Was geschieht, wenn wir den engen persönlichen Kontakt in einer Freundschaft, die uns lieb und teuer ist, aufgeben müssen? Wie können wir Trost finden?
Vielleicht hilft uns der Bericht von Julia S. Bartlett über ihre Freundschaft mit Mary Baker Eddy. Julia Bartlett war eine besonders treue Schülerin Mrs. Eddys. Und der persönliche Kontakt, der sie mit ihrer Lehrerin verband, war für sie sehr wertvoll. Oft wurde sie nach vollendetem Tagewerk von ihrer Lehrerin zu einem Gespräch eingeladen.
Als aber die Anforderungen an Mrs. Eddy als Führerin der christlich-wissenschaftlichen Bewegung wuchsen, erkannte Fräulein Bartlett, wie wichtig es war, diese gemeinsamen kurzen Begegnungen aufs äußerste zu nutzen. Sie berichtet über diese Erfahrung: „Ich sagte zu Mrs. Eddy, wie sehr ich immer meine Besuche bei ihr schätze und wieviel Freude sie mir bereiteten, daß ich aber das Gefühl hätte, ich dürfe ihre Zeit nicht in Anspruch nehmen und ihr nicht zusätzlich zu allem, was von ihr gefordert werde, noch weitere Lasten aufbürden; ich verstände es, wenn sie mich nicht mehr zu sich bäte; ich sei aber jederzeit bereit zu kommen, wenn ich ihr in irgendeiner Weise dienen könne. Ich sagte zu ihr: ‚Ich liebe Sie, und ich weiß, daß Sie mich lieben, aber ich brauche Sie nicht persönlich zu sehen, um das zu wissen.‘ Als ich den wunderschönen Ausdruck sah, der über ihr Gesicht kam, und hörte, was sie sagte, wußte ich, was meine Worte ihr bedeuteten, und ich war glücklich.“ We Knew Mary Baker Eddy (Boston: The Christian Science Publishing Society, 1979), S. 52. In diesem Geist selbstloser Liebe erfreute sich Fräulein Bartlett weiterhin der konstruktiven Besuche bei ihrer Führerin, Lehrerin und Freundin im Interesse der Sache, die ihnen beiden so sehr am Herzen lag.
Der Gedanke, der hinter jenen Worten steht: „Ich liebe Sie und weiß, daß Sie mich lieben, aber ich brauche Sie nicht persönlich zu sehen, um dies zu wissen“, kann uns trösten, wenn wir uns von unseren Lieben trennen müssen. Das Wesen tiefster Freundschaft ist die göttliche Liebe; wenn diese Liebe in unserem Bewußtsein gegenwärtig ist, werden menschliche Umstände uns das Herz nicht mehr so schwermachen. Wir werden entdecken, daß unsere Nöte durch die immergegenwärtige Liebe in ganz neuer Weise gestillt und wir zu immer größerem geistigen Wachstum geführt werden. Wenn wir uns um Trost an den Christus wenden, lernen wir eine noch tiefgreifendere Lektion — daß wir für immer miteinander vereint sind, weil wir alle als Gottes Kinder unseren Ursprung in Ihm haben.
Sehen wir im Menschen einen Sterblichen, dann scheinen uns ganz natürlich Zeit, Entfernung und Tod von unseren Mitmenschen zu trennen. Doch der Mensch, das Ebenbild Gottes, ist unsterblich. Unsere wahre Identität und Individualität ist in Wirklichkeit der unsterbliche Mensch, der geistige Ausdruck Gottes, der ewiges Leben und allumfassendes Gemüt ist. Als Ausdruck dieses Gemüts spiegeln wir dessen ständige, liebevolle Fürsorge für alle Identitäten wider — auch derer, die wir Verwandte und Freunde nennen.
Des Menschen geistige Identität besteht aus ewigen, göttlichen Eigenschaften wie Liebe, Intelligenz und bewußte Freude. Diese Eigenschaften sind immer da, weil Gott allgegenwärtig ist. Tatsächlich können wir von den göttlichen Eigenschaften, die die Identität unserer Lieben ausmachen, nicht getrennt werden, denn Gott erhält die Identität des Menschen immerdar aufrecht.
Um uns also der beständigen Gegenwart eines Freundes innig bewußt zu sein, müssen wir Gott näherkommen und die göttliche Liebe, die das wahre Leben unseres Freundes ist, bezeugen. Dann fühlen wir die unauflösliche Verbundenheit der Ideen Gottes.
Wahre Freundschaft kann durch den Tod niemals wirklich verlorengehen. Wir lesen in Mrs. Eddys Buch Kanzel und Presse: „Wenn das Licht einer Freundschaft nach der anderen die Erde für den Himmel verläßt, entfachen wir an seiner Stelle die leuchtende Glut einer todlosen Wirklichkeit.“ Kanzel, S. 5. Könnte diese „todlose Wirklichkeit“ nicht das Verständnis sein, daß jeder individuelle Ausdruck Gottes ewiglich im göttlichen, unsterblichen Gemüt lebt? Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Das allmächtige und unendliche Gemüt hat alles gemacht und schließt alles in sich.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 206. Da das göttliche Gemüt unser wahres Gemüt ist, sind Sie und ich für immer in Gottes Universum miteinander vereint.
Wenn wir über die persönliche Auffassung von uns selbst und anderen als begrenzten, fleischlichen Sterblichen hinauswachsen und anfangen, die wahre unkörperliche Identität des Menschen im Christus, in der geistigen Idee Gottes, zu erkennen, wird unsere menschliche Erfahrung freier und glücklicher sein. Wir brauchen uns nicht länger besitzergreifend an unsere Freunde zu klammern, denn wir verstehen nun, daß wir in der Allheit der Liebe vereint sind. Wir entdecken, daß uns Entfernungen und Zeit nicht mehr kümmern. Wir haben eine so klare Vorstellung von der Identität unserer Freunde, daß wir uns nicht mehr von ihnen getrennt fühlen. Wenn wir sie dann wiedersehen, wird die Beziehung so herzlich wie immer sein, denn Zeit und Raum können die Eigenschaften der göttlichen Liebe weder antasten noch ändern. Mrs. Eddy schreibt: „Wo Gott ist, können wir einander begegnen, und wo Gott ist, können wir uns niemals trennen.“ Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 131. Welch großer Trost liegt doch in diesen Worten!
Wir alle können uns an die geistige Wahrheit der ewigen Identität des Menschen im Gemüt wenden, um eine jede Annahme von Kummer oder Trennung zu heilen. Christus Jesus sagte zu seinen Jüngern vor der Kreuzigung und Auferstehung: „Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.“ Joh. 16:22.
Wenn wir auch noch nicht das volle geistige Bewußtsein erlangt haben, das Christus Jesus hatte, so können wir uns doch darüber freuen, daß die wahrhaftige Identität des Menschen unsterblich ist und daß „eure Freude ... niemand von euch nehmen“ soll.
Fräulein Bartlett schließt ihren Bericht über ihre Freundschaft und über ihre letzte Begegnung mit Mrs. Eddy mit den folgenden Worten: „Ich ahnte nicht, daß es das letzte Mal war, an dem ich sie persönlich sah, aber ich habe niemals das Gefühl gehabt, daß unsere geliebte Führerin von uns getrennt sei, denn sie hatte uns gelehrt, das Wirkliche nicht in ihrer menschlichen Person zu suchen, sondern allein in der geistigen Idee, von der es keine Trennung gibt; und in dieser Weise denke ich in Liebe an sie und bemühe mich weiterhin, ihren Lehren zu folgen.“ We Knew Mary Baker Eddy, S. 52.
Wenn wir die Lehren der Christlichen Wissenschaft befolgen, heben wir den Wert unserer Freundschaften in den Bereich des allgegenwärtigen göttlichen Lebens und der allgegenwärtigen göttlichen Liebe, wo sie niemals verlorengehen können.