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Das Leben, das nicht verlorengehen kann

Aus der Juli 1991-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Einige Zeit Bevor meine Mutter weiterging, sprach sie mit mir über das ewige Leben und über ihre Gewißheit, daß das Leben — selbst nach dem Tode — fortdauert und beständig Ausdruck findet. Und sie deutete an, daß man dieses Leben nicht durch Trauer beschweren dürfe.

Als sie von mir gegangen war, fühlte ich mich eine Zeitlang wie betäubt und ohne innere Wärme. Sie war der Mensch, der mir am nächsten gestanden hatte, weil sie das Familienmitglied war, das meine Sehnsucht nach tiefer christlicher Wahrheit am besten verstanden und geteilt hatte — und diese tiefe christliche Wahrheit hatten wir beide in der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr'istjen s'aiens) gefunden. Außerdem hatte sie uns Kinder mit großer Opferbereitschaft durch schwere Zeiten hindurchgesteuert. Ich war noch nicht das Gefühl losgeworden, daß ich diese große Liebe nicht ganz erwidert hatte.

Dazu kam die Angst, daß dieser mir so liebe Mensch — nun meiner Fürsorge entzogen — unbekannten Bereichen entgegenging und vielleicht einsam war. Diese dumpfe Bedrückung löste sich bald auf, als ich erkannte, daß meine Furcht grundlos war, weil Gott und Seine Schöpfung, der Mensch, untrennbar sind. Aus diesem Grunde konnte weder ich noch meine Mutter tatsächlich irgendwo hingehen, wo Gott nicht gegenwärtig war oder wo nicht neue Aufgaben und Befriedigungen unser harrten. Als Gottes Kinder sind wir niemals führungslos und können darum auch niemals ohne Schutz und Versorgung sein. Um das beweisen zu können, müssen wir jedoch gewissenhaft beten, damit wir klarer verstehen, daß Gott das einzige Leben ist und daß der Mensch in seinem wahren Wesen dieses Leben widerspiegelt.

Je mehr ich mich darum bemühte, zu begreifen, daß Gott das universale Gute ist, die vollkommene Heiligkeit, der allerhabene Geist und die allerhabene Kraft, die Liebe selbst, desto stiller wurde die Unruhe in mir, und desto stärker wuchs die Dankbarkeit dafür, daß eine solche Güte den Menschen beherrscht.

Schließlich wurde mir durch mein Gebet in dieser Erfahrung zum erstenmal bewußt, daß die Individualität des Menschen geistig ist. In die Stille meines Denkens trat der bewußte Gedanke ein, daß das Leben kein materielles Leben ist und daß der Mensch, der von Gott geschaffen wurde, eine Idee des Geistes ist. Ich verstand, daß sich der unendliche Schöpfer in jeder Seiner Ideen, also in jedem einzelnen geistigen Menschen, widerspiegelt.

Darum kann Leben wirklich nicht materiell oder begrenzt sein. Wenn sich der Nebel des sterblichen Denkens und die Wolken einer falschen, materiellen Lebensauffassung aufzulösen beginnen, dann strömt die Wahrheit wie ein Licht in das menschliche Denken hinein, tröstet, stärkt und hebt es empor.

Trauer wird durch eine Art Mesmerismus verursacht, durch die falsche Annahme, der Mensch sei in einem materiellen Körper eingeschlossen, der altert, leidet und stirbt. Die Einflüsterung, daß dieser menschliche Körper die Grundlage und Ursache unseres Lebens, unserer Individualität und unserer geistigen Fähigkeiten darstelle, behauptet, daß das Dasein ausgelöscht werden kann.

Diese Annahmen wirken hypnotisch; sie möchten uns dazu bringen, das geistige Sein zu leugnen, Gott zu leugnen. Wir müssen jedoch erkennen, daß solcher Mesmerismus eine Täuschung ist. Eine solche materialistische Argumentation und Annahme zerstört sich selbst.

Da der Mesmerismus keine Grundlage oder Basis in Gott hat, verschwindet er, wenn wir uns an Wahrheit, Gott, wenden. Nichts Ungeistiges oder Böses kann vor Ihm bestehen. Keine Schwäche, nichts, was Gott unähnlich ist, kann der Reinheit des Allmächtigen widerstehen, denn Gott ist Leben, die einzige immer anwesende Macht und Intelligenz.

Leiden und Sterben kommen nicht von Gott; sie sind nur mit der Materie und der Materialität verbunden. Mit anderen Worten, sie existieren nicht in Gottes geistiger Schöpfung. Durch geistiges Wachstum beginnen wir zu begreifen, daß wir Gottes geistiger Mensch sind; und wenn wir dies klarer erfassen, wird das Leid überwunden. Petrus mahnt: „Weil nun Christus im Fleisch gelitten hat, so wappnet euch auch mit demselben Sinn; denn wer im Fleisch gelitten hat, der hat aufgehört mit der Sünde" (1. Petrus).

Je eingehender ich die Christliche Wissenschaft studierte und anwandte — die Bibel, die Bücher von Mary Baker Eddy, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, die Bibellektion und die religiösen Zeitschriften erforschte —, desto mehr befreite sich mein Denken aus der Enge und dem hypnotischen Sichklammern an eine begrenzte, materielle Vorstellung vom Menschen. Schließlich beherrschten mich große Freude und Dankbarkeit, besonders als ich folgende Stelle in Mrs. Eddys Buch Die Einheit des Guten fand: „ ... die Sterbenden — wenn sie in dem Herrn sterben — [erwachen] aus einem Todesbewußtsein zu einem Bewußtsein des Lebens in Christus, mit einer Erkenntnis von Wahrheit und Liebe, die über ihr bisheriges Verständnis hinausgeht; denn ihr Leben hat sich so weit zu der Größe des Menschentums in Christus Jesus entfaltet, daß sie durch ihre Neigungen und ihr Verständnis für eine geistige Umwandlung bereit sind."

Wissen kann sich niemals in Nichtwissen zurückverwandeln; Verständnis kann sich niemals zu Verständnislosigkeit zurückentwickeln. So etwas gibt es nicht.

Aus dem gleichen Grund kann jemand, der weitergegangen ist, nicht zu einem früheren Bewußtseinszustand zurückkehren. In dem Maße, wie die Annahme von Leben in der Materie überwunden ist, löst sich der Irrtum dieser Annahme auf. Dieser gewaltige Schritt schafft eine Distanz zwischen vergangener Erfahrung und Gegenwart, die unüberbrückbar ist. Auch muß ein Dahingegangener nicht unbedingt die Gedanken des Sterbevorgangs mitnehmen. Wenn wir uns also an Vorstellungen klammerten, denen ein uns lieber Mensch, der weitergegangen ist, entwachsen ist, würde diese Einstellung unserem eigenen liebevollen Wunsch entgegenarbeiten, daß der Betreffende geistige Fortschritte machen möge. Als unendliche geistige Idee kennt der Mensch nur beständige Entfaltung und Weiterentwicklung — unter Gottes Lenkung.

Wir dürfen nicht annehmen, daß die Dahingeschiedenen weit entfernt oder gar verloren sind. Mir wurde immer klarer, daß in Gottes geistiger Schöpfung nichts verlorengehen kann. Daher ist meine Mutter, deren Liebe mir so viel bedeutet hat, für mich nicht verloren. Alle Liebe und Selbstlosigkeit, die ich an ihr erlebt hatte, auch ihr Mut und ihr Gerechtigkeitssinn, bleiben für immer bei mir. Sie ist hier in meinem Herzen und in meinem Denken. Mir ist nun klar, daß sie in Wirklichkeit die Liebe unseres Vater-Mutter Gottes zum Ausdruck brachte, als sie mich geleitet, behütet und versorgt hat.

Wir können also das Gute, das von den Menschen, die wir lieben, zum Ausdruck gebracht wird, niemals verlieren. Im Gegenteil! In dem Maße, wie wir in unseren Gedanken an sie den persönlichen, körperlichen Sinn aufgeben, wird für uns das geistig Gute, das ihre wahre Identität ist, immer klarer und greifbarer. Das Gute, das sie uns gegeben haben, wird immer in unserem Besitz bleiben. Das Gute ist geistig und hat in Wirklichkeit seinen Ursprung in Gott, Liebe, nicht in Menschen.

Das sinnlich erfahrene Leben ist gegenüber der Wirklichkeit des geistigen Lebens, das auf dem göttlichen Prinzip beruht, wie eine Traumerfahrung. Die materielle Lebensvorstellung muß daher zurückweichen und sich dem göttlichen Leben, das Gott ist, unterordnen, bis wir schließlich die eigentliche Unwirklichkeit der Materialität wahrnehmen.

Fortschritt folgt ganz natürlich, wenn wir Gott gehorchen. Das Hiersein ist nicht Selbstzweck, sondern veranschaulicht die Entwicklung, die wir unter der Hut der Liebe, die Gott ist, erleben; und dieser Prozeß führt uns höher. Manchmal ist das Leid ein Anstoß zu geistigem Wachstum und Fortschritt. Fortschritt braucht aber nicht unbedingt von Leiden begleitet zu sein. Wir erlangen Geistigkeit durch ein zunehmendes Verständnis der errettenden Kraft der Wahrheit. Wie die Bibel berichtet, verhieß uns Gott: „Ich, der Herr, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich" (Jesaja).

Das sterbliche Gemüt und der sterbliche Körper — von denen keins ohne das andere bestehen kann — werden schließlich durch das göttliche Gemüt zerstört. Und wir beschleunigen diesen Vorgang, wenn wir uns eifrig bemühen, das materielle Denken und Leben aufzugeben und den Christus, die wahre Idee des Menschen, anzunehmen. Fortschritt befähigt uns, vergangene Fehler zu überwinden, denn er zeigt uns, daß wir niemals von Gott getrennt waren. Darum gibt es nur eine einzige wirkliche Forderung: im Hier und Jetzt geistig zu wachsen!

In einem Artikel mit der Überschrift „Jetzt und dann", der in dem Buch Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, erscheint, schreibt Mrs. Eddy: „,Siehe, jetzt ist die angenehme Zeit' — das war eine Regel, auf die der Apostel Paulus großen Nachdruck legte. Eine verpaßte Gelegenheit ist der größte aller Verluste." Dann erklärt sie: „Uns gehört keine Vergangenheit und keine Zukunft; wir besitzen nur das Jetzt. Wenn durch unbedachtes Reden oder Handeln das verläßliche Jetzt verlorengeht, so kommt es nicht wieder zurück. Was immer getan werden muß, jetzt aber nicht getan werden kann, für das wird Gott den Weg bereiten, während das, was jetzt getan werden kann, aber nicht getan wird, unsere Schuld Gott gegenüber vergrößert. Der Glaube an die göttliche Liebe verleiht die immergegenwärtige Hilfe, und zwar jetzt, und gibt die Kraft„ in der lebendigen Gegenwart zu handeln'."

Diese Worte und Mahnungen sind klar und überzeugend. Sie beziehen sich sowohl auf den Dahingeschiedenen wie auch auf uns. Immer ist die Liebe tätig, ist am Wirken. Sie spricht zu uns, stärkt, mahnt und befähigt uns; sie beglückt uns und hebt uns empor in die gesegnete Atmosphäre eines geistigeren Daseinszustandes.

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