Vor mehr als zwanzig Jahren war ich ein trauriges, unglückliches Geschöpf, obgleich ich meinte, mit Schönheit und Intelligenz, Talent und Erfolg gesegnet zu sein; auch stand ich mit bedeutenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Kultur und Kunst in Verbindung (ich selbst war Malerin, Schriftstellerin und Journalistin). Die religiöse Tradition meiner Familie belastete mich sehr; mit Bitterkeit hatte ich die Vorstellung akzeptiert, einen hohen Preis zahlen zu müssen, weil ich so viel Talent besaß.
Meine Mutter litt dauernd unter Nervenzusammenbrüchen, die sie zum Teil mit ihrem schweren und eintönigen Leben rechtfertigte. Ich glaubte, ihre Anfälligkeit für nervöse Erregungen ererbt zu haben. Ich war äußerst schwach und litt oft an nervöser Erschöpfung. Die Ärzte teilten mir mit, daß ich einen sehr niedrigen Blutdruck hätte. Quälende Furcht vor fast allem machte es mir unmöglich, allein auszugehen oder allein zu Hause zu bleiben. Außerdem klammerte ich mich an die Menschen, die ich kannte, obwohl sie machtlos waren und mir nicht helfen konnten. Die Tatsache, daß ich einen fünfjährigen Sohn hatte, zwang mich weiterzuleben. Aber wie?
Eines Tages traf ich zufällig eine mir flüchtig bekannte Journalistin, die ich ganz impulsiv zu mir nach Hause einlud. Ich versuchte, meine Beunruhigung vor ihr zu verbergen, aber sie ließ sich nicht täuschen. Sie sagte zu mir: „Sie haben etwas auf dem Herzen. Vielleicht ist nicht alles in Ordnung. Kann ich Ihnen helfen?“ Ich erwiderte nur, daß ich keinen Ausweg sähe. Sie erzählte mir von der Christlichen Wissenschaft. Daraufhin kaufte ich ein Exemplar des Buches Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy und begann, die Gottesdienste einer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, zu besuchen. Dort lernte ich eine Ausüberin der Christlichen Wissenschaft kennen, die mir half, Heilung durch Gebet und das Studium der Christlichen Wissenschaft zu finden. Dieses Studium fiel mir jedoch sehr schwer.
Es gab immer etwas, was mich von dem Buch ablenkte, und meine Intellektualität kritisierte Stil und Aufbau. Während meiner Besuche bei der Ausüberin behauptete sich das menschliche „Ich“ mit seiner Selbstrechtfertigung und Selbstverdammung, selbst wenn ich bei ihr mit dem demütigen und ernsthaften Wunsch eintraf, die überwältigende Furcht zu überwinden und einen Weg der Erlösung zu finden.
Trotzdem erlebte ich sofortige Heilungen — sie zeigten mir, daß ich auf dem richtigen Weg war. Eine Zyste an meiner rechten Hand, die man für inoperabel hielt, verschwand, und finanzielle Schwierigkeiten, die Unheil zu bringen drohten, wurden gelöst, ohne daß jemand einen Verlust erlitt. Doch ich war immer noch weit davon entfernt, eine Christliche Wissenschafterin zu sein. Es fiel mir nicht leicht, Gott zu verstehen, Ihn zu lieben, mich von materialistischen Vorstellungen und abergläubischen Annahmen zu befreien. Dieses Ringen mit einer falschen, sterblichen Vorstellung vom Selbst dauerte eine Reihe von Jahren.
Schließlich zogen mein Sohn und ich inmitten vieler Schwierigkeiten nach Rom. Dort fand ich eine schöne Wohnung und wurde in der Kirche mit anderen Christlichen Wissenschaftern bekannt. Dann entstand eine neue Krise, die von allen vielleicht die ernsteste war. Mein inzwischen zum Teenager herangewachsener Sohn entschloß sich, allein zu wohnen. Durch seine politischen Interessen lernte er einige fragwürdige junge Leute kennen. Die Verbindung mit ihnen gefährdete den erfolgreichen Abschluß seines Universitätsstudiums, obwohl er bis dahin ein ausgezeichneter Student gewesen war.
Ich fühlte mich tief verletzt und glaubte, auf der ganzen Welt niemanden mehr zu haben — nicht einmal jemanden, der mich bemitleidete. Ich versank in tiefe Verzweiflung. Doch eine mit mir befreundete Ausüberin betete ernsthaft für mich. Und ich fand Trost, wenn ich die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit studierte; auch las ich die christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften.
Jetzt, beinahe sechs Jahre später, bin ich Gott von Herzen dankbar. Ich weiß, daß Er mich liebt und immer gegenwärtig ist. Nur durch das tiefe Verlangen, das Wesen der Liebe zu verstehen, habe ich gelernt, diese Liebe zum Ausdruck zu bringen. Nun ist es mir möglich, über jeden freundlich zu denken. Die Last der Ängste und Fehler, für die anscheinend ein anderes Familienmitglied verantwortlich war, wurde beseitigt.
Meine Gesundheit ist wiederhergestellt, und ich habe die Kraft und Zeit, vieles zu leisten, was mir Freude bereitet. In den letzten Jahren habe ich meine Talente wiederentdeckt. Täglich bieten sich mir neue Möglichkeiten. Meine Tätigkeit wird anerkannt und hat sich erweitert. Meine journalistische Arbeit und die Produktion von Dokumentarfilmen sind sehr erfolgreich. Mein Sohn kehrte von sich aus zurück. Er hat inzwischen einen akademischen Grad mit Auszeichnung erworben und wurde unter seinen Mitstudenten als einer der Besten bezeichnet. Wir kommen gut miteinander aus, würdigen und respektieren uns gegenseitig.
Im Buch Hiob habe ich eine großartige Lektion für mich gefunden (11:13–15): „Wenn aber du dein Herz auf ihn richtest und deine Hände zu ihm ausbreitest, wenn du den Frevel in deiner Hand von dir wegtust, daß in deiner Hütte kein Unrecht bliebe: so könntest du dein Antlitz aufheben ohne Tadel und würdest fest sein und dich nicht fürchten.“ Meine Arbeit beruht auf einem Verständnis von Gott, auf meinem liebevollen Verständnis für andere. Weil ich selbst aus tiefer Dunkelheit zum strahlenden Licht geführt wurde, hoffe ich, jenen helfen zu können, die noch nach diesem Licht des Christus suchen. Ich bete darum, des geistigen Reichtums würdig zu sein, der mir uneingeschränkt zuteil wird, und zu lernen, diesen Reichtum ebenso uneingeschränkt mit anderen zu teilen.
Rom, Italien
