Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Über Mäntel ... und Gebäude

EIN WORKSHOP ZUM THEMA KIRCHENGEBÄUDE

Aus der April 1991-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Im Treffpunkt können Herold–Leser Erfahrungen und Erkenntnisse austauschen, die sie bei ihren geistigen Entdekkungen in der Kirche und in der Gemeinschaft, in der sie leben, gemacht haben.

Wir empfinden es als angenehm, wenn wir einen Mantel tragen, der uns gut paßt. Doch ist er zu eng, so fühlen wir uns darin nicht wohl, und ist er zu weit, versinken wir darin. Wir müssen uns in unserem Mantel wohl fühlen, und normalerweise legen wir Wert darauf, daß Schnitt und Farbe uns stehen und unsere Persönlichkeit unterstreichen.

Es kann sein, daß uns die Leute an unserem Mantel erkennen, wenn es ein ganz besonderer ist, doch niemand wird einen Mantel mit der Person verwechseln. Mäntel kann man wechseln, doch nicht die geistige Individualität des Menschen, der ihn trägt.

Gebäude gleichen Mänteln insoweit, als sie nötig sind, um uns warm und trocken zu halten. Doch müssen auch sie uns passen! Ihre äußere Form muß zu dem passen, was in ihnen vorgeht. Wenn sie zu groß oder zu klein werden, fühlen wir uns in ihnen nicht länger wohl, weil sie ihren Zweck nicht mehr richtig erfüllen.

Ein junges Paar fühlte sich in seinem Haus, das es nach eigenen Wünschen umgebaut und in dem es sich neun Jahre lang sehr wohl gefühlt hatte, zunehmend eingeengt, als die Kinder kamen. Und als die neue Familiensituation keine weitere Anpassung mehr zuließ, sahen sich die beiden nach einem anderen Haus um. Doch jedesmal kamen sie von neuem zu der Überzeugung, daß sie nie etwas finden könnten, was ihnen so viel bedeutete wie ihr vertrautes Zuhause. Umziehen oder nicht umziehen — das war die Frage! Ihre Unschlüssigkeit hatte schon ein Jahr angedauert, als die Frau eines Morgens aufwachte und aus tiefem Herzen betete: „Vater, zeig uns die geistige Idee, die wir für unseren Fortschritt brauchen.“

Augenblicklich kamen ihr die Worte in den Sinn: „Weder Feindseligkeit noch rein persönliche Zuneigung sollte der Antrieb zu den Beweggründen oder Handlungen der Mitglieder Der Mutterkirche sein“ (aus dem Handbuch Der Mutterkirche von Mary Baker Eddy). „Rein persönliche Zuneigung“! Das war es. Die beiden waren so sehr den Ziegelsteinen und dem Mörtel ihres Hauses verhaftet, daß ihr Begriff von einem Zuhause zu eng geworden war. Der tote Punkt war überwunden, und in kurzer Zeit hatten sie ein anderes Haus gefunden, das mehr Platz für die Familie bot.

Kirchenfamilien kann es ähnlich gehen, wenn sie merken, daß ihr Kirchengebäude nicht länger ihren Bedürfnissen entspricht. Auch in diesen Fällen kann es Mitglieder geben, die sich erinnern, mit wieviel Liebe und Hingabe der Bau des betreffenden Gebäudes bewerkstelligt wurde. Wenn ein Gebäude zu klein wird, kann man relativ leicht akzeptieren, daß ein Neubau dem Fortschritt dient; doch wenn ein Gebäude zu groß wird, ist es manchmal schwer, einen Umbau oder Umzug der Kirche als Fortschritt anzusehen. In beiden Fällen sind Mut und Ehrlichkeit erforderlich, um sich aus der persönlichen Verbundenheit mit einem geliebten Gebäude zu lösen, so daß die göttliche Liebe ihrer eigenen Idee neue Konturen geben und die angemessene Form für die Kirche in Erscheinung treten kann.

Die Kirche hat die Aufgabe, zu heilen und die Allgemeinheit zu segnen. Das erfordert von den Mitgliedern große Hingabe. Sie bedürfen einer gewissen inneren Bereitschaft und Aufgeschlossenheit, um die Bedürfnisse und Nöte ihrer Mitmenschen — außerhalb wie innerhalb der Kirche — wahrzunehmen und auf sie einzugehen. Wenn regelmäßig auf den Mitgliederversammlungen die Instandhaltung des Kirchengebäudes im Mittelpunkt steht, wird das Denken vorrangig davon in Beschlag genommen, und es fehlt ihm die Freiheit, sich der eigentlichen geistigen Mission der Kirche zuzuwenden.

„Jesus gründete seine Kirche und behauptete seine Mission auf der geistigen Grundlage des Christus–Heilens“, schrieb Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift. Dies setzt klare Prioritäten, was die Frage des Erhalts des Kirchengebäudes angeht. Durch bloße Erhaltung von Materie, so schön sie auch sein mag, wird diese geistige Mission niemals aufrechterhalten.

In einigen Teilen der Erde ist die Landschaft geprägt von den Silhouetten der jahrhundertealten Kirchen und Kathedralen. Sie sind Wahrzeichen der Gottesverehrung — ein Zeichen christlichen Engagements. Doch wenn wir noch weiter zurückdenken — fast zweitausend Jahre —, dann stellt sich vielleicht die Frage: „Welche Wahrzeichen hinterließ Jesus, die der Zeit standhielten?“ Gebäude hätten die Zeit nie überdauern können, doch seine Heilungen hielten stand. Es ist ein Wunder, daß die Berichte über seine Heilungen — obwohl Sprachen und Kulturen untergingen — die Jahrhunderte überdauert haben und noch heute in den Herzen und im Leben der Christen einen herausragenden Platz einnehmen. Und sein Gebot an seine Nachfolger: „Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus“ ist die wichtigste Aufgabe, der sich die Kirche Christi, Wissenschafter, verpflichtet fühlt.

Es ist also erforderlich, dem Kirchengebäude und seiner Pflege nicht zuviel Gewicht beizumessen. Unser Kircheneigentum ist unser Diener, nicht unser Herr. Es dient der eigentlichen Mission der Kirche. Es beherbergt die verschiedenen Aktivitäten der Zweigkirche — die öffentlichen Gottesdienste und Zeugnisversammlungen sowie die Sonntagsschule mit ihrem Unterricht in geistigen Dinge. Doch wenn die Sorge um unser Kirchengebäude in den Mittelpunkt unseres Denkens rückt, dann ist der Diener zum Herren geworden. Und das löst zu Recht Unbehagen aus, ein Unbehagen, das aber den Anstoß zu Erneuerung und Fortschritt geben kann.

Kirchenbau ist kein einmaliges Ereignis — es ist ein dauerndes Abenteuer, eine geistige Initiative, die die Mitglieder, individuell und kollektiv, täglich in ihrem Herzen und ihrem Leben unternehmen. Die Kirchenmitglieder können sich nie auf der Arbeit einer früheren Generation ausruhen — sie müssen darauf aufbauen. Dazu ist geistiger Weitblick erforderlich, der über Ziegel und Mörtel hinausschaut auf das, „was man nicht sieht“ (Hebräer).

Liebe ist etwas, was man nicht materiell „sieht“, sie wird an ihren Wirkungen erkannt; auf diese Weise erkennen unsere Nachbarn, daß unsere Kirche unmittelbar in ihrer Nähe ist. Wahrheit „sieht“ man nicht, man erkennt sie, wenn sie heilt. Wenn geistige Tatsachen zu Bausteinen unseres Lebens werden, ermöglichen sie es unseren Nachbarn, die Kirche zu entdecken, die aus demselben Material erbaut ist.

Bei Problemen mit einem Kirchengebäude kann die Lösung darin bestehen, daß man es verkauft und umzieht, die bestehenden Räume umbaut oder „wächst“, bis der Mantel wieder paßt. Aber immer bestimmt die geistige Forderung die äußere Form, und wo sich Ehrlichkeit und Furchtlosigkeit mit Mut und Liebe verbinden und die Kirchenmitglieder beseelen, ist Erneuerung mit den entsprechenden mitfolgenden Zeichen unvermeidlich.


EINE UMFASSENDERE LIEBE

Unser großes Kirchengebäude wurde Anfang dieses Jahrhunderts erbaut und liegt nahe am Stadtzentrum. Auf einer Mitgliederversammlung suchten wir nach Möglichkeiten, die nach außen gerichteten Aktivitäten unserer Kirche zu verstärken. Viele Möglichkeiten wurden erörtert — ein neues Gebäude zu errichten, dort zu bleiben, wo wir waren, uns mit einer anderen Zweigkirche zu vereinigen.

Eine Zeitlang ging es in der Diskussion um das Außere unseres Kirchengebäudes, die bunten Glasfenster, die schöne Architektur — und daß jede Veränderung ein „Rückschritt“ sei. Dann sprach ein Mitglied davon, daß „Kirche“ viel mehr sei als nur ein Gebäude. Andere äußerten weitere erhebende Gedanken dazu. Es wurde klarer, daß unsere Kirche die Aufgabe hat, den einzelnen, unsere Stadt und die Welt zu segnen und geistig zu erneuern. Sie ist dazu da, das christliche Heilen in unserer Stadt zu fördern und das geistige Verständnis zu stärken. Sie öffnet Wege, auf denen Gottes Wort die Menschen erreicht — durch die Gottesdienste und die Sonntagsschule, durch den Leseraum und durch Vorträge.

Immer mehr fühlten wir uns von dem wahren Wesen der Kirche ergriffen. Wir sind dann doch in unserem ursprünglichen Gebäude geblieben. Aber die Bewunderung für das Gebäude ist weitgehend verschwunden. Unsere Mitgliederversammlungen befassen sich nicht mehr in erster Linie mit dem Erhalt des Gebäudes. Unser Augenmerk gilt stärker unserer Stadt, ihren Bedürfnissen und Nöten. Unsere Kirche ist spürbar aktiver geworden und ruht auf einem festeren geistigen Fundament. Interessanterweise äußern sich viele Besucher dahingehend, daß sie in unserer Kirche geistige Aktivität und eine alle einschließende Liebe spüren.

NEUES ENGAGEMENT FÜR DAS HEILEN UND FÜR DIE STADT

Die Mitglieder einer Zweigkirche sahen sich in einer mißlichen Lage. Ursprünglich hatte sich ihr Kirchengebäude in einem reinen Wohngebiet befunden; inzwischen war es jedoch von Bürogebäuden umgeben. Das Gebäude war über sechzig Jahre alt, und obwohl es noch immer die richtige Größe hatte, war es doch ungünstig gelegen, nur mit hohem Aufwand zu erhalten und kaum richtig zu beheizen. Doch langjährige Mitglieder konnten sich eine Trennung von ihrem „vertrauten Freund“ nur schwer vorstellen.

Dann trat eine Baugesellschaft an die Mitglieder heran. Hätten sie Interesse, sich an einem übergreifenden Sanierungsprojekt zu beteiligen?

Die Kirche beschloß, das Angebot anzunehmen. Doch immer wieder erlebten die Mitglieder schwere Rückschaläge — Widerstand seitens der örtlichen Behörden, Ablehnung ihrer ersten Bauplanung. Als dann der neue Plan genehmigt worden war, war die Baugesellschaft in Konkurs gegangen.

Aufgrund dieser Ereignisse drängte sich die Frage nach dem Zweck der Kirche auf. Es fanden viele Mitgliederversammlungen statt, auf denen die geistige Mission der Kirche schärfer in den Blickpunkt rückte.

Obwohl sie als Kirche anerkannt waren, gab es unter ihren Mitgliedern keinen Ausüber mehr, der im Christian Science Journal eingetragen war. Als den Mitgliedern der Heilungsauftrag ihrer Kirche wichtiger zu werden begann, wurde ein Mitglied vollberuflich Ausüber der Christlichen Wissenschaft und ließ sich im Journal eintragen. Ein zweiter Ausüber zog zu und trat der Kirche bei. Diese schwierige Zeit wurde zu einer Zeit großer geistiger Stärkung für die Kirche.

Die Mitglieder beschlossen, das Kirchengebäude an eine andere Baugesellschaft zu verkaufen, obwohl sie noch keine Aussicht auf einen neuen Bauplatz hatten. Die Gottesdienste wurden in einer nahegelegenen Schule abgehalten. Man fand mehrere geeignete Grundstücke, doch wurde in keinem dieser Fälle eine Baugenehmigung erteilt. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Menschen in dem Teil der Stadt leicht zu dem Schluß gelangen können, daß sich die christlich–wissenschaftliche Kirche einfach aufgelöst habe!

Eines Tages stand ein Kirchenmitglied auf dem Bürgersteig und betete. Hinter ihm lag ein Grundstück, das für die Kirche ideal gewesen wäre, das man aber nicht hatte erwerben können. Als der Betreffende aufsah, fiel sein Blick auf ein altes Haus, das auf der anderen Straßenseite in einem großen Garten stand. Er fühlte sich dazu gedrängt, den Besitzer ausfindig zu machen und ihn zu fragen, ob er an einem Verkauf interessiert sei. Er war es! Kurz darauf beschloß die Mitgliedschaft, das Grundstück zu kaufen.

Der Entwurf für ein neues Kirchengebäude wurde bei der örtlichen Baubehörde eingereicht. Die Baugenehmigung wurde bereitwillig erteilt. Ein Mitglied des Stadtrates wies darauf hin, daß in jenem Stadtteil bereits zwei andere Kirchen abgerissen worden waren und man froh sei, daß mit der christlich–wissenschaftlichen Kirche jener Gegend ein religiöses Element erhalten bleibe.

Man zeigte großes Interesse für den Fortschritt des Kirchenbaus, und in der Schule wurde ein christlich–wissenschaftlicher Vortrag veranstaltet, zu dem die Schulleiterin die Einführung sprach. Aufgrund der Verbindung zu dieser Schule wurde ein Kirchenmitglied gebeten, im Schulvorstand die Stelle einzunehmen, die für einen Vertreter der Kirchen vorgesehen ist. Der Vorsitzende der Kirche hat in der Vertretung der örtlichen Bürgervereinigung mitgearbeitet, und deren Mitglieder haben sich immer wieder lobend über die Qualität des neuen Kirchengebäudes geäußert. Die neue Kirche hat ihre Tore gerade geöffnet!

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / April 1991

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.