenteil behaupten will. Man könnte sagen, daß die Pflegerin in einer heiligen Mission beschäftigt ist: einem Beruf der Nächstenliebe.
„Wo keine Offenbarung ist, wird das Volk wild und wüst“ Spr. 29:18., lesen wir in den Sprüchen. Ohne geistige Offenbarung oder Vision wird Pflegen lediglich zu einer Beschäftigung — es wäre nicht viel mehr als die verherrlichten Dienste einer Hausangestellten. Die Vision, die jemanden dazu veranlaßt, Pflegerin zu werden, wird ihr auch weiterhin Kraft und Ausdauer verleihen. Bei der Ausbildung von Pflegerinnen wird gründliches metaphysisches Forschen mit praktischer Fachkenntnis eng verknüpft. Wahrheit durchdringt beständig die Erfahrung, und diese Ausbildungsjahre bringen wahre Fachleute hervor.
Die Kurse werden von Pflegerinnen gegeben, die in der Pflege gut bewandert sind und aus ihrer Erfahrung und mit geistiger Inspiration unterrichten. Alle mit dem Pflegen zusammenhängenden Richtlinien und Maßnahmen werden vom Vorstand der Christlichen Wissenschaft genehmigt. Die Ausbildung ist mehr als akademische Unterweisung; sie soll die Ansicht unserer Führerin in bezug auf Erziehung widerspiegeln. Mrs. Eddy schreibt: „Der ganze Zweck wahrer Erziehung ist, zu erreichen, daß man die Wahrheit nicht nur erkennt, sondern sie auch lebt — zu erreichen, daß man Freude am Rechttun gewinnt, daß man nicht nur bei Sonnenschein arbeitet und bei Sturm und Regen davonläuft, sondern auch inmitten von Wolken des Unrechts, der Ungerechtigkeit, des Neides und Hasses arbeitet; daß man Gottes, des starken Befreiers, harrt, der Gerechtigkeit belohnt und Missetat bestraft.“ Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 252. Die hingebungsvolle Pflegerin bringt stets zärtliches Erbarmen zum Ausdruck, auch wenn sterbliche Annahmen fest verwurzelt sind oder wütend toben. Ob Pfleger oder Pflegerin — beide müssen die zärtlichen Eigenschaften der Mutterschaft Gottes bekunden und die Vaterschaft Gottes dadurch widerspiegeln, daß sie der höchsten ethischen Norm gerecht werden. Wie sehr sind Zartheit und Standhaftigkeit im Krankenzimmer vonnöten!
Pflegerinnen und Ausüber der Christlichen Wissenschaft sind nicht das Gegenstück zu Krankenschwestern und Ärzten. Mrs. Eddy verlangt, daß eine Pflegerin eine demonstrierbare Kenntnis von der Ausübung der Christlichen Wissenschaft hat (s. Handbuch Der Mutterkirche, Art. VIII Abschn. 31). Die Pflegerin ist für ihr eigenes Denken verantwortlich, während der Ausüber metaphysisch für den Patienten arbeitet. Sich in jeder Lage wegen Führung auf das göttliche Gemüt zu verlassen ist eine geistige Geschicklichkeit — ein Bewußtseinszustand, eine Heilkunst.
Wenn der Patient im eigenen Heim gepflegt wird, bleibt er in der vertrauten Umgebung, ohne daß sein gewohnter Tagesablauf gestört wird. Freiberufliche Pflegerinnen helfen, solange ihre Dienste benötigt werden, während Besuchspflegerinnen stundenweise zur Verfügung stehen. In einigen Ländern assistieren in der Geburtshilfe ausgebildete Pflegerinnen einem Arzt bei Entbindungen zu Hause, oder sie können auch die Betreuung nach einem Krankenhausaufenthalt übernehmen. Ferienlager und Schulen für Christliche Wissenschafter stellen ebenfalls hauptberufliche Pflegerinnen ein.
Als ich Besuchspflegerin in einer großen Hauptstadt war, erkannte ich, wie wichtig es ist, sich seinen inneren Frieden und diese geistige Schau zu bewahren. Ich mußte jeden Tag mehrere Patienten besuchen. Besorgnis und Zweifel an meiner eigenen Fähigkeit wollten mir einreden, daß ich unmöglich das große Gebiet bewältigen und jedem Patienten die erforderliche Zeit widmen könnte. Ich machte mir jedoch klar, daß der Christus die Patienten und mich leitete. Bald wurde allen die richtige Pflege zuteil, und sie hatten die notwendige Ausstattung. Etwas viel Wesentlicheres begleitete jeden Besuch. Ein Patient sagte eines Morgens voller Begeisterung: „Wissen Sie, wir haben nun über zehn Jahre in diesem Haus gelebt, aber seitdem Sie kommen, um zu helfen, hat sich etwas verändert. Wir haben uns nie zuvor so zu Hause gefühlt.“ Ich brachte als Pflegerin einen richtigen Begriff von Heim und Harmonie mit — den Balsam des Trostes und der Heilung.
In einigen Teilen der Welt mag nur eine einzige Pflegerin für einen Landesteil oder sogar ein ganzes Land zur Verfügung stehen. Aber selbst in solchen Fällen sind die Pflegerinnen bei ihrer Arbeit im Feld nicht allein. Sie werden nicht nur von den Kirchenmitgliedern in ihrem Gemeinwesen liebevoll unterstützt, sondern das ganze geistige Wachstum, das sie während der Ausbildungszeit erlangten, begleitet sie. Weiteres Studium verfeinert ihre Begriffe, und die Fähigkeit zu pflegen erblüht zu metaphysischer Reife und ermöglicht beständige Inspiration.
Welchen Platz nimmt eigentlich die christlich-wissenschaftliche Pflegerin in der christlich-wissenschaftlichen Bewegung ein? Dies wird manchmal, sogar von unseren Kirchenmitgliedern, mißverstanden. Durch die Pflegetätigkeit, die im Kirchenhandbuch vorgesehen ist, zeigt Die Mutterkirche ihre Fürsorge für ihre Mitglieder; und diese Tätigkeit wiederum bedarf der Unterstützung seitens der Mitgliedschaft. Jedes Kirchenmitglied ist gewissermaßen eine Pflegerin, wenn es die Eigenschaften zum Ausdruck bringt, mit denen Mrs. Eddy die ideale Pflegerin identifiziert: „Die Pflegerin muß fröhlich, ordentlich, pünktlich, geduldig und voll Vertrauen sein — empfänglich für Wahrheit und Liebe.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 395. Die Pflegetätigkeit ist ein integraler Teil der heilenden Kraft unserer Kirche.
Gelegentlich hören wir, daß mehr Pflegerinnen benötigt werden. Was gebraucht wird, ist eine höhere, echte Wertschätzung des Zwecks des Pflegens. Nein, die Pflegerin kann keine medizinische Diagnose stellen oder unser Leben wieder in Ordnung bringen. Sie ist aber in der Lage, praktische Pflege zu erteilen und Weisheit auszudrücken. Sie arbeitet, um ihre geistige Vision aufrechtzuerhalten und dadurch den Ausüber bei seiner Arbeit zu unterstützen. Das göttliche Gemüt ist für die Pflegerin die Hauptstütze sowie die Quelle des Schutzes und der Inspiration. Welch ein Vorrecht ist es doch für jedes Mitglied, die Satzung im Kirchenhandbuch zu befolgen und das Amt einer christlich-wissenschaftlichen Pflegerin aufrechtzuerhalten!
Unsere Führerin versichert uns: „Die Christlichen Wissenschafter leisten, genau genommen, keinen Widerstand; sie sind zu sehr damit beschäftigt, Gutes zu tun und die goldene Regel zu beachten, als daß sie Vergeltung üben oder Genugtuung suchen wollten; sie sind keine Quacksalber, die nichts gebären und allem den Tod geben — sondern sie sind Führer einer Reform in der Religion und Medizin, und sie haben kein gefährdetes Handwerk.“ Botschaft an Die Mutterkirche für 1901, S. 30. Jede Stunde dient die Pflegerin demütig zu Füßen des Christus. Die Kunst des Dienens ist heilige Arbeit. Die Pflegerin übt ihren Beruf in seinem christlichen Plan und allen seinen Aspekten mit Ausgeglichenheit aus. Die Mutterschaft Gottes schützt ihn. Hegen wir doch alle zärtlich diesen Beruf der Nächstenliebe.