Als Ich Mich zum erstenmal ernsthaft mit den Lehren der Christlichen Wissenschaft befaßte und sie in meinem Leben anzuwenden begann, hatte ich einige unvergeßliche Erlebnisse. Tiefsten Eindruck hinterließ bei mir, am eigenen Leibe zu erfahren, wie eine starke Angina während meines Gebets verschwand. Sehr viel bedeutete mir auch die Erfahrung meiner Frau, als sie einmal hohes Fieber hatte. Unter der gebetvollen Mitwirkung einer Ausüberin der Christlichen Wissenschaft war es innerhalb weniger Stunden völlig verschwunden. Solche Erlebnisse beglücken einen und verleihen einem Schwung und Freudigkeit, den eingeschlagenen Weg zügig weiterzugehen.
Wenn ich über geistigen Fortschritt nachdenke, kommt mir oft das Gleichnis vom verlorenen Sohn in den Sinn, das Christus Jesus erzählte. Ich war immer von dem Vater beeindruckt, der dem verlorenen Sohn von weitem entgegenlief, ihn umarmte, küßte, ihn mit neuen Kleidern und Schmuck ausstaffierte und für ihn ein fröhliches Fest veranstaltete. Meines Erachtens zeigt das, daß sich in unserem Leben Gutes einstellt, wenn wir uns rückhaltlos der geistigen Wahrheit zuwenden.
Behalten wir aber diese Begeisterung und Beglücktheit, unser geistiges Wesen entdeckt zu haben und Gott nahe sein zu dürfen, über die Jahrzehnte hinweg bei? Was, wenn wir trotz Konsequenten Studiums der Bibel und der Schriften Mrs. Eddys, trotz unseres Besuches der Gottesdienste und bereitwilliger Mitarbeit in der Mitgliedschaft das nagende Gefühl nicht loswerden, geistig kaum vorwärtszukommen, oder wenn körperliche Beschwerden trotz ernsthaften Betens nicht weichen?
In einer gewissen Lebensphase befand ich mich in diesem Zustand. Meine körperlichen und seelischen Probleme erschienen mir so überwältigend, daß ich oft meinte, sie nie loswerden zu können. Körperlich tauchten immer wieder neue Beschwerden auf, und seelisch fühlte ich mich unzufrieden und unglücklich. Auch hatte ich mit Widerstand und Feindseligkeiten im zwischenmenschlichen Bereich zu tun.
Als ich über diesem Berg von Problemen betete, wurde ich mir bewußt, daß ich meine Hingabe an Gott, Wahrheit, verstärken mußte. Meine Bemühungen, die Qualitäten der Christlichkeit — Geduld, Sanftmut, Nächstenliebe, Bereitschaft zu verzeihen — eingehender zu studieren und auszudrücken, erhielten neuen Auftrieb, als ich sie von diesem Standpunkt aus verfolgte. Ein Durchbruch kam, als ich erkannte, daß ich ein anderes, ein neues Bild von mir und meinen Mitmenschen annehmen mußte, nämlich das geistige Bild, das, wie Christus Jesus wußte, der Mensch ist; dieses Wissen befähigte ihn, die empfänglichen Menschen schnell zu heilen. Ich mußte daran festhalten, daß ich in Wirklichkeit der Ausdruck Gottes war, eine vollkommene, geistige Idee, ohne sterbliche Makel und Mängel.
Ferner mußte ich verstehen, daß die mir begegnenden Menschen in Wirklichkeit ebenfalls geistig und von Gott geschaffen sind. Sie können die gleichen reinen Eigenschaften ausdrücken, die ich für mich beanspruche. Die Tatsache, daß wir uns und unsere Mitmenschen von einem geistigen Standpunkt aus sehen und beurteilen müssen, gibt uns eine wunderbare Gelegenheit, Christus Jesus zu folgen. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Heiland Gottes eigenes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken.“
Diese „korrekte Anschauung“ hatte auch auf mich eine harmonisierende, heilende Wirkung: Ich erwartete nicht mehr — bewußt oder unbewußt —, konkurrierenden, opponierenden oder mir feindselig gesinnten Menschen zu begegnen. Das hatte zur Folge, daß meine Alltagserlebnisse ruhiger verliefen und friedlicher wurden. Auch besserte sich meine körperliche Verfassung. Dies gab mir das Gefühl, in gewissem Maße Herrschaft über mein Leben zu haben, aber ich verstand auch, daß diese Herrschaft einzig von Gott herstammte.
Dieses Gefühl beruhte nicht auf einer materiellen Vorstellung von Errungenschaften oder Überlegenheit. Ganz im Gegenteil. Ich erkannte folgendes: Solange ich mich als ein materielles Wesen betrachtete, das gegen andere ankämpft, kam ich Gott nicht näher. Ich leugnete damit vielmehr meine wahre Natur als Sein Kind. Als ich das verstand, sah ich, wie wichtig es ist, daß wir die Argumente des fleischlichen Gemüts nicht akzeptieren — nämlich die Argumente, daß der Mensch materiell und von Gott abgeschnitten sei.
Dennoch kann es sein, daß die sterbliche, materielle Auffassung, die wir von uns haben, unsere Gedanken mehr beschäftigt als die geistige. Das ist der Fall, weil sich die sterbliche Anschauung stur ausschließlich mit sich selbst und ihren eigenen Wünschen befaßt. Deswegen kann es einem zu gewissen Zeiten sehr schwerfallen, die heimlichen Schwächen und Sünden zu erkennen: Ungeduld, Kritiksucht, Sinnlichkeit, Unverträglichkeit, Abweisung. Ist es da verwunderlich, wenn die geistigen Erfolge und Heilungen auf sich warten lassen? Und doch ist Fortschritt ein geistiges Gesetz, eine unumgängliche Forderung.
Dieses Gesetz wirkt immer. Wir beginnen jedoch, seine Auswirkungen am deutlichsten zu sehen, wenn wir uns von der Materie abwenden und uns dem Geist zukehren. In Wirklichkeit sind wir rein, liebevoll, selbstlos, vollkommen. So ist der Christus, und mit dieser wahren Idee Gottes sollten wir uns identifizieren. Könnte der unseren Fortschritt hindernde Punkt nun darin bestehen, daß wir unseren Schwächen nicht entschlossen entgegentreten und sie überwinden? Oder scheuen wir davor zurück, einzelne geistige Eigenschaften wie Sündlosigkeit, Reinheit oder Vollkommenheit als die unseren anzuerkennen? Wenn wir das Leben aus sterblicher Sicht betrachten, finden wir Entschuldigungen, Selbstrechtfertigung und Selbsttäuschung, die uns davon abhalten, unsere wahre, geistige Natur zu erfassen. Sie behaupten, daß wir von Gott getrennt werden können.
Um aus solchen nebelhaften Verwirrungen herauszukommen, brauchen wir absolute Ehrlichkeit, treue Hingabe und tiefes Gebet. In Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „Jeder Tag fordert von uns höhere Beweise, nicht nur Bekenntnisse der christlichen Kraft.“
Diese Beweise zeigen sich, wenn wir williger sind, der Wahrheit kompromißlos näherzukommen, die göttlichen Forderungen der Liebe anzunehmen, Gott besser zu verstehen und dieses Verständnis im täglichen Leben überzeugender und konsequenter auszudrücken. Durch solche Versenkung in die Lehren der Christlichen Wissenschaft werden wir dazu geführt, uns als einzig mit Gott verbunden, als Sein Kind oder Ausdruck zu sehen und zu empfinden. In dem Maße, wie wir unsere wahre, geistige Identität erkennen, wird uns klar, daß alles Unvollkommene, Unreine, alle Körperlichkeit, Sterblichkeit und Materialität gesetzwidrig sind und nicht zu uns gehören.
Wir müssen demnach zu gewissen herausfordernden Krisenzeiten bereit sein, unsere Hingabe an Gott, Geist, bis zum äußersten zu behaupten und die Geistigkeit des Lebens als die einzige Wirklichkeit anzuerkennen und unerschütterlich daran festzuhalten. Solche erhöhte geistige Aktivität und Wachsamkeit wird uns dann in der Anfechtung leiten. Wir werden klar erkennen können, daß Gottes Verheißung im zweiten Buch Mose: „Ich bin der Herr, dein Arzt“ wahr ist. Durch unsere wachsende Hingabe an Gott wird in uns die unerschütterliche Überzeugung groß und beherrschend, daß „das Reich Gottes ... mitten“ unter uns ist, wie Jesus sagte, und daß wir tatsächlich geistig sind.
Unser Vater-Mutter Gott umsorgt und erhält uns in Seiner unbegrenzten Liebe in jeder Lebenslage und in jedem Abschnitt unseres Daseins. Er ist immer gegenwärtig, versorgt uns mit den richtigen Gedanken und Einfällen und gibt uns die geistigen Ideen, die in kritischen Situationen den nötigen moralischen Mut und die Durchhaltekraft stärken. Seine belebende Gegenwart erfüllt uns mit Zuversicht, Schwung, Freude und Ausdauer.
Können wir uns eine wichtigere Aufgabe vorstellen, als unser Leben völlig Gott zu weihen und alle unsere Kräfte in Seinen Dienst zu stellen? Gibt es etwas Schöneres und Befriedigenderes, als in aller Konsequenz mit der Christlichen Wissenschaft durchs Leben zu gehen? Wäre eine lohnendere Arbeit zu finden als die, uns Gott zu nähern und Seine Liebe zu spüren?
