Für viele Menschen scheint das Leben durch Verluste gekennzeichnet zu sein. Sie mögen ein geborgenes Heim oder einen festen Arbeitsplatz verloren haben. Verluste können auch auf andere Weise erlebt werden — das Selbstvertrauen kann man verlieren, Ehrlichkeit und folglich den inneren Frieden. Doch ein Verlust kann die Menschen oftmals dazu aufrütteln, ihr Denken über sich zu ändern. Wenn die Selbstachtung eines Menschen auf einer falschen Grundlage beruht und erschüttert wurde, dann wird der Betreffende vielleicht die Suche nach einem tieferen Lebenszweck aufnehmen, und das kann ihn zu der Erkenntnis führen, daß der Mensch, das Kind Gottes, von Natur aus sündlos ist.
Saulus von Tarsus, der sich genauso strikt an die hebräischen Gesetze hielt wie jeder andere Pharisäer, verfolgte zum Beispiel mit großem Eifer die Nachfolger Christi. Er glaubte, daß er damit das Gesetz befolgte. Als er sich aber des Christus bewußt geworden war, änderte sich seine ganze Einstellung. Er verlor sein Prestige und seine Position. Aber dadurch öffnete sich ihm der Weg zu einem neuen Selbst und einem neuen Lebenszweck — und zwar als Apostel Paulus, im Gehorsam gegen Gott.
Später schrieb er über dieses Erlebnis: „Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. .. Ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwenglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn.“ Phil 3:7, 8.
Zu lernen, so zu leben, wie es unser Meister offenbart hat, ist natürlich nicht immer leicht. Es erfordert eine gehörige Portion Geduld und ein großes Selbstopfer, zuzugeben, daß wir falsch gehandelt haben, und unserem Glauben an Gott, die göttliche Liebe, auf höhere Weise Ausdruck zu verleihen. Aber es ist der Mühe wert. Wenn wir demütig beten, tritt allmählich an die Stelle einer weltlichen Denkweise die geistige Wahrnehmung des Guten, die uns immer enger mit dem Christus, der Wahrheit, verbindet. Dieser Prozeß findet in der Regel nicht von heute auf morgen statt. Wir werden aus dem Geist neu geboren, und nach und nach wächst in uns die Überzeugung, daß uns Geistigkeit von Natur aus eigen ist; wir sind dann in der Lage, gottähnliche Eigenschaften wie Intelligenz, Selbstlosigkeit, Gesundheit, Heiligkeit und Liebe zu unserem eigenen Vorteil und zum Nutzen anderer freier zum Ausdruck zu bringen. Dadurch erhalten wir wie Saulus eine neue Grundlage für unsere Identität und Selbstachtung.
Dem Christentum gemäß zu leben fordert uns beträchtlich viel mehr ab als das Erlernen einer neuen Fertigkeit, und doch ist dafür derselbe Einsatz nötig, der für andere Wissensgebiete erforderlich ist. So konnte mich zum Beispiel sogar ein Personalcomputer etwas Wichtiges lehren. Als ich mit dem Textverarbeitungssytem arbeitete, merkte ich, daß ich viel Demut, Geduld und Ausdauer lernen mußte, ehe ich diese neue Schreibtechnik beherrschen würde. Obwohl das System in der Werbung als „benutzerfreundlich“ angepriesen worden war, war ich doch oft der Frustration und der Verzweiflung nahe, weil mir die nötige Koordination und Kompetenz zu fehlen schienen.
Eines Tages, als ich endlich das Gefühl hatte, die Maschine zu beherrschen, setzte ich mich an den Computer, um den Brief einer Bekannten zu beantworten. Sie hatte mir mitgeteilt, daß sie befürchte, ihre Gesundheit zu verlieren. Ich erklärte ihr, daß die Christliche Wissenschaft aufzeigt, daß Gesundheit eine geistige Eigenschaft ist, ein Geschenk Gottes, und man sie in Wirklichkeit nie verlieren kann. Als ich den Brief noch einmal durchlas, änderte ich meine Aussage ab, so daß sie nun lautete: „Wahre Gesundheit geht von Gott, Leben, aus und kann nie verschwinden.“ Ich dachte, ich hätte die notwendigen Korrekturen eingegeben, doch als ich den Brief abgespeichert und ausgedruckt hatte, erschien am Ende der Seite nur: „verschwinde“! Ich mußte lachen; mein Computer hatte wieder einmal das letzte Wort gehabt.
Wenn wir uns auf christliche Weise bemühen, Herrschaft über uns selbst zu erlangen, kann uns nichts widersprechen, kann sich den ehrlichen Maßnahmen, mit denen wir das Falsche loswerden und das Wahre erlernen wollen, nichts entgegenstellen, können sie nicht abgelehnt werden. Aber wir müssen der Furcht, der Entmutigung und der Trägheit immer wieder sagen: „Verschwinde!“ und jedes Fehlverhalten berichtigen, das zwischen uns und der Gesundheit und Ganzheit steht, die zu unserem gottverliehenen Erbe gehören.
Christi Jesu Gleichnis von dem Mann, der hundert Schafe hatte und der, als er eins davon verloren hatte, alle anderen zurückließ, um nach dem einen verlorenen Schaf zu suchen, ist sehr trostreich. Siehe Lk 15:3–7. Christus, Wahrheit, läßt uns nicht in die Irre gehen, sondern sucht beharrlich nach uns und rettet uns. Wenn wir uns des Christus bewußt werden und mit unserem neugefundenen Wissen über unsere geistige Identität vorangehen, wird uns klar, daß wir niemals das Gute verlieren können, weil es aus Gott, dem Leben, hervorgeht, und daß wir alles Gute durch Widerspiegelung haben, nicht durch persönlichen Besitz. Zur göttlichen Wirklichkeit gehört die Tatsache, daß der Mensch — unser eigenes wahres Sein — die Widerspiegelung Gottes, das geistige Bild und Gleichnis Gottes, ist.
Mary Baker Eddy wußte aus eigener Erfahrung, welche Qualen Verlust mit sich bringt, und doch schuf sie nach vielen Jahren selbstlosen Strebens ein christlich-wissenschaftliches System des Heilens und gründete die Kirche Christi, Wissenschafter. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß der Tröster, den unser Meister verheißen hat, eine praktische Wirklichkeit in der Welt ist und menschlichen Verlust mit dem Gewinn an geistig Gutem aufwiegt.
In Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Der Mensch versteht das geistige Dasein in dem Verhältnis, wie sich seine Schätze an Wahrheit und Liebe vergrößern. Die Sterblichen müssen zu Gott hinstreben, ihre Neigungen und Ziele müssen geistig werden — sie müssen sich den umfassenderen Auffassungen vom Sein nähern und etwas von dem eigentlichen Sinn des Unendlichen erlangen —, damit sie Sünde und Sterblichkeit ablegen können.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 265. Wenn wir durch die Bereicherung unserer Neigungen und unseres Lebens unser wahres Selbst in Christus finden, wandelt sich das Gefühl des Verlustes in Gewinn, und wir werden in immer größerem Umfang dazu geführt, Gott und der Menschheit zu dienen.
