In der geistigen Wirklichkeit, in der das göttliche Prinzip Alles und gut ist, gibt es nichts, was der Vollkommenheit des Prinzips widerspricht; nichts, was dem Beweis oder der Demonstration dieser Vollkommenheit Widerstand entgegensetzt; es gibt dort nichts, was dem Menschen, der Widerspiegelung des Prinzips — dem Kind Gottes —, widerspricht, und nichts, was dem Beweis oder der Demonstration der Vollkommenheit dieses wirklichen Menschen Widerstand entgegensetzt.
Aber in der Annahme vom Leben, das beides ist, geistig und materiell, gut und böse, scheint das Materielle sich dem Geistigen entgegenzustellen, das Böse dem Guten zu widersprechen. Wenn wir nicht verstehen, daß das Geistige und Gute wirklich, das Materielle und Böse aber unwirklich sind, dann spielt sich unser Leben und unsere Erfahrung mehr in der Annahme als in der Wirklichkeit ab.
Christus Jesus bezeichnete diese Annahme als „die Welt‟. Er sagte: „In der Welt habt ihr Bedrängnis; doch seid getrost: ich habe die Welt überwunden!“ Joh. 16:33 [n. der Mengebibel]. Später lehrte Johannes, daß Jesu Sieg auch unser Sieg sein kann, wenn wir an den Christus glauben und nicht an das, was dem Christus widerspricht und was Johannes als „Geist des Widerchrists“ 1. Joh. 4:3. bezeichnete. Jesu ganzes Leben war ein Beweis oder eine Demonstration geistiger Wirklichkeit in der Sprache der Menschen der Welt. Er wurde zu Recht als der Christus bezeichnet, denn er verkörperte die geistige Idee der Vollkommenheit — eine Idee, die er in einer Form bewies und demonstrierte, die die menschliche Annahme erfassen konnte, der beides, Unvollkommenheit und Vollkommenheit, wirklich erschien. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Wissenschaft des Christus, der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr’istjən s’aiəns), beschreibt Christus als „die göttliche Offenbarwerdung Gottes, die zum Fleisch kommt, um den fleischgewordenen Irrtum zu zerstören“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 583..
Wie sehr müssen wir uns doch bemühen, die Annahme zu überwinden, daß Leben die Materie und ihre Begleiterscheinung, das Böse, einschließe! Wenn uns das gelingt, werden wir aus unserer Vorstellung, die wir vom Leben und von uns selbst haben, den Widerstand gegen das Heilen ausgelöscht haben. Warum? Weil durch das Heilen die geistige Wirklichkeit bewiesen oder demonstriert wird. Nichts in der menschlichen Erfahrung — nichts auf der Welt — beweist lebendiger und klarer die völlige Wirklichkeit des geistigen Seins als eine unanfechtbare Heilung. Und deshalb haben wir in „der Welt“ Bedrängnis (Probleme). Die Annahme, das Leben sei geistig und materiell, gut und böse, erscheint als Wesen, die wir Personen nennen. Und eingebaut in diese vermeintliche Gemeinschaft von Personen ist ein Widerstand gegen alles, was das sogenannte Gemüt dieser Annahme als falsch entlarven würde.
Es ist interessant festzustellen, daß sich die Welt der Vergeistigung des Denkens nicht grundsätzlich widersetzt, solange derjenige, der solche Vergeistigung anstrebt, auf die Annahme von Leben und Intelligenz in der Materie zurückkommt. Es hätte für die Pharisäer keine Veranlassung bestanden, Jesus umzubringen, wenn er lediglich das Erheben des Denkens über das menschliche Geschehen gepredigt hätte — was heute einige östliche Religionen oder Meditationsverfahren tun. Was sie dazu bewegte, Jesu Einfluß auf die Menschheit zu beseitigen, war die Tatsache, daß er heilte — u. a. auch körperliche Krankheiten — und dadurch die geistige Wirklichkeit bewies.
Erhebt man das Denken über die Probleme der Erde, könnte es dazu führen, daß man es genießt, darüber nachzusinnen, was einem als die herrlichen Wirklichkeiten des Prinzips und seiner Idee, des Menschen, erscheinen. Aber solche Betrachtungen vollzieht im allgemeinen das menschliche Gemüt, das sich einbildet, im Reiche des Geistes zu sein. Gerade das Sichabwenden von den Nöten der Menschheit, um sich transzendentalen Freuden hinzugeben, ist Befriedigung des Selbst ohne Liebe. Darüber hinaus ist es Selbstbetrug, denn es übersieht oder meidet die Gelegenheit, die absoluten Wahrheiten der geistigen Wirklichkeit in der Weise darzulegen, in der sie dargelegt werden müssen, wenn wir auch nur beginnen wollen, die unendlichen Wirklichkeiten des göttlichen Seins zu erfassen.
Es ist eine der großen Versuchungen, zu glauben, daß es geistiger oder besonders metaphysisch sei, es zu vermeiden, sich mit den Irrtümern des materiellen Sinnes auseinanderzusetzen — mit der Begründung, daß solche Irrtümer unwirklich sind und daher nicht existieren —, und dementsprechend zu handeln. Aber diese Versuchung ist geradezu eine Aufforderung zu unserer Selbstzerstörung als Metaphysiker. Sie ist tierischer Magnetismus, der durch Hypnose — was suggeriert? — das genaue Gegenteil von dem, was er verspricht. Anstatt zu bewirken, daß wir uns der absoluten Wirklichkeit bewußt werden, führt sie uns irre, so daß wir die Wirklichkeit nicht kennenlernen — uns entgeht die Kenntnis, die uns nur durch die Tätigkeit des Christus zuteil werden kann, durch die Offenbarwerdung der Wirklichkeit in der menschlichen Form, die wir als Demonstration bezeichnen. Diese Versuchung ist im Grunde eine Aufforderung, dem Heilen Widerstand entgegenzusetzen.
Widerstand gegen das Heilen zeigt sich auch in einer anderen Form, und zwar in der Annahme, daß wir, weil es ja in Wirklichkeit nichts zu heilen gibt, uns niemals um Heilung bemühen sollten, sondern lediglich danach trachten sollten, Gott zu verherrlichen. Dies ist Widerstand nicht allein gegen das Heilen, sondern auch gegen die Verherrlichung des göttlichen Prinzips, Gottes, denn das Heilen ist die eine wirklich wirksame Möglichkeit, Ihn zu verherrlichen.
Es erscheint in der Tat schwer verständlich, wie das Sichbefassen mit einem krankhaften materiellen Zustand dazu dienen kann, die Annahme von einem materiellen Zustand zu überwinden. Da Gott, Geist, Alles ist, kann es keine Materie geben. Warum soll man sich also mit der Materie auseinandersetzen, sei sie nun krank oder gesund? Diese Frage mag auf richtiger menschlicher Logik beruhen, aber sie hat nichts mit wissenschaftlicher Metaphysik zu tun. Die Antwort auf diese Frage lautet, daß wir, wenn wir den Glauben an die Materie überwunden hätten, nicht einmal über Heilung nachzudenken brauchten. Obgleich es also in Wirklichkeit keine Materie gibt, besteht doch in dem Gedankenbereich, in dem jemand über Krankheit klagt, ein Glaube nicht nur an Materie, sondern an erkrankte Materie. Der Glaube an die Materie muß schließlich der Wirklichkeit der Allheit des Geistes weichen. Aber zuerst muß die Annahme verschwinden, daß irgend etwas Krankes Teil der bewußten Erfahrung sein könne. Wenn es auch stimmt, daß es unmöglich ist, kranke Materie in gesunde Materie umzuwandeln, können wir doch einen falschen Begriff, der sich kranke oder sogar tote Materie nennt, in einen besseren umwandeln. Mrs. Eddy nimmt darauf Bezug; sie sagt: „Wenn Jesus Lazarus aus dem Traum oder der Illusion des Todes erweckte, so beweist das, daß der Christus einen falschen Begriff berichtigen konnte.“ Ebd., S. 493.
Jeder Anspruch von Krankheit ist eine Lüge über den Alles-in-allem. Heilung berichtigt die Lüge. Widerstand gegen das Heilen schließt die Annahme in sich, Personen bestünden zugleich aus Materie und Geist; diese Annahme sträubt sich gegen die Bloßstellung der Materie und des Bösen als nichts, da sie befürchtet, eine solche Bloßstellung würde die Identität der Person zerstören. Tatsächlich aber macht dieser Glauben an Dualismus die menschlichen Wesen, Personen, zu Sklaven, die befreit werden müssen. Jede Gelegenheit, einen kranken oder unharmonischen Zustand zu heilen, ist eine Gelegenheit, jemanden zu befreien. Und die dadurch gewonnene Freiheit oder Heilung demonstriert auf praktische Weise die Allheit und Güte Gottes. Sie legt die Wahrheit so dar, wie die Wahrheit ist: Materie nichts, Geist alles.
Wenn es uns stört, daß wir materiellen Zuständen überhaupt Beachtung schenken, wäre es vielleicht hilfreich, sich einmal zu fragen, was ein Buch ausmacht — die Bibel z. B. oder das Buch von Mary Baker Eddy, Wissenschaft und Gesundheit. Würden wir eines dieser Bücher als Materie, als Papier, Druckerschwärze und Einband bezeichnen? Nein. Sie sind für uns göttliche oder geistige Botschaften, die zu uns sprechen, wenn wir in diesen Büchern lesen. Aber nehmen wir einmal an, jemand würde eins dieser Bücher drucken und dabei einige Sätze ändern, um einer persönlichen Interpretation Ausdruck zu verleihen, oder er würde einige wichtige Wörter falsch schreiben, so daß sie genau das Gegenteil bedeuteten. Die richtige und die falsche Version bestünden aus demselben Papier und der gleichen Druckerschwärze, aber in dem einen Buch wäre die Druckerschwärze nicht richtig angeordnet. Man könnte sagen, daß wir es mit kranker Materie zu tun hätten. Ist sie weniger materiell, nachdem sie korrigiert worden ist? Nein, aber richtig angeordnet, nimmt die Materie nicht mehr unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Wenn das Buch berichtigt ist, würden wir nicht mehr an seine materiellen Bestandteile denken, sondern seine geistige Botschaft zu uns sprechen lassen.
Können wir dasselbe nicht von allem sagen, was wir gegenwärtig als nützlich betrachten? Wären wir in unserem jetzigen Stadium bereit, ohne Materie auszukommen, benötigten wir kein Buch mehr. Und wären wir bereit, ohne Materie auszukommen, benötigten wir keinen Körper mehr. Eine Darlegung zu diesem Thema, die es wert ist, studiert zu werden, findet sich in dem Buch Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes von Mary Baker Eddy, Seite 217–218. Sie hat den Titel „Eine Berichtigung“. Die Verfasserin erklärt, warum wir Krankheit verneinen, ehe wir versuchen, den Körper zu verneinen; sie zeigt, daß von uns als Nachfolgern Jesu nicht verlangt wird, den letzten Schritt vor dem ersten zu tun. Und auf Jesus Bezug nehmend, deutet sie an, wann wir damit rechnen können, den materiellen Körper abzulegen: „Der geistige Leib, die unkörperliche Idee, kam mit der Himmelfahrt.“ Dann fährt sie fort: „Jesus demonstrierte das göttliche Prinzip der Christlichen Wissenschaft, als er seinen materiellen Körper von Tod und Grab befreit zeigte.“
Jedesmal wenn Mrs. Eddy über ihre eigene Heilarbeit schreibt, zeigt sie, daß sie sich in jedem Fall direkt mit dem materiellen Anspruch auseinandersetzte. Weit davon entfernt, sich von den Symptomen abzuwenden, sah sie in jedem einzelnen Symptom eine falsche Darlegung der Wahrheit, und sie berichtigte diese falsche Darlegung, so daß der Körper ein Bild bot, das in Einklang mit der Wahrheit stand. In einem Fall spricht sie davon, daß ihre Behandlung die Wirkung der Annahme der Patientin auf die Organe des Körpers änderte. S. Wissenschaft und Gesundheit 185: 4–7. Ein anderes Mal berichtet sie, daß sie innerhalb einer Stunde einen Mann heilte, der unter Darmverschluß litt und den die Ärzte, nachdem sie ihm eine dreifache Dosis Crotonöl verabreicht hatten, aufgegeben hatten. Sie schreibt, daß sie die Verstopfung behob, das Leiden heilte und die giftige Wirkung des Öls unwirksam machte. S. Vermischte Schriften 69:11–28. Ihre Abhandlungen zu dem Thema „Heilen“ führen uns immer dazu, dem Problem direkt entgegenzutreten und die Wahrheit des Seins auf den Zustand anzuwenden, wie er sich in der Annahme des Patienten, dessen Umgebung und der Welt darstellt.
Wenn wir der Führung Mrs. Eddys in der Ausübung des christlichwissenschaftlichen Heilens folgen — alles, was sie in ihren Schriften über das Heilen sagt, gründlich studieren und ihre Methode betätigen —, dann werden wir fraglos feststellen, daß ihre Lehren uns von den angesammelten Theorien befreien, die den Widerstand gegen das Heilen ausmachen, einschließlich der Theorie, daß der Mensch eine Person sei, die aus Gutem und Bösem bestehe. Und das einzige, dessen wir uns dann bewußt werden können, ist die beständige und umfassendere Demonstration der grenzenlosen Vollkommenheit des Menschen, der zum Ebenbild des göttlichen Prinzips erschaffen ist.
