Vor Ein Paar Jahren stand ich plötzlich einer großen Herausforderung gegenüber. Es war am Ende einer langjährigen Berufsausbildung, kurz vor den Abschlußprüfungen. Die Arbeit fiel mir immer schwerer; Gedanken der Furcht und des Zweifels kamen auf „Ist das wirklich der richtige Beruf für mich?" „Bin ich all den Anforderungen gewachsen?" „Werde ich in dieser Berufskategorie auf dem momentanen Arbeitsmarkt überhaupt eine Stelle finden?" Ja, die Frage stellte sich, ob vielleicht die ganze Ausbildung umsonst war.
Die Leistungen verschlechterten sich unter diesen düsteren Vorstellungen und Zukunftsperspektiven stark. Auch der Körper wurde zusehends schwächer, und ab und zu fiel das Erinnerungs- und Sprechvermögen aus.
Während meiner Kindheit und Jugendjahre hatte ich dank der Christlichen Wissenschaft mehrere Heilungen erlebt, die ganz natürlich durch Gebet erfolgt waren. Probleme in der Familie konnte ich mit einem hilfreichen inneren Abstand — sozusagen „von außen" — betrachten, und durch das Gebet aller Beteiligten wurden auch sie überwunden. Doch nun fühlte ich mich sehr „in die Sache verwickelt".
Was folgte, war eine längere Zeit stetigen Fortschritts mit verschiedenen Stufen geistiger Einsichten. Im Rückblick auf diese Erfahrung kann ich nicht umhin, zu staunen und dankbar zu sein für die Entfaltung des Guten im Leben, wenn das Herz bereit ist, Schritt für Schritt auf die göttlichen Ideen zu horchen, die zum Bewußtsein kommen. Ob in kleineren oder größeren Herausforderungen, Gottes Ideen entfalten sich uns ständig neu und immer in direkter Beziehung zu den speziellen Nöten einer gegebenen Situation.
Für mich war Dankbarkeit ein Halt, der mir meine Einheit mit Gott vor Augen hielt. Freudig erinnerte ich mich daran, daß Christus Jesus vor der Auferweckung des Lazarus Gott dankte. Sogar in einer Situation, die anderen hoffnungslos erschien, war er dankbar dafür, daß Gott sein Gebet erhörte. Doch Jesus wußte, daß geistiges Schauen das wahrnimmt, was jenseits des Augenscheins wirklich vor sich geht. Für ihn stammte das materielle Bild der Hoffnungslosigkeit und Trauer nicht von Gott und wurde auch nicht von Ihm unterstützt. Es stellte nicht die Wahrheit über den zu Gottes geistigem, unzerstörbarem Ebenbild geschaffenen Menschen dar. Und welch wunderbare Wirkung diese korrekte Sicht hatte!
Im glücklichen Bewußtsein, daß ich unserem Vater-Mutter Gott danken konnte, nahm ich auf eine kleine Reise mit dem Fahrrad ein paar Liedertexte mit. Und so sang ich trotz heftigem gedanklichem Ringen Lieder, die von der Gegenwart der göttlichen Liebe und ihrem Schutz sprachen. Diese Gedanken erfüllten ganze Tage mit Licht. Die erste Strophe von Lied Nr. 144 aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft erwies sich als bedeutungsvoll:
In Gottes Liebe leben wir
Und wachsen und gedeihn;
Der Menschen Augen sehen nur
Den trügerischen Schein.
Furchtgedanken von Sinnlosigkeit und Ausweglosigkeit traten an die Oberfläche, doch wie aggressiv diese Gedanken auch auftraten, ich wußte, daß sie ein trügerischer Schein waren. Ich erkannte immer mehr die Gegenwart der göttlichen Liebe an, die von der Unversehrtheit des Menschen und von seinem sicheren Platz in Gottes Universum sprach.
Ein Schritt, der sich mir aufdrängte, war der Abbruch der Ferien, um zu beten und die Hoffnungslosigkeit, die mich ergriffen hatte, zu entlarven und zurückzuweisen. In einem damals geführten Tagebuch ist zu lesen, wie inspirierte Ideen im Denken die Überhand gewannen und wie es schließlich zur vollständigen Heilung kam.
Dort stand zum Beispiel: „Tu alles, was tu tust, in heiliger Weise; mit Liebe, ehrlich, in Dankbarkeit zu Gott." Das Tagebuch sprach von der „Arbeit im Vertrauen, daß Gott dir das Beste zu deiner Entwicklung ... gibt". Es wurde auf die absolute geistige Wahrheit Bezug genommen, daß jeder von uns als Gottes Widerspiegelung „Leben in vollkommener Freude, Liebe, Intelligenz besitzt" und auf die Tatsache, daß solche Eigenschaften sich in individuellen Fähigkeiten zeigen. Ferner hatte ich folgenden wichtigen Punkt niedergeschrieben: „Der materielle Sinn — eigenwillig, träge, Freude im Sinn statt in der Seele suchend — widerstrebt dem Christus-Impuls. Leben heißt in Gott leben, nichts anderes ist Leben."
Weiter war im Tagebuch zu lesen, daß „Ehrlichkeit Erfüllung zur Folge hat, daß ein Leben als Widerspiegelung des Guten (Gutes sehen und geben) glücklich ist. Jeder Schritt zur Güte und Reinheit ist ein Schritt in Richtung des Geistes Christi. Es ist nötig, deine gottgegebene Reinheit und dein ,Guthaben' an Güte, Weisheit, Intelligenz und Gottvertrauen zu erkennen. Durchschaue jeden Angriff auf dein Leben — deine Integrität, deine Sicherheit, deine Freude — als Lüge über den Menschen."
Wohl jeder, der eine Zeitlang ohne Aussichten auf eine gute Arbeit oder auf sonstige unmittelbare, positive Auswirkungen seiner Tätigkeit gewesen ist, kennt die Gefühle von Unfähigkeit und Unzulänglichkeit, die das Vertrauen schwächen wollen. Solche Gefühle mögen einem tatsächlich wie ein Angriff auf die eigene Integrität und Sicherheit vorkommen. Doch können wir ihre Schlagkraft zunichte machen, wenn wir unser Wesen aus einem geistigen Blickwinkel erfassen — unsere wirkliche Natur als Ausdruck des göttlichen Gemüts wahrnehmen.
Unsere Freiheit von Entmutigung liegt im Wissen, daß unsere Beziehung zu Gott immerdar unversehrt ist. Gott — nicht eine Stelle, ein akademischer Grad oder sonst ein äußerer Umstand — ist die Quelle unserer wahren Identität. Ihn als den Ursprung alles Guten in unserem Leben zu verstehen hilft, die Tage des geduldigen Wartens mit Fortschritt und sogar Freude zu erfüllen, da uns das Gefühl der Einheit mit Gott wachsam sein läßt, um Gedanken der Furcht abzuweisen. Wir lernen dabei auch, daß Angst und Unsicherheit keine wirkliche Kraft haben, da sie nicht von Gott kommen.
Es traten auch subtilere Formen trügerischen, materialistischen Denkens ans Licht. War ich zum Beispiel ein beschränkter Sterblicher, der durch positive Gedanken seinen Gesundheitszustand verbessern konnte? Nein. Der Mensch ist in Wahrheit Gottes ewige Kundwerdung, die nichts anderes als Seine vollkommene, unsterbliche Gegenwart manifestiert. Persönliche Anstrengungen um positives menschliches Denken können keine echte, dauerhafte Heilung herbeiführen. Nur die Kraft Gottes, des göttlichen Gemüts, kann unsere gottgegebene Vollständigkeit ans Licht bringen.
Wir haben in Wirklichkeit keinen Gedankenkanal, der ab und zu die göttliche Wahrheit durchläßt und manchmal Träume von Krankheit, Versagen und dergleichen beherbergt. Das ist nicht der wahre Begriff vom Menschen. Das göttliche Gemüt ist unser einzig wirkliches Gemüt, und das göttliche Leben ist das einzig wahre Leben. Durch Gebet können wir die Freude erleben, die sich einstellt, wenn Ideen des Gemüts, die uns von der Vollkommenheit der wahren Schöpfung berichten, unser Denken durchfluten.
In diesem Bewußtsein wird die begrenzte Anschauung entlarvt, daß wir im Grunde nur Sterbliche sind, die um eine besondere Stellung oder ein bestimmtes Ansehen kämpfen — und genau das erlebte ich. Neid auf die Arbeit und den Erfolg anderer löste sich auf. Ich erkannte das Leben als Ausdruck des einen unendlichen, allerhabenen Gemüts.
Eine Ausüberin der Christlichen Wissenschaft, der ich damals von meinen Erlebnissen erzählte, unterstützte mich im kompromißlosen Anerkennen der Allmacht Gottes. Die folgende Stelle aus Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy bewies sehr bald ihre Richtigkeit: „Die Freudigkeit, die falschen Marksteine zu verlassen, und die Freude, sie verschwinden zu sehen — eine solche Gesinnung beschleunigt die endgültige Harmonie. Die Läuterung von Sinn und Selbst ist ein Beweis des Fortschritts."
Inmitten all dieser mentalen Kämpfe erschien in einer Zeitung ein Inserat, das die Aufmerksamkeit einer meiner Bekannten auf sich zog. Sie erzählte mir davon; ich bewarb mich um die Stelle; und es erwies sich, daß die Möglichkeiten, die sich damit auftaten, alle meine zuvor gehegten Vorstellungen bei weitem übertrafen. Mit all der Freude und Sicherheit, die während jener Gebete ans Licht traten, waren natürlich gute Leistungen verbunden, und alle Anzeichen von Schwäche in meinem Denken und am Körper verschwanden. Heute, ein paar Jahre später, kann ich das Glück göttlicher Führung, das ich damals erlebte, noch viel deutlicher spüren als unmittelbar nach der Heilung.
In Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „Wenn du das Denken über den Irrtum oder die Krankheit erhebst und beharrlich für die Wahrheit streitest, zerstörst du den Irrtum." Die Bereitschaft, unser Denken beharrlich durch Gebet mit dem göttlichen Gemüt in Einklang zu bringen, deckt alles auf, was zu berichtigen ist. Sie läßt die Macht des Gemüts alles zerstören, was nicht von Gott kommt, was Gott als Eines und Alles leugnet.
Gebet, das demütig die Allmacht Gottes anerkennt und jedes vermeintliche Gegenteil kompromißlos verneint, ist wirksam.
