Der Morgen braucht nicht eine trübe, verschlafene Angelegenheit zu sein. Man muß nicht im letzten Augenblick aus dem Bett kriechen, sich in aller Eile anziehen, das Frühstück hinunterschlingen und in mentaler Umnebelung und dem Gefühl, überhaupt nicht für den Tag gerüstet zu sein, zur Arbeit hetzen. Es gibt eine bessere Möglichkeit!
Dies stellte ich fest, als ich nach einigen Jahren, die ich meines Kindes wegen zu Hause geblieben war, wieder berufstätig wurde. Der neue Zeitplan machte mir schwer zu schaffen, und ich fand mich kaum noch zurecht. Mental unvorbereitet kam ich morgens ins Büro, und oft ging nicht immer alles glatt vonstatten. Ich war es gewohnt, morgens viel Zeit zum Beten und Studieren der wöchentlichen Bibellektion aus dem Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft zu haben.
Wie Christliche Wissenschafter überall in der Welt feststellen, bietet ihnen die Bibellektion die Möglichkeit, regelmäßig und diszipliniert die geistigen Wahrheiten zu studieren, die in der Bibel und in Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy zu finden sind.
Das tiefere Verständnis von Gott, das man durch diese Bücher gewinnt, führt zu Einheit im Denken und hat eine nachhaltige Wirkung auf die Welt. Mrs. Eddy schreibt: „Ein ,stilles sanftes Sausen' des wissenschaftlichen Gedankens erstreckt sich über Land und Meer bis zu den fernsten Grenzen des Erdballs.” Wissenschaft und Gesundheit, S. 559. Um wieviel mehr wird dies von den Christlichen Wissenschaftern überall in der Welt empfunden, wenn sie die Lektionspredigt regelmäßig studieren! Mrs. Eddy schreibt ferner im Handbuch Der Mutterkirche, daß die Wohlfahrt der Christlichen Wissenschaft in hohem Maße von dieser Lektionspredigt abhängt, die jeden Sonntag in jeder Kirche der Christlichen Wissenschaft auf der ganzen Welt gelesen wird. Siehe Handb., Art. III Abschn. 1.
Es machte mir sehr zu schaffen, daß ich keine Zeit mehr für Studium und Gebet hatte. Ich wollte meine Aufgabe als Christliche Wissenschafterin erfüllen, und ich merkte auch, daß ich tagsüber jene kraftspendenden geistigen Ideen für meine Arbeit einfach brauchte. Wenn ich nämlich die Lektion am Abend las, war sie scheinbar bei weitem nicht so segensreich für mich. Die geistige Erneuerung, Stärke und Ermutigung, die ich durch mein morgendliches Studium und Gebet gewonnen hatte, vermißte ich nun. Aber noch früher aufzustehen schien mir einfach unmöglich!
Als dann zunehmende Müdigkeit, körperliche Probleme und Konflikte mit Mitarbeitern im Büro mich mehr und mehr belasteten, erkannte ich, daß ich einen Weg finden mußte, mein morgendliches Studium der Lektion wiederaufzunehmen. Ich beschloß, um fünf Uhr aufzustehen, um sicher zu sein, in aller Ruhe eine Stunde die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit studieren zu können, auch wenn ich im Badezimmer, an die Wanne gelehnt, auf dem Boden würde sitzen müssen. Ich wollte meine Familie, die um diese Zeit noch schlief, nicht stören. Und das Badezimmer war wirklich der einzige Raum in unserer kleinen Wohnung, der mir zur Verfügung stand.
Ich dachte an die Worte des Psalmisten: „Herr, frühe wollest du meine Stimme hören, frühe will ich mich zu dir wenden und aufmerken.” Ps. 5:4. Ich machte mir klar, daß ich nicht dafür leiden konnte, daß ich Gott meine Zeit widmete, und ich bestand mental darauf, daß ich ein Recht auf diese Stunde des „Aufmerkens” hatte. Zuerst war es recht schwer, aber ich gewöhnte mich schneller daran, als ich erwartet hatte, und begann, mich auf meine frühe Stunde allein mit Gott zu freuen. Und natürlich stellte ich fest, daß das Wort Gottes, das ich in meinem Denken aufgenommen hatte, mir den ganzen Tag über Kraft gab.
Einige Male fühlte ich mich z. B. beim Aufwachen ganz elend; aber nachdem ich die Lektionspredigt studiert hatte, war ich genügend erhoben und ermutigt, um zur Arbeit gehen zu können, was unmöglich erschienen war. Natürlich ist es nicht einfach das Lesen der Worte in der Bibel und in Wissenschaft und Gesundheit, das heilt. Was heilt, ist die Realisation ihrer Bedeutung im Gebet und die sich daraus ergebende Vergeistigung des Denkens. Welch ein Sieg war es jedesmal, wenn ich in diesen Situationen nach gebeterfülltem Studium der Lektion zur Arbeit gehen und so die Freiheit eines Kindes Gottes zum Ausdruck bringen konnte!
Es war eine Zeit großen Wachstums, eine Zeit, in der viele schwierige Probleme gelöst wurden. Im Büro ging allmählich alles besser, und ich blieb acht Jahre an meinem Arbeitsplatz, der anfangs sehr unsicher schien. In den darauffolgenden Jahren habe ich die Gewohnheit beibehalten, zu beten und die Lektionspredigt zu studieren, bevor ich zur Arbeit gehe. Noch ehe der Morgen dämmert, sitze ich jetzt am Fenster einer wesentlich größeren Wohnung. Während die Stadt zum großen Teil noch schläft, erlebe ich mit Hilfe meiner Bücher Augenblicke der Inspiration, die jede menschliche Vorstellung von Ruhe, die ein paar Stunden Schlaf zu geben scheinen, weit übertreffen. Nun sehe ich dem Tag viel fröhlicher entgegen und bin besser für ihn gerüstet als in der Zeit, als ich so viel später aufstand.
Wenn ich den Tag mit der geistigen Stärkung durch die Bibellektion beginne, erhalte ich immer die nötige Inspiration, um die Probleme — seien sie groß oder klein — , die sich mir tagsüber stellen, zu lösen. Die Lektion schützt uns auch gegen die Versuchung und jeden anderen Irrtum, der den Anspruch erhebt, wahr zu sein. Wir lassen uns von den falschen Argumenten des Teufels nicht so leicht irreführen, wenn wir unsere mentale Rüstung angelegt haben. Wie Nehemia werden wir festbleiben und erwidern: „Es ist nichts von dem geschehen, was du da sagst; du hast es dir in deinem Herzen ausgedacht.“ Neh. 6:8.
Eine Bekannte, eine Christliche Wissenschafterin, wies mich einmal auf die Definition von „Tag“ im Glossarium von Wissenschaft und Gesundheit hin. Diese lautet auszugsweise: „Der Strahlenglanz des Lebens; Licht, die geistige Idee der Wahrheit und Liebe.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 584. Meine Bekannte sagte: „Ich habe festgestellt, daß ich viel weniger in mich aufnehme, was die Welt mir über Leben sagen will, wenn ich den Tag damit beginne, dieses Leben, diese Liebe und diese Wahrheit auszustrahlen.“ Das hat mir geholfen, meinem Tag eine Grundlage im Bewußtsein zu geben, bevor ich aus dem Hause gehe. Wenn wir die Freude und das Vertrauen ausstrahlen, die Wahrheit uns verleiht, statt ein Gefühl der Unsicherheit und Verwirrung zu vermitteln, wird das, was wir tun, sich nicht als belastend erweisen, sondern zu einer Gelegenheit werden, die Eigenschaften Gottes zum Ausdruck zu bringen und Seine Wahrheit zu demonstrieren.
