Unsere Gesellschaft befindet sich in einem qualvollen Zwiespalt, der viele Journalisten, Theologen, Staatsmänner und gewöhnliche Bürger verwirrt und entzweit. Während verzweifelte Terroristen tragische Verbrechen an der Menschheit begehen, werden Stimmen laut, die Vergeltung verlangen, und andere, die für geduldige Verhandlungen plädieren. Doch Vergeltung bringt keine dauernde Lösung, und die Ungeduld wächst, während die quälende Unsicherheit anhält.
Die heutigen Umstände drängen uns dazu, nach geistigen Mitteln zu suchen, nicht nur um unsere Bestürzung über die Auswirkungen des Terrorismus zu beschwichtigen, sondern um uns selbst und andere vor diesem Terrorismus zu schützen. Das ist nämlich möglich. Wir müssen bescheiden sein, aber die Lösung ist gegenwärtig. Sie besteht in der Form einer höheren geistigen Idee, die im Augenblick nur wenige von uns verstehen. Aber sie liegt keineswegs außerhalb unserer Reichweite. Wir müssen tiefer und sorgfältiger am rechten Platz danach suchen.
Und zwar müssen wir uns das Leben und die Lehren Christi Jesu anschauen. Er hatte es mit Unehrlichkeit, Verrat, Ungerechtigkeit, Brutalität und Hinrichtung zu tun. Aber durch Gottes Liebe behielt er die Oberhand. Durch das göttliche Gesetz war er siegreich. Er trat aus seinem kahlen Grab heraus; und die Wissenschaft des ewigen Lebens, die dadurch veranschaulicht wird, strahlt das reinste und stärkste Licht aus, das jemals dem Menschengeschlecht beschieden worden ist oder ihm jemals beschieden sein wird.
In unserer gegenwärtigen Welt mag eine offensive und defensive Militärmacht dazu beitragen, Aggression zu verhindern. Aber Jesu Methode war geistig. Im Lehrbuch der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr'istjen s'aiens), Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, schreibt Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft: „Judas führte die Waffen der Welt. Jesus hatte deren nicht eine, auch wählte er nicht die Verteidigungsmittel der Welt. Er, tat seinen Mund nicht auf'.“ Und sie fährt im gleichen Abschnitt fort: „Petrus würde die Feinde seines Meisters geschlagen haben, aber Jesus verbot es ihm und rügte auf diese Weise Rachsucht oder tierischen Mut. Er sagte:, Stecke dein Schwert in die Scheide!' ” Wissenschaft und Gesundheit, S. 48.
Keiner von uns heute hat die Weite oder Tiefe des geistigen Verständnisses, das unser heiliger Meister hatte — des Verständnisses, das ihn befähigte, vollständig über den Tod und das Böse zu triumphieren —, und dennoch ist Christus Jesus der Wegweiser für die Menschheit. Er zeigte, wie jede menschliche Not überwunden werden kann — auch diese gegenwärtige Geißel. Oftmals sagte er: „Folge mir nach.” Siehe z. B. Mt 16:24; Joh 12:26. Wir können uns darauf verlassen, daß wir in dem Maße in Sicherheit sind, wie wir ihm nachfolgen auf dem von ihm vorgezeichneten Weg; wir können anderen helfen, in Sicherheit zu sein, und wir können sogar diejenigen segnen, die es gegenwärtig für nötig oder wünschenswert halten, grauenhafte Taten zu verüben.
Jesu Sieg, der im Neuen Testament beschrieben ist, wirft neues Licht — das Licht des Christus — auf ein Ereignis, das auf den ersten Seiten des Alten Testaments berichtet wird. Siehe 1. Mose 13:1–12. Abram war Lots Onkel. Irgendwann nach dem Jahr 2000 v. Chr., nachdem sie eine Zeitlang als Nomaden umhergezogen waren, ließen sie sich in einem Gebiet nieder, das später Palästina genannt wurde und heute der Mittelpunkt so großer Zwietracht ist. Inzwischen hatten sich ihre Herden so vermehrt, daß „das Land ... es nicht ertragen [konnte]“, wie die Bibel berichtet. „Und es war immer Zank zwischen den Hirten von Abrams Vieh und den Hirten von Lots Vieh.“
Um der Streiterei ein Ende zu machen, schlug Abram eine Lösung vor, die beiden Gruppen genügend Raum geben würde. Er sagte zu Lot: „Laß doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder.“
Man könnte annehmen, daß sich diese Bemerkung über Brüderlichkeit nur auf die Blutsverwandtschaft zwischen Abram und Lot bezieht. Wenn sie jedoch mehr geistig verstanden wird, enthüllt sie eine tiefe geistige Wahrheit. Da Gott Geist ist und alles erschaffen hat, was existiert, ist jede Person, wir selbst eingeschlossen — jeder, den wir jetzt als ein menschliches Wesen zu kennen glauben —, wahrhaftig das geistige Kind Gottes. Als das Kind Gottes erhält jeder von Gott alles, was er braucht, um eine bestimmte ewige Identität auszudrücken. Niemand gewinnt Gutes durch jemand anders, sondern jeder empfängt liebevoll alles Gute von Gott durch ständige Widerspiegelung. Niemand raubt oder wird beraubt. Im Reich Gottes gibt es weder Terroristen noch Opfer. Niemand wird von Haß, Rache, Gewalttätigkeit oder Furcht verzehrt. „Wir sind Brüder.“
Diese geistige Wahrheit von der Identität und Brüderschaft der Menschen schließt eine Liebe ein, die weit über alle menschlichen Bande hinausgeht und die Grundlage menschlicher Harmonie bildet. Christus Jesus lehrte und lebte diese Wahrheit. Er sagte: „Ihr habt gehört, daß gesagt ist:, Auge um Auge, Zahn um Zahn.' Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar... Ihr habt gehört, daß gesagt ist: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben’ und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde; segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel... Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Mt 5:38, 39, 43–45 [Anmerkung], 48.
Das Wunder ist, daß unser sanftmütiger Wegweiser diese Worte nicht lediglich sprach, sondern daß Gott ihm die Kraft gab, sie während des schrecklichen Martyriums im Garten Gethsemane und auf Golgatha zu leben und zu beweisen. Die göttliche Wissenschaft, die seiner moralischen und geistigen Kraft zugrunde lag, ließ weder ihn noch das Menschengeschlecht im Stich.
In Gethsemane sehnte er sich eine Zeitlang danach, von seinen Jüngern unterstützt zu werden. Aber sie waren der Aufgabe nicht gewachsen. Vielleicht verstanden sie noch nicht tief genug, daß Gott Alles ist. Sie schliefen. Mrs. Eddy schreibt: „Diesem menschlichen Sehnen ward keine Antwort zuteil, und so wandte sich Jesus auf immer von der Erde dem Himmel, vom Sinn der Seele zu.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 48. Er war Gott, Liebe, gehorsam und bewies dadurch die Autorität der Herrschaft, die Gott dem Menschen gegeben hat — er bewies sie, indem er die sorgfältigst organisierten Formen des boshaften Hasses überwand.
Ist es möglich, daß viele von uns heute schlafen, wenn wir wach sein und beten sollten? Demütiges Gebet — und ein Leben in Übereinstimmung mit diesem Gebet — ist der einzige Weg, den uralten Zyklus von Aggression, Haß und Rache zu brechen. Entgegen jedem auch noch so überzeugenden Augenschein kämpfen wir tatsächlich nicht mit Personen. Wir bekämpfen vielmehr die alte Annahme, daß der Mensch sterblich sei, wo er doch das gesegnete und liebevolle Kind Gottes ist. Der Feind ist die Suggestion, daß es ein Gemüt gebe, das von dem einen unendlichen Gemüt, Gott, getrennt sei.
Im dritten Kapitel des ersten Buches Mose und an anderen Stellen in der Bibel wird diese Suggestion als eine Schlange dargestellt — ein Symbol listigen, mentalen Einflusses. Der Apostel Paulus entlarvt die Tücke der Schlange, wenn er schreibt: „Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen.“ Eph 6:12.
Unsere Verteidigung gegen die Suggestionen der Schlange liegt in der geistigen Wahrheit, daß Gott gut und Alles ist. Seine Allheit kann, wenn sie erkannt wird, jede Annahme, daß das Böse eine moralische oder geistige Macht sei, auslöschen. Seine Allheit entfaltet den Christus, die ewige Wahrheit, die enthüllt, daß der Mensch Gottes Idee ist. Mrs. Eddy schreibt: „Für die unendliche, immergegenwärtige Liebe ist alles Liebe, und es gibt keinen Irrtum, keine Sünde, keine Krankheit und keinen Tod.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 567.
Für manche ist das ein völlig neuer Gedanke. Sie meinen vielleicht, diese Einstellung sei angesichts von Fanatismus naiv und unhaltbar. Wenn wir aber die Macht Gottes, der Liebe, zum Ausdruck bringen, so hat das nicht weitere Opfer zur Folge. Es ist letzten Endes der einzig wirksame Weg, die Mentalität von Furcht und Haß, die sich ungerecht behandelt fühlt und unrecht handelt, zu überwinden. Liebe, die in reinem und unerschütterlichem Lieben widergespiegelt wird, entlarvt und zerstört die Lüge, die die ganze Welt in Schrecken hält. Mrs. Eddy schreibt: „Liebet eure Feinde, sonst werdet ihr nicht frei von ihnen, und wenn ihr sie liebt, werdet ihr ihnen helfen, besser zu werden.
Christus weist den Weg des Heils. Seine Handlungsweise ist nicht feige, lieblos noch unweise, sondern sie lehrt die Sterblichen, Schlangen zu handhaben und Übel auszutreiben. Unsere eigene Sicht muß klar sein, wenn wir anderen die Augen öffnen wollen, sonst wird ein Blinder den anderen leiten, und beide werden fallen.“ Vermischte Schriften, S. 210.
Wenn wir diese wahrhaft geistige Methode zur Bekämpfung des Bösen und Gewalttätigen verstehen — und die praktischen Schritte unternehmen, die beweisen, daß wir uns weigern, angesichts des grausamen und harten Augenscheins von Gewalttätigkeit zu hassen oder zu verzweifeln —, dann finden wir und die, die wir lieben, Frieden und Sicherheit. Es trägt auch dazu bei, die allgemeine Atmosphäre des menschlichen Denkens zu reinigen und die Anstrengungen derer zu unterstützen, die für die Menschheit arbeiten und denken und einen Ausweg aus dem grausamen Zyklus der Gewalttätigkeit suchen. Auf diese Weise fördern wir den Frieden in einer Welt, die sich eines Tages vereinen muß, um dieses Problem durch die praktische, göttliche Liebe zu lösen.