Im Philipperbrief Gibt uns Paulus den guten Rat: „Weiter, liebe Brüder: Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was einen guten Ruf hat, sei es eine Tugend, sei es ein Lob — darauf seid bedacht!“ Doch wie viele von uns folgen schon diesem Rat? Ziehen wir es nicht vor, über Ungerechtigkeiten und Dinge, die uns ärgerlich machen, nachzugrübeln? Setzen wir nicht unsere Energie oft so ein, daß wir die unangenehmen und unerfreulichen Dinge, die uns während des Tages passieren, immer wieder durchdenken und von neuem erleben?
Etwas Interessantes geschieht häufig bei solchem Immer-wieder-Durchleben. So ärgerlich wir auch zur Zeit eines Vorfalls gewesen sein mögen, wir neigen dazu, noch ärgerlicher zu werden, je mehr wir darüber nachdenken. Groll und Bosheit nehmen zu, wenn wir immer wieder über jede schlimme Einzelheit der Erfahrung nachgrübeln und somit das Böse geradezu in unserem Denken pflegen. Schließlich laufen wir Gefahr, davon verzehrt zu werden. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Du mußt die bösen Gedanken im ersten Fall beherrschen, sonst beherrschen sie dich im zweiten.“
Denken wir nochmals über Paulus' Worte nach: „Was einen guten Ruf hat,. .. darauf seid bedacht.“ Wenn wir auf diese Weise unser Denken kontrollieren, betrachten wir nicht nut die Sonnenseite einer schlechten Situation, noch ignorieren wir das Problem. Wir lassen einfach nicht zu, daß zerstörerisches (bzw. selbstzerstörerisches) Denken die Kontrolle über unser Leben gewinnt. Wenn wir diese unproduktiven, schädlichen Gedanken beherrschen und sie aus unserem Bewußtsein entfernen, können wir klar denken und beten. So ergibt sich die Fähigkeit, zuversichtlich und ohne Böswilligkeit zu handeln.
Ich befand mich an meinem Arbeitsplatz in einer schrecklichen Lage. Die Leiterin der Abteilung, in der ich arbeitete, war in ihrem Geschäftsgebaren sehr unmoralisch. Meine Situation verschlimmerte sich durch die Tatsache, daß sie gegen mich scheinbar eine besonders starke Abneigung hegte. Ihr Benehmen mir gegenüber war sarkastisch und beleidigend.
Die Moral in der ganzen Abteilung war sehr schlecht, und ich fühlte mich miserabel. Es war mein ehrlicher Wunsch, Christi Jesu Ermahnung zu folgen und meinen Nächsten zu lieben, aber wie? Inmitten einer solch unfairen Behandlung ist Lieben nicht einfach. Und man kann unmöglich lieben, während die anscheinende Ungerechtigkeit vom eigenen Denken Besitz ergriffen hat.
Ein Problem dieser Art läßt sich jedoch nicht dadurch lösen, daß man menschlich eine andere Person ändert oder sich rächt. Wir müssen den bösartigen und selbstbemitleidenden Gedanken den Platz in unserem Denken verwehren und sie durch das ersetzen, was rein, was gerecht und ehrbar ist. Dieser Vorgang heißt Gebet — das Böse aus dem Bewußtsein ausmerzen und sich weigern, ihm die Herrschaft über unser Denken zu geben.
Das Böse ist keine Person. Es ist nicht intelligent. Diese Nichtintelligenz hat nur dann Glaubwürdigkeit, wenn wir sie personifizieren oder sie als Teil des Charakters einer anderen Person ansehen. Mrs. Eddy versichert uns in Wissenschaft und Gesundheit: „Gott ist nicht der Schöpfer eines bösen Gemüts. Tatsächlich ist das Böse nicht Gemüt. Wir müssen verstehen lernen, daß das Böse die schreckliche Täuschung und Unwirklichkeit des Daseins ist. Das Böse ist nicht das Höchste, das Gute ist nicht hilflos, noch sind die sogenannten Gesetze der Materie primär und das Gesetz des Geistes sekundär.“
In der Genesis wird das Böse als eine sprechende Schlange dargestellt, die Eva (und durch Eva Adam) überredete, die Frucht von dem „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ zu essen, die Gott ihnen zu essen verboten hatte. Als Gott Adam seine Sünde vorwarf, weil er die verbotene Frucht gegessen hatte, gab Adam Eva die Schuld, denn sie hatte ihn dazu überredet. Doch die Schuld gebührte tatsächlich der Schlange, dem Bösen. Adam schien es zwar, daß Eva die Ursache seines Problems war, doch die Lügen der Schlange hatten Eva manipuliert, so daß sie dachte, es sei gut, die verbotene Frucht zu essen.
Wenn wir die verbotene Frucht essen — wenn wir verletzte und ärgerliche Gefühle aufkommen lassen — und dann die Schuld einer Person geben, irren wir uns ebenso wie Adam. Nur das Böse begeht eine Unfreundlichkeit oder Ungerechtigkeit. Es kann uns nur dann verletzen, wenn wir nicht erkennen, daß das Böse, die Schlange, ein Lügner ist.
Wenn wir versucht sind, über einen Streit nachzugrübeln, sollten wir statt dessen Gründe suchen, warum wir Gott preisen können. Wir können alles, was Paulus für erstrebenswert hält — alles, was sich auf geistiges Schlußfolgern gründet —, dazu verwenden, den Zwang, ärgerliche Gedanken zu denken, auszutilgen. Das Böse ist kein Teil einer Person. Und weil das Böse keine selbstkonstituierte Intelligenz hat, kann es keine Person benutzen, um eine andere zu verletzen. In Wissenschaft und Gesundheit lesen wir, was das Böse ist: „Das Böse ist nichts, es ist kein Ding, kein Gemüt, keine Macht.“
Als ich gewissenhafter betete und auf mein Denken achthatte, trat an die Stelle von Groll die Lobpreisung Gottes. Mir wurde klar, daß Gott Seine Kinder nur als ehrliche, freundliche, klar denkende und harmonische Kinder kennt. Ich hörte auf, Zeit mit krankhaften Tagträumen zu verschwenden, und fing wirklich an, Gottes Standpunkt zu entdecken. Ich klammerte mich an Paulus' Rat: „Sei es eine Tugend, sei es ein Lob — darauf seid bedacht.“
Beim Beten eines Tages wurde mir ganz klar, daß ich kündigen sollte, etwas, was mir vorher nie in den Sinn gekommen war. Zuerst beachtete ich diesen Gedanken nicht, da es mir unmöglich zu sein schien. Ich wollte doch nicht vor dem Problem davonlaufen. Ich wollte bleiben und die unerfreuliche Situation heilen! Und da mein Verdienst die Hälfte unseres Haushaltseinkommens ausmachte, schien eine Kündigung nicht in Frage zu kommen. Der Gedanke ließ mir jedoch keine Ruhe, bis mir klar wurde, daß ich die Stelle verlassen und Gott vertrauen konnte.
Vertrauen bedeutet zu wissen, daß Gottes Plan sich entfaltet, selbst wenn wir nicht wissen, wie wir eine Sache bewerkstelligen sollen. Ich war mir nicht sicher, wie wir unsere Rechnungen bezahlen sollten, falls ich kündigte. Andererseits war ich überzeugt, daß Gottes gütige Regierung alles in die richtige Bahn lenken würde, wenn ich Seinen Geboten gehorchte. Am folgenden Montag kündigte ich.
Zwei Wochen nachdem ich gegangen war, wurde bekanntgegeben, daß die Muttergesellschaft die Firma auflöste, für die ich gearbeitet hatte. Daraufhin verließen schließlich viele ihre Stelle.
Dann wurde nicht lange danach mein Mann ganz unerwartet befördert, und sein Gehalt verdoppelte sich. Aber ich hatte immer noch das ungute Gefühl, daß ich davongelaufen war. Wieder studierte ich das Leben unseres Meisters, und dabei wurde ich sanft aus dieser Sorge herausgeführt. Ich sah ein, daß Jesu Heilungswerk für die „geistlich Armen“ vollbracht wurde, für die, die empfänglich waren für die Wahrheit. Er schaffte nicht alle Probleme aus der Welt. Aber er überwand die Welt.
Nicht ich allein war dafür verantwortlich, die Firma von den Problemen zu heilen, die ich erlebt hatte; sehr wohl aber dafür, mich von Groll, Selbstgerechtigkeit und Selbstrechtfertigung zu heilen. Indem ich Gott demütig um Führung dabei bat, statt jedem, der es hören wollte, ausführlich über die ungerechte Behandlung zu erzählen, die ich erfuhr, war ich schon ein gutes Stück vorangekommen, um diese Nebenwirkungen des Eigenwillens unter Kontrolle zu bringen. Und indem ich der Botschaft gehorchte und kündigte, wurde ich aus einer beunruhigenden Situation befreit und vor einer noch beunruhigenderen beschützt.
Viel später erfuhr ich, daß die Abteilungsleiterin, für die ich gearbeitet hatte, schließlich entlassen wurde. Interessant war für mich, daß ich bei dieser Neuigkeit keine Genugtuung verspürte; nur die leise Hoffnung, sie möge eine Stelle finden, bei der sie ihre Talente produktiv einsetzen konnte. Welch eine Erleichterung war es, daß ich wohlwollend und nicht mit Groll an diese Frau denken konnte.
Wenn wir erkennen, daß das Böse eine Lüge ist, wird es möglich, böse Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Mrs. Eddy bemerkt in ihrem Buch Die Einheit des Guten: „Eine Lüge hat nur eine Chance, erfolgreich zu betrügen, nämlich die, für wahr gehalten zu werden.“ Das Böse, ist eine Lüge, denn es hat keine Existenz in Gott, der Wahrheit. Manchmal ist die Lüge äußerst überzeugend. Sie kann sich als Persönlichkeit eines anderen oder als eigenes Denken tarnen. Doch eine Lüge kann uns nicht verletzen, wenn wir ihr keinen Glauben schenken. Wir haben Kontrolle über das Böse, wenn wir es leugnen und seine grundsätzliche Unwirklichkeit verstehen.
Paulus' Worte sind weit mehr als ein guter Rat; sie sind lebenserhaltend und lebenspendend. Es ist für unser Wohlergehen sehr wichtig, daß wir dem Bösen nicht erlauben, unser Denken zu beherrschen. Frei von Arglist, Groll, Haß und Selbstmitleid, können wir konstruktiv handeln. Wir lassen uns nicht länger vom Bösen manipulieren, sondern von Gott regieren, zuversichtlich und ruhig, unter Seiner sicheren Herrschaft. Wir werden über alle Maßen gesegnet, wenn wir uns bewußt entscheiden, auf das bedacht zu sein, „was wahrhaftig ist“ — und entsprechend handeln.
