Das Leben von Heiligen verschiedener Zeitalter, verschiedener Konfessionen und selbst verschiedener Weltreligionen weist auffallende Ähnlichkeiten auf: Wie begrenzt ihr Verständnis von dem unpersönlichen Wesen Gottes als dem göttlichen Prinzip auch gewesen sein mag, all diese Männer und Frauen waren von einer innigen Liebe zu Gott erfüllt, die ihr ganzes Sein durchdrang. Was ihr Antlitz von überirdischer Freude erstrahlen ließ und sie mit einer heilenden, friedvollen Aura umgab, war „das stete Denken ... an Gott“ Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 260.. Eine unstillbare, tiefe Sehnsucht nach Gott und eine kindliche, hingebungsvolle Liebe zu Ihm kennzeichneten ihr Leben. Die Folge war, daß es sie danach verlangte, ihr ganzes Sein Gott zu weihen.
Christus Jesus brachte in seiner Darlegung des mosaischen Gesetzes klar zum Ausdruck, wie notwendig selbstlose Liebe ist: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte“ und: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Matth. 22:37, 39. Ferner sagte er: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.“ Matth. 16:24. Und Mrs. Eddy wiederholt diesen Gedanken in Wissenschaft und Gesundheit viele Male. Sie schreibt z. B.: „Damit du einen Gott haben und dir die Kraft des Geistes zunutze machen kannst, mußt du Gott über alles lieben.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 167. Außerdem beginnt unsere Führerin das erste Kapitel in Wissenschaft und Gesundheit mit den folgenden Worten: „Das Gebet, das die Sünder umwandelt und die Kranken heilt, ist ein absoluter Glaube, daß bei Gott alle Dinge möglich sind — ein geistiges Verständnis von Ihm, eine selbstlose Liebe.” Ebd., S. 1.
Die Prioritäten sind deutlich: Der Ausgangspunkt für geistiges Wachstum ist eine selbstlose Liebe zu Gott. Sie entwickelt sich in uns auf natürliche Weise, je besser wir Gottes Wesen verstehen lernen — z. B. durch das Studium jener Stellen in der Heiligen Schrift, die offenbaren, was Er eigentlich ist. Diese Liebe wird von unserer Hingabe an Gott begleitet werden, die unser Verständnis vom Menschen als Seinem Kind vertieft und unsere Fähigkeit, Sünde und Krankheit zu heilen, erhöht.
Wir tun gut daran, uns oft zu fragen: Was bedeutet uns die Christliche Wissenschaft? Halten wir sie nur für eine höhere Form von Medizin, die wir benutzen, weil materielle Mittel versagen? Betrachten wir sie bloß als ein Allheimittel für unsere kleinen und großen Probleme im Berufs- und Geschäftsleben und in persönlichen Beziehungen zu unseren Mitmenschen? Die Christliche Wissenschaft erweist sich hinsichtlich aller Probleme als ausgesprochen heilsam; aber diese äußerlichen Berichtigungen und Harmonisierungen sind lediglich Begleiterscheinungen eines gewaltigen, geistigen Abenteuers, das uns umwandelt. Auf dieses Abenteuer lassen wir uns ein, wenn Gott das A und O in unserem Leben wird.
Kein blinder Glaube, keine ekstatische Gottesverehrung wird von uns verlangt. Vielmehr ist uns die Wissenschaft des Christus gegeben, die klare, logische und demonstrierbare geistige Erkenntnisse enthüllt wie: Gott ist gut; Gott ist Geist; Er ist alle Intelligenz, Allgegenwart, Allmacht; und der Mensch ist Sein Ebenbild. Unsere selbstlose Liebe zu Gott basiert auf dem geistigen Verständnis metaphysischer Tatsachen. Sie findet ihren Ausdruck in konsequenter Treue zu Ihm, der Leben, Wahrheit, Liebe, Seele, Gemüt, Prinzip, Geist ist — kurz zu all den Aspekten, die Gottes Wesen ausmachen.
Je besser wir die für die materiellen Sinne unsichtbare geistige Wirklichkeit von Gottes Universum verstehen und je klarer wir sie erschauen, desto größer wird unsere Ehrfurcht vor ihr. Unsere Bereitschaft wächst, Gottes mächtige Allheit demütig anzuerkennen und Ihn in unserem Denken, Sprechen und Handeln zu verherrlichen. Wenn wir den irrigen Anspruch, daß es eine ichbezogene, von Gott getrennte Identität und viele oft miteinander widerstreitende persönliche „Ichs“ gebe, immer besser zurückweisen und auch die falsche Vorstellung aufgeben, wir seien sterbliche, begrenzte Körperlichkeiten, können wir Gott anbeten, indem wir Ihm mit demütiger Hingabe dienen und der Menschheit helfen. Unser geistiges Wachstum hängt also vor allem von unserer hingebungsvollen Liebe zu Gott ab.
Nachdem ich von einem Auto angefahren worden war, hatte ich reichlich Gelegenheit, meine Treue zu den Wahrheiten, die die Christliche Wissenschaft offenbart, zu beweisen. Dadurch, daß ich an dem Gedanken von Gottes unfehlbar regierender Gegenwart festhielt und mich bemühte, Seine Liebe widerzuspiegeln, heilten die Wunden in wenigen Tagen. Die größte Herausforderung war jedoch ein Zahn, der bis zur Wurzel gespalten war und den der Zahnarzt meinte ziehen zu müssen. Da ich in der unmittelbaren Vergangenheit wider mein besseres Wissen unrecht gehandelt hatte und dies tief bereute, empfand ich den großen Wunsch, meine absolute Treue zu Gottes Allmacht und zur geistigen Identität des Menschen zu beweisen. Ich dankte Gott für das geistige Erwachen, und anstatt über mein körperliches Problem nachzudenken, bemühte ich mich, von Gott Zeugnis abzulegen und Ihn zu verherrlichen. Jedesmal wenn ich versucht war, Schmerzen als eine Macht neben Gott anzuerkennen, beschloß ich, diese Lügen zu verneinen und daran festzuhalten, daß Intelligenz, Leben, Substanz Gott angehören.
Eines Nachts erwachte ich mit heftigen Zahnschmerzen und rang wie zuvor darum, Gott die Treue zu halten. Ich bekräftigte energisch, daß ich meinen Kurs nicht aufgeben würde, ganz gleich, wie qualvoll die Suggestionen von Schmerzen auch sein mochten. Ich begann zu lesen, schlief ein und war geheilt. Die Zahnwurzel festigte sich wieder, das Zahnfleisch schloß sich; und der Zahn hat seitdem seine Aufgabe durchaus erfüllt.
Vom Geist des Christentums inspiriert, können wir uns der Unmittelbarkeit, der Vertrautheit und Lebendigkeit unserer bewußten Beziehung zu Gott erfreuen. Wir haben das Vorrecht, die Christliche Wissenschaft, die uns von unserer Führerin geschenkt wurde, systematisch zu studieren, und wie den Heiligen in vergangenen Zeiten ist es auch uns möglich, den Heiligen Geist zu empfangen.
Eine inspirierte Einsicht in die stets wirksamen Gesetze Gottes und ein Herz, das von heiliger Hingabe erfüllt ist, entspringen einem geistigen Verständnis und einer selbstlosen Liebe und fördern sie.
„Wir wollen mit Abstraktionen aufräumen“, schreibt Mrs. Eddy. „Wir wollen uns in die Gegenwart von Ihm begeben, der alle Sünde hinwegnimmt und heilet alle unsere Gebrechen.“ Vermischte Schriften, S. 174.