Unsere Diskussion Wurde eines Morgens in der Sonntagsschule von der Frage bestimmt, was eigentlich vor sich geht, wenn jemand nur durch Gebet geheilt wird — wenn er sich weder auf Medizin noch Chirurgie verläßt. Wir sprachen über die Heilung von Gesichtskrebs, die ein früheres Mitglied unserer Zweigkirche erlebt hatte.
Es war eine wunderbare Heilung, von der die ganze Kirche Zeuge wurde. Die Frau war durch das krebsartige Gewächs, das sich weiter auszubreiten drohte, regelrecht entstellt gewesen. Die Heilung, die schließlich allein durch Gebet eintrat, war vollständig. Das Gewächs verschwand, ohne daß eine Narbe oder eine Spur zurückblieb. Die Frau war völlig unversehrt und erfreute sich bester Gesundheit.
Die Sonntagsschüler fragten deshalb: Was ging hier vor sich? Wie konnte etwas, was so wirklich aussah und tatsächlich vorhanden zu sein schien, einfach verschwinden? Wie betete die Frau, um solch ein Ergebnis zu erreichen?
Diese Fragen führten uns zu einem Abschnitt im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, in dem die Verfasserin, Mrs. Eddy, folgendes sagt: „Das physische Heilen durch die Christliche Wissenschaft ist jetzt, wie zu Jesu Zeiten, das Ergebnis der Wirksamkeit des göttlichen Prinzips, vor dem Sünde und Krankheit ihre Wirklichkeit im menschlichen Bewußtsein verlieren und ebenso natürlich und unvermeidlich verschwinden, wie Dunkelheit dem Licht und Sünde der Umwandlung Raum gibt.“
Die allein durch mentale, geistige Mittel bewirkte Heilung von einer scheinbar hartnäckigen Krankheit forderte offensichtlich von dieser Frau, daß sie gänzlich der Versuchung widerstand, den Augenschein der materiellen Sinne hinzunehmen — wie aggressiv und dauerhaft er auch zu sein schien. Solche Standhaftigkeit mußte sich auf wissenschaftliches Gesetz gründen, auf geistige Tatsachen und nicht bloße menschliche Worte. Durch verständnisvolles Gebet mußte sie, um geheilt zu werden, Vertrauen zu etwas Höherem als der Materie entwickeln und aufrechterhalten. Als ihre Heilung eintrat, war der Beweis erbracht, daß die Dunkelheit, die als hartnäckige Krankheit bezeichnet wurde, keinerlei Substanz hatte, sondern ein Schatten war — nicht wirklich, sondern unwirklich. Das Verschwinden der Krankheit zeigte, daß nicht Krankheit, sondern Gesundheit wirklich und substantiell ist.
Daraufhin konnten wir in der Sonntagsschulklasse verstehen, daß das Wirken des göttlichen Prinzips zu der Heilung geführt hatte, und nicht bloßes menschliches Argumentieren unter dem Namen des Gebets. Wir erkannten, daß der Heilungsprozeß gänzlich darin bestand, das Denken zu erheben, um zu verstehen, was wirklich in Gottes Reich vor sich geht. Dadurch, daß die Frau ihr Denken erhob, wurde das Böse aufgedeckt, und dieser Vorgang ließ den körperlichen Irrtum im Bewußtsein der Frau (dem einzigen Ort, wo er jemals zu existieren beanspruchte) an Wirklichkeit verlieren und auf natürliche Weise verschwinden. Die Sonntagsschüler schlossen daraus, daß metaphysisches Heilen einen geistig mentalen Standpunkt erfordert, von dem aus der Mensch nicht mehr als materiell betrachtet wird, sondern als Gottes makelloses Bild und Gleichnis.
Mancher, der mit der Sprache der Christlichen Wissenschaft nicht vertraut ist, mag entrüstet sein über die Feststellung, daß Krankheit „nicht wirklich“ oder eine „Illusion“ ist. Schließlich ist sie den Sinnen zufolge doch da; sie ist wahr, sie ist schmerzhaft. Und wenn wir ohne Vorbehalte die Behauptungen der materiellen Sinne annehmen, mögen wir dieser Schlußfolgerung zustimmen. Das brauchen wir aber nicht zu tun.
Die christlich-wissenschaftliche Antwort auf Krankheit ist in gutverbürgten Heilungen zu finden, die sich im Laufe von mehr als einem Jahrhundert ereigneten. Tausende von Krankheits- und Leidensfällen sind durch Gebet, wie es in der Christlichen Wissenschaft gelehrt wird, geheilt worden — viele, nachdem die Ärzte schon jede Hoffnung auf Besserung aufgegeben hatten. Gott, das göttliche Prinzip vom wahren Sein des Menschen, ist in jeder christlich-wissenschaftlichen Heilung am Wirken und erhebt das Bewußtsein des Leidenden. Es veranlaßt ihn, den Blick mit Entschiedenheit von dem hypnotischen, furchterregenden materiellen Augenschein abzuwenden und auf die geistige Wirklichkeit zu richten — auf die Gesundheit und Vollkommenheit, die der Mensch als Gottes geistiges Bild und Gleichnis zum Ausdruck bringt. In dem Maße, wie der Leidende zu dieser Wahrheit und Gottes heilender Macht Vertrauen faßt, sieht er, wie der Augenschein der körperlichen Krankheit verschwindet. Die Dunkelheit des sterblichen Denkens gibt dem göttlich erleuchteten Bewußtsein vom geistigen Leben Raum.
Christus Jesus sagte: „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Sein Denken war stets von der Wahrheit erleuchtet, weil er sich seiner vollkommenen Einheit mit Gott bewußt war. Wiederholt sagte er, daß nicht er selbst die Quelle der Heilung war, sondern daß Gott, der Vater, die Werke vollbrachte. Seine großartigen Heilerfolge erwuchsen aus seiner unübertroffenen Fähigkeit zu erkennen, daß Gott, das allumfassende Gute, die einzige Quelle des menschlichen Lebens ist und daß deshalb alles Böse seinem wahren Wesen nach nur eine Illusion ist. Er durchschaute Sünde, Krankheit und Tod als Illusion, während andere sie als Realität betrachteten. Als Gottes Sohn verstand Jesus ganz natürlich, wie das göttliche Prinzip wirkt. Er sagte kurz und bündig: „Sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.“
Die Heilmethode der Christlichen Wissenschaft gleicht keinem menschlichen System der Gesundheitspflege. Das Heilen erfolgt allein durch ein erleuchtetes geistiges Bewußtsein. Es beruht einzig und allein auf dem göttlichen Prinzip, der immer wirkenden göttlichen Liebe. Es wendet dieselben Heilkräfte an, auf die die Männer und Frauen in der Bibel vertrauten und deren Wirksamkeit sie bewiesen. Diese Heilkräfte sind mental, nicht physisch; geistig, nicht materiell. Das Christus–Heilen besteht nicht in einer chemischen oder physikalischen Tätigkeit. Es handelt sich dabei ausschließlich um eine Tätigkeit geistig inspirierten Denkens.
Wenn wir die Heilmethode des Christus suchen, müssen wir den Fehler vermeiden, diesem oder jenem Problem sozusagen christlich–wissenschaftliche Argumente „entgegenzuwerfen“ und dann solches Vorgehen eine „Behandlung“ zu nennen. Durch einen derartigen Irrtum laufen wir Gefahr, eine Wirklichkeit aus dem zu machen, was nichts als eine falsche Annahme ist, und dann zu versuchen, ihre Scheinwirklichkeit zu „behandeln“ und sie irgendwie in der Unwirklichkeit verschwinden zu lassen! Statt dessen müssen wir jede Suggestion, die uns Schwierigkeiten nahelegt, jede düstere Behauptung, in den Glanz des göttlichen Lichtes halten, wo die Nichtsheit dieser Ansprüche erkannt und bewiesen werden kann.
Behandlung im Sinne der Christlichen Wissenschaft ist Gebet, keine intellektuelle Formel. In dieser Wissenschaft bringt ernsthaftes Gebet das falsche Denken in die Gegenwart des göttlichen Prinzips, wo es durch die Allgegenwart der Liebe zerstört wird. Der wissenschaftliche Weg besteht darin, das Problem als Gelegenheit zu nutzen, die Wirksamkeit der Christlichen Wissenschaft zu demonstrieren. So kann jeder von uns beweisen, daß das Wirken des göttlichen Prinzips alle wahre Ursache und Wirkung einschließt. So demonstrieren wir und lernen wir verstehen, daß die Wissenschaft, die Jesus der Welt brachte — wenn sie richtig erkannt und angewandt wird —, auch heute noch jegliches Problem geistig löst, ganz gleich, wie hoch der Schwierigkeitsgrad, relativ gesehen, sein mag.
Schon seit vielen Jahren schätze ich die folgende tief geistige Erklärung Mrs. Eddys in Wissenschaft und Gesundheit und denke oftmals darüber nach: „Wenn Geist oder die Macht der göttlichen Liebe für die Wahrheit zeugt, dann ist dies das Ultimatum, der wissenschaftliche Weg, und die Heilung erfolgt augenblicklich.“ Nichts an dieser großen grundlegenden Aussage gibt uns Anlaß zu glauben, wir seien persönlich für die Heilung verantwortlich. Wahrheit ist der Heiler. Wir sind jedoch für unsere eigenen Gedanken verantwortlich und müssen die Wahrheit widerspiegeln. Unsere Aufgabe ist es, durch Christus allen dunklen Suggestionen des fleischlichen Gemüts entschlossen entgegenzutreten und nur die Gedanken, die Ideen, für uns zu beanspruchen und anzunehmen, die für Gott, Geist, Zeugnis ablegen. Wenn unharmonische Zustände, die wir irrtümlicherweise für unumstößlich hielten, dem Glanz des göttlichen Lichtes ausgesetzt werden, verlieren sie ihre Wirklichkeit im menschlichen Bewußtsein und verschwinden.
Gott, das göttliche Prinzip, wirkt unaufhörlich. Das göttliche Prinzip, Liebe, kennt nur sich selbst, seine eigene makellose Vollkommenheit und den Menschen als Gottes reines, geistiges Ebenbild. Gott kennt uns nur als Seine Widerspiegelung, als die Kundwerdung Seines göttlichen Lichtes. Er erstrahlt in Allmacht und Allgegenwart; Er erleuchtet die gesamte Schöpfung, entfernt alle Schatten. Und ebendiese Erkenntnis heilt.