Wenn die Menschen mit körperlichen Problemen zu tun haben, die sie nicht genau identifizieren können oder die sich in die Länge ziehen, mögen sie dazu neigen, eine ärztliche Diagnose stellen zu lassen. Jüngsten Erkenntnissen zufolge kann eine solche Diagnose gerade die Furcht auslösen, die das Problem verschlimmert! Siehe Alvin P. Sanoff, „A Conversation With Norman Cousins: What You Believe and Feel Can Have an Effect on Your Health“, U.S. News & World Report, 23. Januar 1984, S. 61. Aber im allgemeinen werden sich diejenigen, die ärztliche Behandlung für die beste Methode zur Erhaltung ihrer Gesundheit ansehen, im Krankheitsfall zuallererst fragen: „Was ist es?“
Christliche Wissenschafter nehmen zur Frage der Gesundheit und des Heilens einen anderen Standpunkt ein. Für sie ist Gesundheit geistig und nicht körperlich — sie verstehen sie als die Unversehrtheit und Vollständigkeit, die Bestandteil der unverletzbaren Beziehung des Menschen zu Gott sind. Da diese Beziehung immer unversehrt ist und von Gott selbst in unveränderlicher Harmonie aufrechterhalten wird, ist Gesundheit immer gegenwärtig; wir können uns ihrer bewußt werden und sie in Erscheinung treten lassen.
Wenn wir diesen neuen geistigen Standpunkt einnehmen, hat das u. a. zur Folge, daß wir offenkundige körperliche Probleme zwar nicht ignorieren, uns aber weniger von ihnen gefangennehmen lassen. Anders ausgedrückt: Wenn wir es mit einem körperlichen Problem zu tun haben, sind wir weniger daran interessiert, herauszufinden, was es ist, als daran, was es nicht ist.
Zunächst einmal können wir völlig sicher sein, daß das Problem, worum es sich auch handeln mag, unsere Gesundheit nicht bedroht. Tatsächlich ist es für unsere Gesundheit völlig unerheblich. Das mag für das menschliche Gemüt absolut widersinnig klingen. Aber der geistige Sinn und konkrete Heilungen beweisen die Richtigkeit dieser Behauptung.
Die Christliche Wissenschaft hat immer wieder bewiesen, daß Gesundheit nicht von physischen Bedingungen abhängt, die sich ja ändern können, sondern von unserer Beziehung zu Gott, die sich nicht verändert. Was wir wirklich brauchen, ist daher niemals mehr Gesundheit, sondern ein lebendigeres und erleuchteteres Bewußtsein von der Gesundheit, die wir immer besitzen — die immer in unserer Beziehung zu Gott zu finden ist.
Wenn wir Gesundheit als den normalen Zustand des sündlosen geistigen Menschen verstehen, der wir tatsächlich sind, erkennen wir noch etwas Wichtiges, was Krankheit nicht ist. Wir erkennen, daß entgegen den anerzogenen Erwartungen traditioneller menschlicher Ansichten Krankheit nicht natürlich oder selbstverständlich ist — daß sie vielmehr als ganz und gar unnötig und anomal betrachtet werden sollte.
Gerade im heutigen mentalen Klima ist es wichtig, sich hierüber im klaren zu sein. Jeder kennt Beispiele dafür, wie unserem Denken Bilder über Krankheitszustände aufgedrängt werden, sei es in der Schule, in der Fernsehwerbung oder durch ausführliche Schilderungen von Verfall und Tod in Filmen. Es kommt darauf an, daß wir dem irrigen Konsensus, der solchen Phänomenen zugrunde liegt, unsere Zustimmung entziehen: dem Glauben, daß Sterblichkeit etwas Natürliches sei, Gesundheit ein unsicherer Idealzustand und Krankheit eine immer gegenwärtige Bedrohung. Vor etwas mehr als einem Jahrhundert erklärte Mary Baker Eddy mit gewisser Ironie: „Bei einem Blick in unsere heutigen Zeitungen muß man unwillkürlich denken, es sei gefährlich zu leben, so geladen mit Krankheit scheint selbst die Luft. Diese Beschreibungen übertragen auf viele Gemüter Furcht, die sich zu künftigen Zeit am Körper ausdrücken wird.“ Vermischte Schriften, S. 7. Diese Bemerkung trifft wohl insbesondere auf unsere Zeit zu, in der Krankheiten vielleicht noch viel stärker als Arzneien von den Nachrichtenmedien propagiert werden.
Wenn wir von der Wirklichkeit des Geistes und der daraus folgenden Geistigkeit des Menschen, der das Ebenbild des Geistes ist, ausgehen, werden wir feststellen, daß die Furcht vor Krankheit, die unsere Gesellschaft so stark bestimmt, uns sehr viel weniger beeinflußt. Das Ergebnis ist nicht, daß wir nicht normal für den menschlichen Körper sorgen, sondern daß die Furcht nachläßt, die den Körper negativ beeinflußt, und das unveränderliche geistige Bewußtsein aufrechterhalten wird, daß das Sein Geist ist — das Bewußtsein, das uns und andere heilt. Wenn wir Gesundheit als das geistig Normale ansehen, können wir, wenn Heilung vonnöten ist, besser verstehen, daß Krankheit nie ein Problem unseres Körpers ist, sondern eine Täuschung unseres Denkens.
Was Mrs. Eddy im Jahre 1866 zur Entdeckung der Christlichen Wissenschaft führte, war u. a. die allmähliche Erkenntnis, daß Krankheit — jede Krankheit — eine mentale Ursache hat. In jüngster Zeit hat die Erkenntnis, daß physische Krankheit eine mentale Ursache hat, immer mehr Beachtung gefunden, selbst bei denen, die die Materie für die elementare Grundlage des Lebens halten. Aber wenn Geist als Substanz und Leben erkannt wird und die Materie als ein begrenzter mentaler Eindruck oder ein begrenztes mentales Bild, dann ist es möglich, das kompromißlose und genaue Verständnis davon zu besitzen, daß Krankheit nicht nur ihrer Ursache, sondern ihrer ganzen Natur nach mental ist.
Zu diesem Punkt schreibt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit über ein bestimmtes Leiden: „Du magst es Neuralgie nennen, wir aber nennen es eine Annahme.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 392. Sie unterschätzte keineswegs, in welchem Ausmaß das menschliche Denken seine eigenen Annahmen mit äußeren Bedingungen verwechselt. So schreibt sie z. B.: „Krankheit ist weder eingebildet noch unwirklich — d. h. für den erschreckten, verkehrten Sinn des Patienten. Krankheit ist mehr als ein Phantasiegebilde; sie ist feste Überzeugung. Daher muß sie mit dem richtigen Verständnis von der Wahrheit des Seins gehandhabt werden.“ Ebd., S. 460.
Diese „feste Überzeugung“ mag dem, der die Überzeugung hegt, als ein ganz und gar körperlicher Zustand erscheinen. Doch das macht sie nicht weniger mental oder irrig. Und solche Überzeugungen, wie „fest“ sie auch sein mögen, werden von der Wahrheit aufgelöst, eben weil sie mental und irrig sind. Wenn wir also vorübergehend von der Wirklichkeit und Notwendigkeit einer Krankheit überzeugt gewesen sind und allein aufgrund dieser Überzeugungen leiden, können wir unsere Überzeugungen aufgeben.
Wir stellen in der Tat fest, daß die falsche Überzeugungen, wir seien ein für Krankheiten anfälliger Sterblicher, eins der Dinge ist, die wir im Verlauf der christlichen Wiedergeburt aufgeben müssen. Wenn wir dem Christus, der Tätigkeit der Wahrheit, Raum geben, erlangen wir die heilende Gewißheit, daß dieses Bild von einem sterblichen und der Krankheit unterworfenen Menschen niemals auch nur vorübergehend ein Teil der Wahrheit — niemals ein tatsächlicher körperlicher Zustand, sondern lediglich eine mentale Täuschung gewesen ist.
Diese Erkenntnis wirkt außerordentlich befreiend. Sie hilft uns, eine weitere entscheidende Tatsache zu verstehen, nämlich daß Krankheit, gleich welcher Art und Beschreibung, nicht wirklich zu uns und unserem Wesen gehört.
Ebensowenig wie Muschelbesatz Teil eines Schiffes oder ein Lacküberzug Teil eines Gemäldes ist, ist der uns aufgezwungene Glaube, daß wir für Krankheiten anfällige Sterbliche seien, nie wirklich ein Teil von uns oder unserer Erfahrung. Ganz gleich, wie sehr eine Kranskheit physisch augenscheinlich zu sein scheint, sie hat keine Macht über uns, es sei denn, wir hegen die Annahme, die das Problem hervorruft und die allein das Problem ausmacht.
Ja, Krankheit ist ein Bestandteil des ganzen Sammelsuriums von Annahmen, daß Leben und Intelligenz in der Materie und von Gott getrennt seien. Aber wer oder was behauptet denn, daß wir Teil dieser Annahme sein müßten? Wenn wir wirklich Gott gehorchen und der Forderung des ersten Gebots nachkommen, nur einen Gott zu haben — den einen Gott, der unendlicher Geist und unendliches Leben ist —, sind wir nicht Teil dieser Annahme, sondern getrennt von ihr.
Tatsache ist, daß Krankheit kein Teil wahren und authentischen geistigen Menschentums ist. Und da jede gegenteilige Behauptung nur durch hypnostische Täuschung den Anschein erwecken kann, sie sei wahr, können wir auf die ganze Macht der Wahrheit zurückgreifen, um ihr entgegenzutreten. Es ist uns also in Wirklichkeit anheimgestellt, die scheinbar natürliche Frage, die das menschliche Gemüt stellt, wenn es sich mit physischer Krankheit konfrontiert sieht — die Frage nämlich „Was ist es?“ — zurückzuweisen. Wir können begreifen lernen, was der fehlgeleitete menschliche Verstand niemals erfassen könnte: die grundlegende Tatsache über jede Krankheit ist die, daß sie überhaupt kein objektives „Etwas“ ist.
So wie die amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein von einer Stadt sagte, gegen die sie einen ausgesprochenen Widerwillen hegte: „There's no there“ (was soviel heißt wie „Sie existiert gar nicht“), so sagen wir von einer körperlichen Krankheit, daß sie keine Substanz und Intelligenz besitzt, weil Mißklang bei Gott keine Legitimation oder Substanz hat. Und Krankheit, jenes scheinbare „Etwas“, verschwindet durch die gebeterfüllte Behandlung, in der anerkannt wird, daß Gottes Allheit in jeder Situation die höchste Tatsache ist.
Krankheit ist ganz und gar ein Bestandteil des gefallenen, falschen Begriffs eines von Gott getrennten Lebens. Aus diesem Grund ist es realistisch, von ihr als von einer Illusion zu sprechen, und es ist eine Form unserer Gottesanbetung, wenn wir der Wahrheit, die den Bann dieser Illusion bricht, Raum geben. Wir verehren Gott, indem wir uns aus der falschen Auffassung erheben, die behauptet, es könne ein von Ihm getrenntes Leben geben.
Wahres geistiges Heilen — ein Heilen, das sich auf die Substanz und Kraft des Geistes gründet — ist immer eine christliche und erlösende Tat. Es dient nicht lediglich unserem persönlichen Wohlergehen und unserer Bequemlichkeit, sondern es hilft der ganzen Menschheit, die durch den Glauben an ein Leben in der Materie verursachte Knechtschaft aufzuheben.
Es scheint viel verlangt, der Krankheit auf diese Weise den Kampf anzusagen — bis wir erkennen, daß es dafür keinen wirksameren Weg gibt. Was auf die Dauer schwer ist, ist der Versuch, sie auf eine andere Art zu bekämpfen. Nur die Behauptung, daß Leben in der Materie sei, will uns glauben machen, wir begäben uns auf einen Umweg, wenn wir auf dieser Grundlage heilen.
Das heißt keinesfalls, daß wir einen körperlichen Zustand, der der Heilung bedarf, ignorieren. Die gebeterfüllte Behandlung in der Christlichen Wissenschaft trägt der spezifischen Krankheitsannahme des Patienten Rechnung. Aber sich mit der spezifischen Annahme auseinanderzusetzen ist weit davon entfernt, eine Diagnose zu stellen, um die menschliche Frage „Was ist es?“ zu befriedigen. Was durch geistige Erkenntnis als die zu handhabende Annahme aufgedeckt wird, kann niemals auf eine rein physische Bewertung der Situation beschränkt sein.
Die Grundlage einer christlich-wissenschaftlichen Behandlung ist immer die Anerkennung der Einheit und Allheit des Gemüts, das Gott ist, und der daraus folgenden Unverletzlichkeit unseres Wohlergehens in Christus als die geliebte Idee Gottes. Da der Mensch nie weniger als der Mensch sein kann, kann er nicht krank sein. Er kann ebensowenig von seiner Gesundheit getrennt sein, wie er von Gott getrennt sein kann.
Wenn wir bewußt erkennen, was Krankheit nicht ist, macht uns das bereit für die Erkenntnis dessen, was der Mensch ist, immer gewesen ist und immer sein wird. Es hilft uns zu entdecken, wer wir wirklich sind, so daß wir, mit Paulus' Worten, „alle hingelangen ... zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi“ Eph 4:13..
