Es war im Frühherbst. Mein Freund und ich brachen unser Lager bei Sonnenaufgang ab und paddelten mit unserem Kanu im Laufe des Vormittags aus der kanadischen Wildnis heraus. Als wir schließlich ein langes Stück den Basswood-See entlangfuhren, hörten wir den unverkennbaren Ruf eines weißköpfigen Seeadlers. Wir blickten auf und sahen ganz deutlich vier dieser Vögel über uns kreisen und im Aufwind höher und höher steigen.
Einen Augenblick hielten wir inne und beobachteten die riesigen Adler. Es sah so aus, als würden sie immer kleiner, weil der Aufwind sie ständig höher trug. Als sie nur noch als winzige Punkte zu sehen waren und es uns so vorkam, als könnten sie nicht noch höher steigen, verschwanden sie einfach einer nach dem andern in den weißen Wolken über uns.
In der Bibellektion aus dem Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft hatte mich in jener Woche ein Bibelvers im Alten Testament besonders gefesselt. Jetzt bekam das Bild in diesem Vers eine unmittelbare Beziehung zu dem eben Gesehenen, und die Worte wurden lebendig. Ich hatte das Gefühl, an jenem Morgen genau das zu sehen, was der Verfasser der Sprüche Salomos im Sinn gehabt haben mußte, als er über die substanzlose und flüchtige Natur der Materie sagte: „Du richtest deine Augen auf Reichtum, und er ist nicht mehr da; denn er macht sich Flügel wie ein Adler und fliegt gen Himmel.“ Spr 23:5.
Dieses Thema von der der Materialität innewohnenden Unbeständigkeit und ihrer Unfähigkeit, unsere wahren Bedürfnisse zu stillen, wird an vielen Stellen der Bibel, in den Schriften des Alten Testaments bis hin zu den Worten Christi Jesu in den Evangelien, behandelt. Der Heiland lehrte seine Schüler, daß Weltlichkeit — die „Schätze auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen“ — immer eine Belastung darstellten. Er forderte seine Nachfolger auf, sich nicht um ihre menschlichen Bedürfnisse zu sorgen und sich nicht zu fürchten, sondern sich von ganzem Herzen dem einen himmlischen Vater aller Menschen zuzuwenden. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ Siehe Mt 6:19–33.
Vom Christen wird erwartet, daß er sein Vertrauen auf Gott setzt, nicht auf den Mammon, auf die Dinge des Geistes und nicht auf die Materie. Die Wissenschaft des Christus lehrt, daß allein Gott und das Ihm zugehörige geistige Gute dauerhaft, zuverlässig und wahrhaft befriedigend sind. Wenn man materiellen Gewinn oder materiellen Reichtum als das A und O des Daseins ansieht, verfehlt man den wahren Zweck des Lebens. Wenn man Reichtum blind verehrt, dann bedeutet das, daß man sich falsche Götter schafft und das Erste Gebot übertritt. Tut man das, so stellt man letzten Endes fest, daß Glück etwas Flüchtiges und ein erfülltes Leben etwas Unerreichbares ist.
Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, lernen wir, Gott als göttlichen Geist zu verstehen, als das eine schöpferische Gemüt oder die eine regierende Intelligenz des Universums, als die unendliche Liebe, die die gesamte Schöpfung umfaßt und erhält. Ebenso lernen wir, den Menschen als Gottes reine und vollkommene geistige Widerspiegelung zu sehen. Mrs. Eddy sagt in Wissenschaft und Gesundheit über das Erste Gebot: „, Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.' (2. Mose 20:3.) Das Erste Gebot ist mein Lieblingsspruch. Es demonstriert die Christliche Wissenschaft. Es prägt uns die Dreieinigkeit von Gott, Geist und Gemüt ein; es bedeutet, daß der Mensch keinen anderen Geist oder kein anderes Gemüt haben soll als Gott, das ewige Gute, und daß alle Menschen ein Gemüt haben sollen. Das göttliche Prinzip des Ersten Gebots ist die Grundlage der Wissenschaft des Seins, durch die der Mensch Gesundheit, Heiligkeit und ewiges Leben demonstriert.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 340.
Gott ist der Geber alles Guten — alles geistig Guten —, und der Mensch ist der Empfänger dieses unerschöpflichen, überreichen Guten. Der Mensch, der das eine allerhabene Gemüt widerspiegelt, ist intelligent, und er ist sich immer jeder Idee bewußt, die er braucht, um seinen göttlichen Auftrag zu erfüllen. Der Mensch, der den unendlichen Geist widerspiegelt, hat die Substanz, die sich niemals verändert, die unbegrenzt und ewig ist. Der Mensch, der die göttliche Liebe widerspiegelt, drückt die grenzenlose geistige Liebe aus, die er als Gottes Kind besitzt, und empfindet sie auch.
Dies sind unschätzbare Reichtümer, „Dinge“, die uns nicht entrissen, noch von der Zeit zerstört oder durch äußere Umstände bedeutungslos werden können. Wenn wir uns dieser geistigen Reichtümer bewußt werden und sie dadurch zum Ausdruck bringen, daß wir unser Leben nach dem Beispiel Christi gestalten, ändern sich unsere Gedanken und Erfahrungen. Die Last einer begrenzten materiellen Lebensauffassung wird uns von der Schultern genommen. Wir entdecken hier und jetzt mehr von der wirklichen Freiheit, Herr über unser tägliches Leben zu sein, und wir wissen, was wahrer Friede ist. In einem Brief des Neuen Testaments heißt es schlicht und einfach: „Die Frömmigkeit aber ist ein großer Gewinn für den, der sich genügen läßt.“ 1. Tim 6:6.
Herrschaft ist die Gabe Gottes. Wir haben diese geistige Herrschaft und diese Führung in den kleinen Dingen und den bedeutenderen Fragen des Lebens, wenn wir nur eine Gott haben und so leben, als gebe es nichts Wichtigeres für uns, als Seinen Willen zu tun. Und es gibt tatsächlich nichts Wichtigeres! Einen Gott haben beschert uns ganz gewiß unermeßlichen Reichtum. Das geistige Gute — die wahre Substanz des Lebens — wird sich niemals Flügel machen und davonfliegen.