Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, daß sie eins seien gleichwie wir... ich in ihnen und du in mir, auf daß sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, daß du mich gesandt hast und liebst sie, gleichwie du mich liebst.
Johannes 17:11, 23
Es liegt eine große Macht in vereintem, geistig erleuchtetem Gebet. Dennoch mögen selbst diejenigen, die die Macht des Gebets in ihrem eigenen Leben erfahren haben, vielleicht die Ergebnisse unterschätzen, die ein Volk herbeiführen kann, das im Gebet vereint ist.
Im Dezember 1984 berief Die Mutterkirche eine weltweite Versammlung ein, an der alle Christlichen Wissenschafter durch gleichzeitige Satellitenübertragung teilnehmen konnten. Auf diesem einzigartigen Treffen wurden sie aufgefordert, gemeinsam über die ernsten Gefahren nachzudenken, die unseren Planeten bedrohen, und über die geistigen Mittel, die diese Gefahren aufheben und den Frieden auf Erden bringen. Diese Versammlung war zum großen Teil ein Aufruf zum Gebet — und ein Aufruf, unsere Gebete konsequenter in die Tat umzusetzen.
Warum ist es so wichtig, daß wir uns im Gebet vereinen? Das menschliche Bewußtsein muß vor allem von der schrecklichen Vorstellung der Trennung geheilt werden — der Trennung von Gott und von den Mitbürgern auf unserem Planeten. Wir müssen von der Auffassung frei werden, daß es unüberbrückbare Unterschiede zwischen uns gebe.
Unter der vollkommenen Herrschaft des Vaters sind wir alle in unserer gottgeschaffenen Identität auf wunderbare und harmonische Weise mit Ihm verbunden. Gott kennt keine Trennung von Seinen geliebten Kindern. Und Er kennt keine Trennung unter Seinen Kindern.
Gebet kann uns eigentlich Gott nicht näher bringen, als wir es in unserem wahren Sein schon sind, denn wir sind niemals von unserem Schöpfer getrennt. Gebet rückt aber die geistige Tatsache der Einheit für uns in den Mittelpunkt; es bringt uns in Harmonie mit der Wahrheit des wirklichen und harmonischen Daseins der Kinder Gottes. Wir brauchen das Gebet, weil es die Einheit des Menschen mit Gott offenbart und uns zeigt, wie wir diese Einheit in unserem Leben beweisen können. Es lehrt uns, wie alle Menschen friedlich zusammen leben können, auch dann, wenn ihre Interessen scheinbar sehr weit auseinandergehen.
Als Christus Jesus nach seiner Auferstehung mehrere Male seinen Nachfolgern erschien, lehrte und tröstete er sie. Dann erhob er sich über ihren Gesichtskreis hinaus, und sie blieben zurück, um die Aufgabe zu übernehmen, die er ihnen übertragen hatte. Sie sollten in alle Welt gehen und in seinem Namen predigen und heilen.
Die Jünger müssen wohl viele Fragen gehabt haben, wie diese Welt-mission auszuführen sei! Wie sollte z. B. diese neue Kirche aufgebaut und fest begründet werden? Wie sollte sie in einer Welt erfolgreich sein, die so hart und gefühllos zu sein schien? Jesus hatte über seine Kirche gesagt, daß „die Pforten der Hölle“ sie nicht überwältigen würden. Aber hier war eine winzige Minderheit — eine kleine Gruppe von Menschen, die nicht außergewöhnlich waren; sie besaßen weder große Ausbildung, Geld noch Einfluß. Wie konnten sie diese weitreichende Mission verstehen und ausführen — sie, die selber nur ein bescheidenes Leben führten? Sie müssen sich danach gesehnt haben, es zu erfahren. Sie verfügten zwar über keine weltliche Macht, doch sie waren von einem tiefen unbegrenzten Glauben erfüllt. Sie folgten der Anweisung, die Christus Jesus ihnen gegeben hatte, und warteten in Jerusalem.
Das zweite Kapitel der Apostelgeschichte beginnt mit dem Bericht über das besondere Ereignis, das die Christen als Pfingsten bezeichnen — hier fühlten die Jünger, obwohl Christus Jesus nicht körperlich als ihr Lehrer anwesend war, die Macht des Christus, die er verkörperte. Noch nie zuvor hatten sie die Gegenwart Gottes so empfunden. Das Ergebnis war bemerkenswert. Die Schranken zwischen Menschen unterschiedlicher Sprachen und Kulturen fielen plötzlich. Die Heilige Schrift erschloß sich ihnen, und jeder der Anwesenden hörte das Wort so, daß er es verstehen konnte.
Pfingsten hatte eine tiefe Wirkung auf diejenigen, die anwesend waren, und auf die anderen, die von dem geistigen Licht berührt wurden, das jene empfingen. Eine entscheidende Folge aus der Pfingsterfahrung war, daß die Furcht der Jünger, ihre Mission zu beginnen, abnahm. Eine weitere bestand in dem starken Antrieb zum Heilen. Ihre Arbeit näherte sich allmählich dem Heilungswerk des Meisters. Nach Pfingsten wußten sie, was sie tun mußten. Obwohl die junge Kirche verfolgt wurde, entfaltete sie sich. Die Jünger hatten etwas davon erfaßt, wie Jesus sein Werk vollbracht hatte.
Mary Baker Eddy, die die Christliche WissenschaftChristian Science (kr’istjən s’aiəns) entdeckte und gründete, beschreibt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, wie die Jünger nach der Himmelfahrt Jesu den Heiligen Geist empfingen. „Sie bemaßen den Menschen nicht mehr nach dem materiellen Sinn“, schreibt sie. „Nachdem sie die wahre Idee von ihrem verherrlichten Meister gewonnen hatten, wurden sie bessere Heiler, da sie sich nicht länger auf die Materie stützten, sondern auf das göttliche Prinzip ihrer Arbeit. Das Einströmen des Lichts war plötzlich. Manchmal war es eine überwältigende Kraft wie an dem Tag der pfingsten.“Wissenschaft und Gesundheit, S. 47.
Sie entdeckten, daß Gott die Quelle der heilenden Macht ist; daß diese Macht nichts Geheimnisvolles ist und nur Jesus gehörte, sondern daß sie überall und immer erreichbar ist. Sie stützten sich nicht auf eine Person, die nicht mehr bei ihnen war. Sie brauchten sich nicht auf begrenzte menschliche Hilfsquellen zu verlassen. Was sie schließlich erkannten, war die Tatsache, daß menschliche Macht letzten Endes keine wirkliche Hilfsquelle oder Macht ist; alles, was Gott schafft, wird allein von Seiner segnenden Macht regiert. Sie konnten sich also ganz auf Gott verlassen und das Wirken Seiner Macht sehen.
Was für ein Unterschied war das für sie und ist es für uns, die Erben derselben Verheißung! Denn wir sind diejenigen, die Christi Jesu Wirken in unserer Zeit fortsetzen und in das nächste Jahrhundert hineintragen sollen. Wir müssen lernen, was die Jünger Jesu befähigte, so erfolgreich in seine Fußtapfen zu treten und zu heilen.
Ein biblischer Ausspruch weist auf die Bedingung hin, durch die die Kraft des Pfingstens erkannt und von den Jüngern gelebt werden konnte. Am Tag der Pfingsten, heißt es in der Bibel, „waren sie alle beieinander an einem Ort“ Apg. 2:1..
„Beieinander an einem Ort” ! Was bedeutet das für uns, die wir zutiefst danach verlangen, das wunderbare Einströmen von Heilung und Verständnis zu erfassen, das jenen Tag kennzeichnete? Bedeutet es bloß, daß sie körperlich zur selben Zeit am selben Ort versammelt waren? Es mußte doch bestimmt mehr sein. Jesus hatte von seinem Einssein mit dem Vater gesprochen. In der Nacht vor seiner Kreuzigung bestätigte er wieder in seinem Gebet dieses Einssein und schloß schließlich die ganze Welt und die gesamte Menschheit mit ein. Ein Auszug aus seinem Gebet erscheint am Anfang dieses Artikels. (Das ganze Gebet ist im siebzehnten Kapitel des Johannesevangeliums wiedergegeben.)
Wenn wir, wie Jesus, verstehen, daß der Mensch mit seinem göttlichen Prinzip, Gott, eins ist, können auch wir heilen. Wir wachsen in unserem Verständnis. Es nimmt uns die Furcht und befähigt uns, die heilende Mission unserer Kirche voranzutragen, indem wir anderen helfen, Erkenntnis und Freiheit zu finden. Wenn wir verstehen, daß das eine Prinzip, Gott, hinter der Arbeit steht (und nicht persönliche Begabung oder Unfähigkeit), fühlen wir uns nicht begrenzt, noch neigen wir dazu, begrenzte Vorstellungen vom Fortschritt der Welt zu hegen.
Glauben wir aber andererseits, daß wir auf unsere persönliche Heilfähigkeit vertrauen können, dann ist unser Einfluß zum Guten eingeschränkt. Selbst wenn sich Tausende einzelner „Selbstheiten“ versammelten, würden sie wahrscheinlich feststellen, daß sie durch ihre Versammlung nicht besonders gestärkt worden sind. Aber wenn der Glaube an ein begrenztes, sterbliches Selbst vor dem Einssein mit dem göttlichen Prinzip, Liebe, wiche, wäre die Wirkung ganz anders — sie wäre unbegrenzt, umfassend.
Der Glaube an ein materielles, persönliches Selbst erzeugt Furcht — Furcht, daß das eigene „Selbst“ nicht gut genug sei, nicht genug wisse oder vielleicht nicht die nötigen Fähigkeiten besitze. Aber ein persönliches, materielles „Selbst“ hat tatsächlich keinen Teil am Himmelreich — an der Herrschaft der Harmonie und ihrer Aufrichtung auf Erden. Dieses Selbst ist nicht nur unzulänglich, es ist durch und durch hilflos! Jesus erhob keinen Anspruch auf persönliche Fähigkeiten. Er sagte: „Wenn ihr des Menschen Sohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, daß ich es bin und nichts von mir selber tue, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich.“ Joh. 8:28. Da sich Jesus seines Einsseins mit Gott bewußt war, veranschaulichte er die Intelligenz und Herrschaft des göttlichen Gemüts, die Unfehlbarkeit der göttlichen Wahrheit und den Trost der göttlichen Liebe.
Obwohl es manchmal so aussieht, als erfordere es große menschliche Anstrengungen, um Jesu Beispiel zu folgen, führt ein mühseliger Versuch, die Widerspiegelung Gottes zu sein, nicht zu der heilenden Wirkung des Pfingstens. Was zur Heilung führt, ist die Erkenntnis, daß alles innerhalb der einzigen Wirklichkeit regiert wird, die es gibt — der Wirklichkeit von der Einheit des Menschen mit Gott, von der Vollkommenheit des Menschen als Gottes Idee.
Nur das Prinzip, Gott, das Jesus verstand und liebte, kann uns diese unzerstörbare Einheit und Vollkommenheit offenbaren. Nur das Prinzip kann Christliche Wissenschafter und Andersgläubige oder diejenigen, die offenbar keinen Glauben haben, in die Freiheit eines inspirierten Sinnes führen, eines Sinnes von den unbegrenzten Fähigkeiten der göttlichen Idee, des Menschen.
Es ist natürlich und unvermeidlich, daß diejenigen, die die Macht des Gebets bis zu einem gewissen Grad erfahren haben, in umfassenderer Weise erkennen, was Gebete vermögen und wie weitreichend ihre heilende Wirkung ist. Heute sehnt sich unsere Welt nach Frieden. Das Verlangen nach Frieden ist ein Schrei vieler Völker und Nationen von unterschiedlichen religiösen Überzeugungen und Ansichten. Aber selbst dieser Schrei ist ein Gebet, weil es dabei um ein tiefes und gutes Verlangen geht.
„Verlangen ist Gebet“, heißt es in Wissenschaft und Gesundheit, „und kein Verlust kann uns daraus erwachsen, daß wir Gott unsere Wünsche anheimstellen, damit sie gemodelt und geläutert werden möchten, ehe sie in Worten und Taten Gestalt annehmen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 1. Christus, Wahrheit, führt dieses Verlangen zu geistigem Licht und zur Demonstration der Einheit, wo ein Glaube an das materielle Selbst und die materielle Persönlichkeit nicht möglich ist.
Die sichtbare Zunahme an Sektierertum und Nationalismus sowie der wachsende Wunsch nach persönlichem Ansehen, die Furcht verbreiten und Aufrüstung zur Folge haben, können durch Gebet, das sich auf die wirklichen geistigen Tatsachen gründet, aufgehoben und zerstört werden. In Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „Prinzip und seine Idee ist eins, und dieses eine ist Gott, allmächtiges, allwissendes und allgegenwärtiges Wesen, und Seine Widerspiegelung ist der Mensch und das Universum.“ Ebd., S. 465.
Das Prinzip, das am Tag der Pfingsten offenkundig wurde, bringt auch heute Verheißung und Erfüllung für Christen, die im Gebet das Verständnis der Mission und geistigen Macht suchen wie diejenigen, die vor Generationen „alle beieinander an einem Ort“ waren.
